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Geschichte des Dritten Reiches

 
     
 
Unser Medien-Rückblick reicht diesmal besonders weit zurück: Genau 20 Jahre ist es her, seit der damalige Stern-Chefredakteur Peter Koch stolz verkündete: "Die Geschichte des Dritten Reiches wird in weiten Teilen neu geschrieben werden müssen." Nicht einmal zwei Wochen später sah alles wieder anders aus: Die Geschichte der Nannen-Illustrierten mußte neu geschrieben - beziehungsweise um ein gewichtiges und nicht gerade ruhmreiches Kapitel ergänzt - werden. Bis heute können die Kollegen vom Hamburger Baumwall sich rühmen, wenn schon nicht die größte zeitgeschichtliche Sensation, so doch den spektakulärsten journalistischen
Flop aller Zeiten geliefert zu haben.

Nannen & Co. hatten sich von dem listigen Fälscher Kujau 60 kunstlederne Tagebuchkladden andrehen lassen, für knapp zehn Millionen DM. Das Geld war echt, die Tagebücher nicht. Statt Adolf Hitler hatte der fleißige Kalligraph Kujau Seite um Seite mit Banalitäten gefüllt, zwei Jahre lang den Stern-Reporter Heidemann damit beliefert, ihm die abenteuerlichsten Phantastereien über angebliche Quellen und Fundorte aufgetischt. Und nie waren die arroganten Meinungsmacher auf die Idee gekommen, daß da etwas faul sein könnte.

Das Erstaunlichste: Trotz dieser einmaligen Blamage konnte das Blatt den größten Teil seiner Lesergemeinde treu bei der Stange halten - wer nur das wahrnehmen will, was er schon immer für die Wahrheit gehalten hat, läßt sich durch gelegentliche Unwahrheiten nicht irritieren.

Die Jahrhundert-Blamage hat immerhin den Stoff für einen recht unterhaltsamen Film ("Schtonk" mit Uwe Ochsenknecht) abgegeben. Und pünktlich zum 20jährigen Jubiläum brachte der NDR im Dritten Programm eine sehenswerte TV-Dokumentation. Mit dem wenig schmeichelhaften, aber zutreffenden Titel "Der größte Schwindel aller Zeiten".

Größter Schwindel aller Zeiten - so sehen viele Bürger inzwischen auch das Projekt "Aufbau Ost". Nachdem der sächsische Regierungschef Georg Milbradt (CDU) und der einstige Hamburger Regierungschef Klaus von Dohnanyi (SPD) in verblüffend ähnlichen Grundsatzpapieren die zahlreichen Pleiten und Pannen beim Aufbau Mitteldeutschlands kritisiert hatten, nahm sich nun auch die "Mutter aller Polit-Talk-Shows" des Themas an. "Entscheidet sich Deutschlands Zukunft im Osten?" fragten sich Sabine Christiansens Gäste, waren sich aber nicht ganz einig, wie sie diese Frage konkret verstehen sollten.

Günter Verheugen zum Beispiel meinte mit "Osten" offenkundig alles, was jenseits der vor 14 Jahren von der Regierung Kohl festgeschriebenen Oder-Neiße-Grenze liegt und in diesen Tagen der EU beitritt. Als Brüsseler Erweiterungskommissar und deutscher Sozialdemokrat fiel ihm leider nicht viel Gescheiteres ein, als diesen Vorgang als "Win-Win-Situation" für Deutschland zu bejubeln. Ähnlich auch Ex-Außenminister Hans-

Dietrich Genscher: Die Geschichte habe gezeigt, daß "die Europäische Union bislang von jeder Erweiterung profitiert hat, politisch und wirtschaftlich". Mag sein, aber ob das auch bei den jetzt anstehenden und künftigen Erweiterungen so sein wird, darf denn doch angezweifelt werden.

Ministerpräsident Milbradt hingegen sprach vom Osten der Bundesrepublik, also von Mitteldeutschland, dessen Probleme er auch in den Kontext der aktuellen europäischen Entwicklungen zu stellen versuchte.

Weitaus besser als bei Christiansen gelang ihm dies einen TV-Abend später beim NDR-"Talk vor Mitternacht". Das lag wohl auch daran, daß ihm mit von Dohnanyi ein ebenso kompetenter wie eloquenter Geprächspartner gegenübersaß. So entwickelte sich zum Thema "Milliardengrab Ostdeutschland - Haben wir umsonst gezahlt?" eine lebhafte, für den Zuschauer recht informative und von Hans-Jürgen Börner hanseatisch-diszipliniert geführte Gesprächsrunde, zu deren hohem Niveau übrigens auch der grüne Städtebauminister und Stellvertretende Ministerpräsident von NRW, Michael Vesper, Beachtenswertes beizutragen wußte.

Ansonsten bestätigte sich wieder einmal, daß die Dritten Programme in Sachen politischer Bildung ARD und ZDF durchaus den Rang ablaufen können - man denke nur an Ursula Hellers "Münchner Runde" im Bayerischen Fernsehen.

Die Beiträge der privaten TV-Anbieter sollte man in diesem Zusammenhang allerdings gnädig verschweigen. Mit Günther Jauchs kniffeligen Quizfragen ist jedenfalls mein Bedarf an werbefinanziertem Fernsehvergnügen vollauf befriedigt.

Sabine Christiansen und ihre Gäste: Ministerpräsident Milbradt, Handelsblatt-Chefredakteur Ziesemer, Ex-Außenminister Genscher, der slowakische Staatspräsident Schuster, EU-Erweiterungskommissar Verheugen und der Journalist Ulfkotte (). Foto: ARD

Elisa Wachtner macht zur Zeit Urlaub, fernab von den Aufgeregtheiten deutscher und internationaler Politik. Daher erscheint statt seines an dieser Stelle gewohnten politischen Wochenrückblicks in den nächsten Ausgaben ein Blick zurück in die Medien - manchmal, aber nicht immer im Zorn.

"Bedaure! Sie sind der letzte Einwohner"

 
     
     
 
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