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Das rund 210 Hektar große Rittergut Schwollmen ist heute - da bei Kriegsende total zerstört - nur noch schwer zu finden. Es liegt zwischen der Bahnstation Salwarschienen und Reddenau im Kreis Preußisch Eylau. Im Jahre 1362 verlieh der Hochmeister des Deutschen Ordens Winrich von Kniprode "dem Pittau gegen Reiterdienste, Burgendienst und Pflugkom neben sieben Hufen zu Liebhausen auch 15 Hufen in ,Solwo zu kölmischem Recht".
Bis 1945 stießen die Felder von Schwollmen an jene von Liebhausen. Die Familien Henke von Schwollmen und Matern von Liebhausen hielten gute Nachbarschaft. Fotos zeigen die Kinder beider Höfe zusammen mit den Belaus aus Markhausen, die mit den Materns verwandt waren. Unter den Polen wurde Markhausen zum Zentrum einer riesigen Kolchose , die nach der Wende zusammengebrochen ist. Was Dietrich Henke in dem für seine Kinder und Enkel verfaßten 56 Seiten starken Büchlein "Rittergut Schwollmen" festhielt, gilt ähnlich für Liebhausen und Markhausen und viele andere ostdeutsche Höfe.
Während von Schwollmen nur noch die Grundmauern im hohen Gras und unter Bäumen, die in den früheren Zimmern gewachsen sind, zu entdecken sind, steht das Wohnhaus in Liebhausen noch zu zwei Dritteln mit zwei riesigen Scheunen; Markhausen hat den Zweiten Weltkrieg samt Folgen am besten überstanden. Vom Wohnhaus in Liebhausen fehlt der Küchentrakt. Im Innern des Hauses sind für die heute dort wohnenden Familien Zwischenwände eingezogen, so daß von der alten Größe aber auch nichts mehr zu entdecken ist.
Schwollmen und Liebhausen hatten je einen eigenen Familienfriedhof. Der von Liebhausen war noch bis vor kurzem teilweise erhalten. Es war ein mit Tannen bestandener Sandhügel, der von den polnischen Kolchosearbeitern abgeräumt wurde. Ein umgestürzter Grabstein von Walter Matern, der 1921 an Typhus gestorben war, erinnerte an die Familiengrabstätte.
Die heutigen Bewohner kommen überwiegend aus Galizien, der Lemberger Gegend und aus Weißrußland. "Du Flüchtling - ich Flüchtling", hörte Dietrich Henke beim Besuch in seiner Heimat.
Wie früher werden Roggen, Sommer- und Wintergerste sowie Kartoffeln angebaut.
Der Bahnhof Salwarschienen sieht aus wie immer. Sowohl die Schwollmer wie auch die Liebhauser wurden dort früher vom Kutscher in Livree abgeholt, im Sommer mit dem Wagen, im Winter mit dem Schlitten, dicken Pelzdecken und gewärmten Steinen für die Füße.
Zum Einkaufen fuhr man nach Heilsberg. Die katholischen Liebhauser spannten für den Kirchgang wegen der Entfernung von elf Kilometern nur jeden zweiten Sonntag an. Blieb man am Sonntag daheim, gab es eine Hausandacht. Die Schwollmer Kinder radelten nach Heilberg in die Schule, bei schlechtem Wetter durften sie reiten. Die Schularbeiten wurden bei Petroleumlampen oder Kerzen gemacht. Strom gab es bis Kriegsende in Schwollmen überhaupt nicht, in Liebhausen etwa seit 1943.
Für die kleinen Kinder gab es - wie auch Henke schreibt - in Liebhausen eine Hauslehrerin, die vom ältesten Sohn geheiratet wurde. Die älteren Jungen der kinderreichen katholischen Familien wurden aufs Internat zu den Dominikanern ins holländische Venlo geschickt. Die Materns belegten ein eigenes Zugabteil.
Das war aber auch der einzige Luxus, den man sich leistete. Im übrigen wurde auf allen Höfen eisern gespart. Man lebte, so Dietrich Henke, nach dem Wahlspruch: "Kaufe nicht, was Du nicht brauchst, sonst mußt Du verkaufen, was Du hast." Die meisten Großbetriebe waren wegen der absatzschwachen Zeiten sehr verschuldet.
So wurde das Rittergut Schwollmen der erste ostdeutsche "Deutsche Erbhof". "Um in die angebotene Umschuldung hinein zu kommen", so Dietrich Henke, "konnte man beantragen, Deutscher Erbhof zu werden. Dieses bedeutete: einen erbberechtigten Sohn, Verkaufsverbot und Eintritt in die NSDAP. Das letztere war meiner Mutter vorbehalten, die aus einem sehr deutsch-nationalen Hause stammte. Mein Vater verweigerte sich strikt und hätte lieber den Betrieb aufgegeben."
Dietrich Henke gelingt es, die Schönheit seiner Heimat literarisch einzufangen: "Im Herbst ist dort in unserem Land die schönste Jahreszeit gewesen. Volle Farben, von gelb bis dunkelbraun und rot. Die Sonne machte alles noch fülliger. Wenn die Fäden des Altweibersommers sich durch Büsche und Gräser woben, sangen die Lerchen über den sich leerenden Feldern ... Im Sommer, an langen Abenden oder in der nie ganz dunklen Nacht: Immer sah man die Umrisse der Bäume im Park und an den Wegen. Der Schönwieser Wald lag als dunkle Abgrenzung des Horizontes. Hier und da das Muhen einer Kuh oder das Bellen eines Hundes. Das Käuzchen rief, und die Fledermäuse zirpten in der Luft. Am Tage in flimmernder Hitze gaben die großen Eschen und die dicken Mauern des Hauses Kühle. Der Elm war sauber und lud zum Baden ein."
Und heute? Die alten Feldgrenzen zwischen Schwollmen und Sieslack sind auch im neuen Jahrtausend noch gültig. Die Schwollmer Felder wurden je nach Bodenqualität zu Schlägen von 120 bis 150 Morgen zusammengelegt. Ein Teil der Feldwege wird durchgepflügt. Sämtliche Wiesen kamen unter den Pflug. Die Elmwiesen sind versumpft, mit dichtem Gestrüpp, Erlen und Weidenbestand bewachsen. Die Elm führt auch viel weniger Wasser, als es damals der Fall war.
Powarschen ist Viehzentrum mit drei großen Milchviehställen in Fertigbauweise. Der Liebhauser Park besteht vor allem aus Gestrüpp, die Leutehäuser sind aber bewohnt. Das Markhauser Wohnhaus samt Park hingegen ist sogar vorbildlich gepflegt.
"Das Land ruft, wenn im Frühling nach einem Regen die Erde dampft. Dann steigt die Erinnerung auf an die Hügel und Wiesen, die Bäche und Wälder. Die Bilder gehen nicht mehr aus dem Sinn, sie kommen wieder beim Wachen und Träumen, und sie verklären sich in große Sehnsucht."
Für 270.000 Goldmark wurde das Rittergut Schwollmen im Jahre 1911 von den Henkes erworben. Der Lastenausgleich betrug 62.000 D-Mark.
Vor der Zerstörung: Das Wohnhaus des Rittergutes 1938 |
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