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Polen auf Prager Konfrontationskurs

 
     
 
Erstmals hat ein Mitglied der rot-grünen Bundesregierung die tschechische Regierung aufgefordert, die unter dem Namen Benesch-Dekrete bekannten Vertreibungs- und Entrechtungsgesetze aufzuheben. Bundesinnenminister Schily verband diese Forderung auf dem Pfingsttreffen der Sudetendeutschen allerdings mit relativierenden Hinweisen auf Vorgänge im Zusammenhang mit dem sogenannten Münchner Abkommen von 1938, ohne jedoch auch die ursächlich damit zusammenhängenden Verträge
von Versailles und St. Germain zu erwähnen.

Dies führte unter den Teilnehmern zu Mißfallensbekundungen und zu Vermutungen, die Aussage zu den Benesch-Dekreten habe wohl nur wahltaktische Bedeutung. Auf derselben Veranstaltung in Nürnberg bekräftigte der bayerische Ministerpräsident Stoiber seine Auffassung, wer heute noch Vertreibung und Entrechtung verteidige, müsse sich "von allen Europäern fragen lassen, wie europatauglich er ist".

Derweilen tat sich der tschechische Ministerpräsident Zeman erneut mit zynischen Anmerkungen hervor: "Sie wollten heim

ins Reich, und so gingen sie auch", verhöhnte er die heimatvertriebenen Sudetendeutschen. Sein Stellvertreter Spidla verstieg sich gar zu der Behauptung, der "Abschub" der Deutschen sei "eine der Quellen des künftigen Friedens" und "eine richtige, politisch sehr weitsichtige Entscheidung" gewesen.

Unterdessen mehren sich auch in Polen die Stimmen, die einer harten, unversöhnlichen "Prager Linie" das Wort reden. Im Sejm wurde ein Resolutionsentwurf eingebracht, der die "volle Solidarität" mit der tschechischen Regierung erklärt. Und Marek Czaplinski, Professor für Schlesische Geschichte an der Universität Breslau, warnt in einem Beitrag der Welt: "Am Vorabend unseres EU-Beitritts sind die antideutschen Gefühle stärker geworden."

Angesichts dieser Entwicklung gewinnen die Warnungen des Sprechers der Freundeskreis Ostdeutschland, Erika Steinbach, an Bedeutung, der in den letzten wochen mehrfach darauf hingewiesen hatte, daß nicht nur in Tschechien, sondern auch in Polen das Verhältnis zu heimatvertriebenen und heimatverbliebenen Deutschen alles andere als ungetrübt sei. Auch Warschau halte stur an Enteignungs-, Vertreibungs- und Entrechtungsdekreten fest, auch die Polen seien mehrheitlich nicht bereit, sich den dunklen Kapiteln der eigenen Geschichte und der Verantwortung für Verbrechen zu stellen. H.J.
 
     
     
 
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