A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Neun tote Neugeborene und neun Millionen Ungeborene

 
     
 
Neun tote Kinder, unmittelbar nach der Geburt vermutlich von der eigenen Mutter getötet und verscharrt - mehr als ein Kriminalfall, eine menschliche Tragödie, die alle Dimensionen sprengt; da fehlten einem zunächst einmal die Worte, dies unfaßbare Geschehen zu bewerten oder auch nur zu beschreiben.

Einige, denen die Worte denn doch nicht fehlten, wünschen sich inzwischen sehnlichst, sie hätten ihnen gefehlt. Si tacuisses, philosophus mansisses - wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geblieben, mag sich beispielsweise Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm
gesagt haben. Offenbar hatte er sich von seinen - in diesem Falle menschlich verständlichen - Emotionen hinreißen lassen zu Äußerungen, die zwar grundsätzlich in die richtige Richtung zielten, aber nicht sorgfältig genug ausformuliert waren. Vor allem hatte Schönbohm wohl nicht bedacht, in welchem Maße die Befindlichkeiten (und Empfindlichkeiten) vieler Bürger in der Ex-DDR von rechts bis links zum Stimmenfang instrumentalisiert werden. Als betont konservativer Politiker stand er ohnehin schon lange unter verschärfter Beobachtung; spätestens seit seinem Auftreten beim Königsberg-Festkommers in Hamburg (Zusammenfassung vom 30. April 2005) war er aus antifaschistischer Sicht "zum Abschuß freigegeben". Nun schien sich die Gelegenheit zu bieten (oder von ihm selber geboten zu werden), einen neuen "Fall Hohmann" zu inszenieren.

Leider hat die einseitige, zum Teil maßlos überzogene Kritik an Schönbohms verbalem Schnellschuß dazu geführt, daß der Kern des Problems kaum noch wahrgenommen wird. Wie sind denn bestimmte Erscheinungen im östlichen Teil der Bundesrepublik zu erklären - etwa die überdurchschnittliche Gewaltbereitschaft oder auch die auffällige Anfälligkeit für extreme politische Positionen? So zu tun, als hätten die Verwerfungen und Schädigungen, die ein jahrzehntelanges kommunistisches Regime in den Köpfen und Herzen der Menschen angerichtet hat, damit überhaupt nichts zu tun, ist mehr als naiv. Mehr als 40 Jahre lang haben Ulbricht und Honecker und ihre SED-Sippschaft systematisch alle traditionellen Werte und alle familiären und kirchlichen Strukturen zerstört, den Menschen seiner Individualität und Würde beraubt, den Respekt vor dem Leben demontiert.

Natürlich haben viele Menschen in der DDR darauf reagiert, indem sie sich in ihre "Nischengesellschaften" zurückzogen, menschliche Nähe und Nachbarschaftshilfe in vorbildlicher Weise kultivierten. Das verdient Anerkennung - und wird im heutigen, vereinigten Deutschland schmerzlich vermißt.

Aber das war eben nicht die ganze DDR. Dazu gehörte auch, daß dieser "erste atheistische Staat auf deutschem Boden" zeit seiner realen Existenz Weltrekordler in Sachen Abtreibung war. Seriöse Quellen beziffern die Zahl der Kindstötungen im Mutterleib zwischen 1949 und 1989 auf neun Millionen. Hemmungslos und mit staatlicher Unterstützung wurde der Schwangerschaftsabbruch als Mittel der Familienplanung und der persönlichen Lebensgestaltung praktiziert. Und auch im Westen wußte man, wohin man fahren mußte, wenn man noch im vierten, fünften oder sechsten Monat abtreiben wollte: in Honeckers "Abtreibungsparadies", das für millionenfaches ungeborenes Leben zur Hölle wurde. So kann der neunfache Babymord von Brieskow auch als Fanal verstanden werden, das an neunmillionenfachen Ungeborenenmord erinnert - und an die menschenverachtende Ideologie, die dahinter stand und deren Folgen wir immer noch nicht überwunden haben.
 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Noch im grünen Bereich?

Fur

Für Sie entdeckt

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv