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Im Jahre 2003 sind 116.141 Personen nach Berlin gezogen, und fast genau so viele haben der Stadt den Rücken gekehrt. Viele davon sind Ausländer. Während sich jedoch das klassische Gastarbeitermilieu "stabil" hält, kamen in den letzten Jahren vor allem Osteuropäer an die Spree. Man hört und sieht sie überall, sie fallen einem aber nicht so schnell auf wie die verschleierte Frau oder der dunkelhäutige Araber.
Die (neu)reichen Russen in Berlin residieren im früheren West-Berlin . Rund um den Savignyplatz zum Beispiel. Da ist auch das Stilwerk, ein Nobel-Einrichtungshaus. Dort verkauft Thomas Hilke (35) Plasma-Bildschirme an die, die sich die flachen Fernseher leisten können. Auch wenn die Preise für Plasma-und LCD-Bildschirme ins Rutschen gekommen sind - sie sind noch immer ein Luxus-Artikel. Hilke: "Vierzig Prozent meiner Kunden sind Russen." Er behauptet sogar, den Großteil aller Russen, die in der Hauptstadt einen Flachbildschirm besitzen, selbst beliefert zu haben. Kein Wunder: Sein Geschäftspartner ist selbst Russe und hat einen guten Draht zu seinen Landsleuten.
Die ärmeren Russen von Berlin trifft man eher im Osten. Etwa in der "Russendisko". Die hatte ihr Domizil früher in der Oranienburger Straße. Da, wo auch der Straßenstrich war. Heute residiert sie im Café Burger, an der Grenze zwischen Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg, Torstraße 58. Alle zwei Wochen findet sie statt - die Russendisko, auf der getanzt wird wie auf jeder anderen Party auch. Wegen des gleichnamigen Romans von Wladimir Kaminer aber besitzt sie Kultstatus.
Kaminer berichtet von vielen Russen, die sich als Juden ausgegeben haben. So konnten sie problemlos in Deutschland einreisen und Sozialhilfe etc. beantragen. Komplizierter war da schon der Weg über das Asylrecht. Kaminer schreibt: "Das Asylrecht in Deutschland ist launisch wie eine Frau, deren Vorlieben und Zurückweisungen nicht nachvollziehbar sind." Über einen Freund, der mehrfach abgeschoben worden ist, weiß der Literat: "Er verlor aber nicht die Hoffnung und schleuste sich jedes Mal wieder illegal zurück." Als Kaminer seinen Bestseller "Russendisko" verfaßte, änderten Fischer und Vollmer gerade die Einreiserichtlinien.
Von nun an kamen Osteuropäer einfach als Touristen. Und so schrieb Kaminer wenig später: "Seit einiger Zeit gilt Berlin in den russischen Reisebüros als eine Art Geheimtip für Reiche. Man könnte sich höllisch dort amüsieren." Über Schwarzarbeiter und Zwangsprostitution schreibt Kaminer nichts. Seit dem Prozeß gegen Anatoli Barg ist jedoch bekannt: Auch einfache Ukrainer gelangten unter dem Deckmantel des Tourismus massenhaft ins Land. Barg hatte Tausende Visa-Anträge bewilligt bekommen, weil er gefälschte Reisedokumente und -broschüren erstellte. Von Firmen, die es gar nicht gab, und für angebliche Ferienreisen in die Eifel oder zum Kölner Dom.
Es gibt zudem immer auch die Möglichkeit, als Student nach Deutschland zu gelangen. Doch Ala aus der Ukraine berichtet von ihren Erfahrungen mit dem Ausländer-Amt: "Ach was soll ich Ihnen sagen? Jedes Semester neuer Streß mit der Aufenthaltsgenehmigung ..." Die anderen Osteuropäer in ihrem Wohnheim hätten alle die gleichen Probleme, sagt sie. Als Student nach Deutschland zu kommen ist also nicht gerade der einfachste Weg. Und ob Ala, die auf einem ukrainischen Stand auf der Tourismusbörse ITB gearbeitet hat, überhaupt eine Arbeitsgenehmigung besitzt, darüber möchte sie lieber nicht sprechen. () |
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