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Neues Medienprodukt sorgt für Furore

 
     
 
Wer kann da schon "nein" sagen, wenn die Sonntags-Zeitung gratis im eigenen Briefkasten landet. Die Empfänger der seit dem 9. November 1997 allwöchentlich im Umland von Freiburg verteilten "Zeitung zum Sonntag" (ZuS) wissen den neuen Service denn auch zu schätzen, zumal die ZuS von Layout und Inhalt her wie eine echte Zeitung und nicht wie eines jener leidigen Anzeigenblätter daherkommt, die nur dazu gut sind, den Altpapierausstoß zu erhöhen. Wozu also zur nächsten Tankstelle laufen, um die "Welt am Sonntag" oder gar die "Bild am Sonntag" zu holen und dafür auch noch zu bezahlen?

Genau dieser Gedanke geistert auch in den Köpfen der hohen Herren in der Chefetage des Axel-Springer
-Verlages herum. Und dies schon seit Monaten. Da es ums Geld ging, blieb man nicht untätig und reagierte nach dem Erscheinen der Nullnummer der ZuS sofort mit einer beim Freiburger Landgericht erwirkten einstweiligen Verfügung. Begründung: Die hinter dem Blatt stehende, mit der "Basler Zeitung" verknüpfte Zäh Verlags GmbH verstoße mit der kostenlosen Verteilung des allein über Anzeigen finanzierten Blattes (Auflage: 120.000) wider das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Die ZuS entspreche mit einem redaktionellen Anteil von weit über 30 Prozent eindeutig den Standards der entgeltlichen Zeitungen.

Doch zum Leidwesen des Sonntagszeitungs-Monopolisten und der in der Region Freiburg bis dato konkurrenzlosen "Badischen Zeitung" durfte die "Zeitung zum Sonntag" gemäß Landgerichtsurteil vom 14. November wie geplant erscheinen. Auch die Berufungsverhandlung am 19. Februar vor dem in Freiburg ansässigen 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe endete mit einer Niederlage für das Haus Springer, so daß das ungewöhnliche Medienprojekt jetzt auf Jahre gesehen durch Justitia nicht zu Fall gebracht werden kann, selbst wenn der Hamburger Großverlag im Hauptsacheverfahren bis zum Bundesgerichtshof gehen sollte.

Die Freiburger Richter ließen es in ihrer Begründung an Deutlichkeit nicht fehlen, und in einer Erklärung der Pressestelle des Oberlandesgerichts verlautete: "Angesichts der monopolartigen Stellung, die die Zeitungen des Springer-Verlags auf dem Sonntagszeitungsmarkt besäßen, liege es in der Natur der Sache, daß jede neue Sonntagszeitung - sei sie käuflich oder kostenlos - Auswirkungen auf den Absatz der Zeitungen des Springer-Verlags habe." Das Gericht wies zu Recht darauf hin, daß sich fast alle größeren Zeitungen heute zu einem erheblichen Anteil (in der Regel liegt dieser sogar über 70 Prozent) durch Anzeigen finanzieren, so daß die ZuS in dieser Hinsicht keine Wettbewerbsverzerrung durch "unwirtschaftliches Konkurrenzverhalten" betreibe. Die Springer-Argumentation war wenig schlüssig und spiegelte allzu offensichtlich den Wunsch nach einer juristischen Absicherung eigener Marktpositionen wider. Daran kann auch die partielle Unterstützung des Begehrens durch den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger sowie den Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger nichts ändern. Die in der Anklageschrift beschworene Gefahr eines allgemeinen Niveauverlusts der Presse durch die kostenlose Verteilung vermochte wenig zu überzeugen. Hier spielen andere Faktoren eine entschieden größere Rolle: Standardisierungen durch die Macht einiger weniger Nachrichtenagenturen, Einschränkung der Meinungsvielfalt durch gigantische Konzentrationsprozesse im Verlagswesen, Anpassungen an veränderte Lesegewohnheiten. Doch die ganze Pikanterie des Presse-Rechtsstreits offenbarte sich spätestens am 10. März.

An diesem Tag machte der Zäh-Verlag ein Vertragspaket mit dem Hamburger Verlagshaus und Springer-Großkonkurrenten Gruner&Jahr notariell dingfest, das schon Wochen vorher die Gerüchteküche bereichert hatte. Gruner&Jahr übernimmt demnach 50 Prozent der Anteile an der ZuS, wobei die journalistische Direktive in den alten Händen verbleiben wird. Der Hamburger Verlag soll vor allem helfen, die Infrastruktur des Blattes zu verbessern und es spätestens hier dürften nicht nur bei Springer die Alarmglocken läuten - auch an anderen Standorten nach dem gleichen Muster etablieren. Die journalistische Gesamtleitung obliegt Michael Zäh.

Sollte die "Zeitung zum Sonntag" tatsächlich wie angekündigt in einigen ausgewählten Ballungsräumen kostenlos unters Volk gebracht werden, so wäre dies zweifellos ein großangelegter Versuch, das Springer-Monopol in diesem Marktsegment aufzuheben.

 
 
     
     
 
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