|
Naturschutz und Heimat - Brücken über Zeit und Grenzen" lautet eine Matinee, mit der kommenden Sonntag die Sonderausstellung "Zwischen Haff, Heide, Harz und Helgoland", die seit Juli im Ostdeutschen Landesmuseum an der Lüneburger Ritterstraße interessierte Besucher aus dem In- und Ausland über "100 Jahre staatlicher Naturschutz in Deutschland" informiert (dieberichtete in Nr. 31), ihren krönenden Abschluß findet. Anlaß dieser festlichen Veranstalt ung ist die Gründung der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen am 22. Oktober 1906 in Danzig, also auf den Tag genau vor 100 Jahren. Sie wurde zur Geburtsstunde des amtlichen Naturschutzes in Deutschland, dessen Entwicklung und Bedeutung die Ausstellung auf eindrucksvolle Weise dokumentiert. Erstmalig wurde damit auch die Rolle des Staatlichen Naturschutzes aus der Sicht der historischen Entwicklung des Begriffes Naturdenkmal in seinem Wirkungszusammenhang zum Naturerbe Europas herausgestellt.
Daß der Naturschutzgedanke gerade in Preußen seinen Ursprung hat, dürfte auf tiefere Wurzeln zurückgehen. Für die preußische Urbevölkerung, die Prussen, war die Natur die große Mutter, der Wald war heilig, jeder Frevel wurde geahndet. Diese enge Verbindung und die daraus resultierende Liebe zu allem, was wächst, kreucht und fleucht, blieb bis heute erhalten. Die heilige Eiche von Romowe, dem Sitz der alten Prussengötter, lebt symbolhaft in der alten Eiche in Cadinen weiter, die schon vor dem Ersten Weltkrieg als Naturdenkmal unter Schutz gestellt wurde und als "tausendjährige" Eiche noch heute bewundert - und geschützt wird! Cadinen liegt am Frischen Haff - nicht umsonst wurde das Haff als erster territorialer Begriff für den Ausstellungstitel gewählt. Der Raum "Zwischen Haff, Heide, Harz und Helgoland" deckt die Region ab, wie sie in den Pioniertagen des deutschen Naturschutzes wahrgenommen und nach den damaligen Möglichkeiten bearbeitet wurde.
Westwärts vom Frischen Haff liegt Danzig, damals zu Westpreußen gehörend. Hier liegt die Urzelle des staatlichen Naturschutzes, denn dort wurde am 22. Oktober 1906 die Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen eingerichtet. Sitz dieser neuen Institution war das Westpreußische Provinzialmuseum im "Grünen Tor" in Danzig, dessen Gründer und Leiter, Hugo Conventz, auch der Initiator für die Gründung war, ein Pionier auf dem Gebiet des Naturschutzes. Conventz und seine Mitbegründer wollten den Naturschutzgedanken in der Bevölkerung fest verankern. Die Stelle sollte für alle amtlichen Planer und Entscheidungsträger beratend tätig sein. Der Begriff "Naturdenkmal" steht für besondere, schützenswerte "Einzelschöpfungen der Natur" und umfaßt Landschaftsteile wie Felsen, Findlinge, Höhlen, aber auch Populationen seltener Tier- und Pflanzenarten und bemerkenswerte Einzelbäume wie die Eiche von Cadinen. Der Gedanke war nicht neu: Schon im Jahre 1900 hatte der damalige Direktor des Ostdeutschen Provinzialmusuems in Königsberg, Alfred Jentzsch, eine Liste der "Naturdenkmäler" in Ostdeutschland verfaßt. Sie stellte besonders deren Schutzwürdigkeit heraus und wurde wegweisend für ganz Deutschland. Die Wurzeln des deutschen Naturschutzes liegen also im deutschen Osten.
Der neuen Institution wurde eine immer größere Bedeutung zugemessen, so daß sie 1910 nach Berlin verlegt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt der Schutz von Denkmälern der Natur und der Landschaft Verfassungsrang. 1920 erfolgte die erste Berücksichtigung in einem Ländergesetz. Damit wurde die Einrichtung von Naturschutzgebieten ermöglicht. Wie stark der Naturschutzgedanke in der Bevölkerung bereits verankert war, beweist der Verein Naturschutzpark, der bereits 1909 gegründet worden war. Er hatte es sich zum Ziel gesetzt, auch in Deutschland Großschutzgebiete zu verwirklichen. Als Beispiel für Ostdeutschland sei hier der 1934 als Naturschutzgebiet ausgewiesene "Samländische Küstenhain" genannt, der die Steilküste zwischen Brüsterort und Warnicken erfaßte. Natürlich wurde auch eines der eigenartigsten Landschaftsgebiete Ostdeutschlands, die Dünenregion der Kurischen Nehrung als Naturschutzgebiet ausgewiesen und war sogar als Nationalpark vorgesehen, dessen Realisierung allerdings durch den Zweiten Weltkrieg verhindert wurde. Dort wurde ja in Rossitten durch Professor Johannes Thienemann 1901 die erste Vogelwarte Deutschlands gegründet. Zu der hat der Festredner der Veranstaltung am kommenden Sonntag, Henry Makowski, ein besonderes Verhältnis, denn schon als 17jähriger konnte er dort helfen, wertvolles Material vor den drohenden Zerstörungen bei Kriegsende zu retten. Seitdem sah er seine Lebensaufgabe im Naturschutz, leitete schon sehr jung in den ersten Nachkriegsjahren die Vogelstation auf dem Lüneburger Kalkberg und wurde durch seine engagierte Tätigkeit in Institutionen und Medien und seinen unermüdlichen Einsatz für den ehrenamtlichen Naturschutz international bekannt und geehrt. (R. G.) |
|