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Nur 26 Prozent sind dafür

 
     
 
Unter französischem Vorsitz soll Anfang Dezember in Nizza eine Regierungskonferenz stattfinden, bei welcher eine Reform der EU-Institutionen vereinbart werden soll. Obwohl die französische und internationale Presse eher skeptisch den vorbereitenden Gipfel in Biarritz Mitte Oktober bewertet hatte, zeigt man sich im Pariser Europaministerium optimistisch über die Chancen, in Nizza zu konkreten Ergebnissen und zu einem Übereinkommen zu gelangen. Die europäischen Institutionen, die seit der Gründung des Gemeinsamen Marktes im Jahre 1957 nie reformiert gewesen seien, benötigen nunmehr auch angesichts der geplanten Osterweiterung
dringend eine Revision ihrer Einrichtungen.

In Nizza solle einfach über die Institutionen verhandelt werden. Unsere Gesprächspartnerin, eine Fachberaterin des Europaministers Pierre Moscovici, vermied, sich verbindlich über die Eventualität einer weiteren Regierungskonferenz zu äußern, wie dies etwa von Bundeskanzler Schröder gewünscht wird. 2004 würden die fünfzehn, möglicherweise unter Anschluß von neuen Ost-Kandidaten, über die Aufteilung der Kompetenzen unter den Nationalstaaten, den Regionen und den europäischen Behörden verhandeln. Derzeit gehe es um die Tragfähigkeit der anwesenden Institutionen und um nichts weiter. Insofern werden in Nizza vier Punkte auf der Tagesordnung stehen: die Zusammensetzung der Kommissionen; die Stimmgengewichtung innerhalb des Ministerrats; die verstärkten Kooperationen zwischen EU-Staaten, die sie wünschten; und viertens die qualifizierten Mehrheiten, d. h. die endliche Abkehr von der Einstimmigkeitsregel.

Hinter diesen technischen Vokabeln verbirgt sich der Wille der mächtigeren EU-Staaten, ihre Interessen gegenüber den kleineren durchzusetzen. Unverblümt vertrat die Sprecherin aber die Meinung, die programmierte Reform solle nicht die Interessen Frankreichs in Frage stellen. Was Frankreich angehe, wollen seine politischen und diplomatischen Unterhändler über die Bedeutung ihres Landes mit dem Ministerrat der EU und die zwischenstaatliche Zusammenarbeit sprechen. Obwohl Paris eine Stärkung der Befugnisse des Präsidenten der EU-Kommission erkämpfen will, hat es den Anschein, daß der Nizzaer Gipfel in eine Vertiefung des Zwischenstaatlichen einmünden wird. In der Debatte "Groß gegen Klein" setzt Paris auf die Großen.

Die in Nizza zu treffenden Vereinbarungen werden ratifizierungspflichtig sein. Die französische Regierung, die mit einer scharfen Kritik gegen die Europäisierung des öffentlichen Lebens zu rechnen hat, will auf jeden Fall verhindern, daß das voraussichtlich in Nizza unterzeichnete Abkommen eine Revision der Verfassung Frankreichs mit sich zieht. Laut einer von der EU-Kommission Mai 2000 durchgeführten Meinungsumfrage wären nur 26 Prozent der Franzosen für die Ost-Erweiterung (34 Prozent bei den Bundesdeutschen). Das bedeutet, daß durch eine Verfassungsänderung an und für sich neuerlich die französischen Euroskeptiker die Oberhand im Land gewinnen könnten, was die Regierung Jospin und vermutlich auch Chirac absolut verhindern wollen.

Das Abkommen von Nizza sollte deshalb minimal und nicht sehr ehrgeizig sein. Für seine Ratifizierung in den gegenwärtigen fünfzehn EU-Mitgliedern seien zwei Jahre notwendig, so daß, wenn alles klappe, mit einer ersten Ost-Erweiterung nicht vor 2003 zu rechnen ist.

Die französische Diplomatie steht nunmehr neuerlich vor den polnischen Problemen. Unsere Gesprächspartnerin verbarg nicht, daß Paris wünscht, daß die polnische Wirtschaft (und Landwirtschaft) 2003 beitrittsfähig sei. Man sieht außenpolitische Schwierigkeiten aufkommen, wenn Polen nicht zur ersten Garnitur gehört. Deswegen scheint man in Paris nicht viel von einer massiven Erweiterung mit all den weiteren Kandidaten im Jahre 2005 zu halten. Warschau scheint für Paris das dringlichste Problem darzustellen. Finanzielle Einwände sollen nicht mehr gelten, um der polnischen Landwirtschaft erneut unter die Arme zu greifen. Das Berliner Finanzpaket, die sogenannte "Agenda 2000", sei beschlossen und insofern nicht mehr neu auszuhandeln. Das offizielle Paris verschweigt aber die Perspektiven angesichts einer dann möglicherweise effizienten polnischen Landwirtschaft und läßt auch offen, ob die EU, sprich Berlin, erneut finanziell im Bedarfsfall in die Bresche springen werde. Francisco Lozaga

 
     
     
 
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