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Polnisch-deutsch-russisches Totengedenken

 
     
 
Einer generellen polnischen Einladung folgend, begibt sich seit Herbst 1994 alljährlich am 23. Februar eine deutsche Delegation der "Hilfsgemeinschaft ehemaliger Posenkämpfer" vor Ort, um an die etwa 5000 eigenen Toten der damaligen Kämpfe und die gefallenen Gegner zu erinnern.

Der Auftakt dieses Gedenkens erfolgte anläßlich des 50. Jahrestages der Kapitulation der Festung Posen. Zehn Angehörige der Hilfsgemeinschaft wurden damals zu den Erinnerungsfeiern sowie zu einem historischen Symposium
der ehemaligen Kombattanten Polen, Russen und Deutsche geladen.

Das Ritual ist seither gleich geblieben, jedoch sind für aufmerksame Beobachter atmosphärische Veränderungen spürbar.

Die Feiern beginnen morgens mit dem Ablegen von Blumen und Kränzen und dem Entzünden von Kerzen an den Mahnmalen für die polnischen und russischen Gefallenen sowie am Hochkreuz auf der deutschen Kriegsgräberstätte. Dort sind seit letztem Jahr infolge einer Friedhofserweiterung mit Tausenden Zubettungen viele bronzene Namenstafeln hinzugekommen.

An den Ehrungen nehmen traditionell Vertreter der Posener Stadtverwaltung, der örtliche deutsche Honorarkonsul, manchmal auch der zuständige deutsche Generalkonsul, polnische Milizionäre und Veteranen, Abgesandte der Kriegsbestattungsdienste und der deutschen Minderheit sowie der Hilfesgemeinschaft ehemaliger Posenkämpfer teil.

Seit dem vorletzten Jahr ist außerdem der Potsdamer Standortkommandeur der Bundeswehr in Begleitung deutscher und polnischer Offiziere vertreten.

Um 12 Uhr mittags beginnt mit Sirenengeheul und Glockengeläut die zentrale Trauerfeier in der Zitadelle, dem Kernwerk der einstigen "Festung Posen". Anschließend geht es für die Repräsentanten der heute noch etwa 200 Mitglieder zählenden Hilfsgemeinschaft - in der Mehrzahl überlebende Wehrmachtssoldaten, aber auch Angehörige von Gefallenen - zum Empfang durch den Stadtpräsidenten ins Posener Rathaus. Zur festen Gewohnheit ist auch ein Kaffeebesuch bei der örtlichen deutschen Minderheit geworden.

Wie stark die große Politik die Ehrungen in Posen beeinflußt, bekam im Jahr 2000 die russische Seite zu spüren: Seither ist deren Generalkonsul wegen der heftigen Proteste von Posener Bürgern gegen den Tschetschenienkrieg weder auf dem Soldatenfriedhof in Milostowo noch in der Zitadelle vertreten gewesen.

Diesmal wagte er sich wieder in die Messestadt. Allerdings mußten die Zugangsstraßen zum Rathaus von Polizisten gegen aufgebrachte Demonstranten abgeriegelt werden, die Parolen gegen Putin ("Mörder, Mörder!") und den Tschetschenienkrieg skandierten. Die deutschen Teilnehmer wurden wesentlich freundlicher aufgenommen. Schon auf der schriftlichen Einladung durch den Stadtpräsidenten Ryszard Grobelny bat man sie wertneutral zum "58. Jubiläum der Beendigung der Kämpfe um Poznan". Begriffe wie "Kapitulation" oder "Tag der Befreiung" (diesen Terminus benutzte der russische Generalkonsul in seiner Rede) tauchten nicht mehr auf.

Daß es zu dieser Geste kommen konnte, lag nicht zuletzt am Einsatz des polnischen Historikers Dr. M. Wozniak. Der Vater dieses pensionierten Mitarbeiters des "Westinstituts" war polnischer Widerstandskämpfer. Von ihm erzählte Wozniak ebenso wie vom "Vorbild" der ehemaligen deutschen Posenkämpfer, auf deren Vereinsnadel nur die knappen Worte "Posen 1945" auftauchen. Die noch im letzten Jahr sichtlich um Distanz zu den angereisten Deutschen bemühten polnischen Veteranen äußerten diesmal den Vorschlag, daß beim nächsten Mal die Teilnehmer beider Länder nicht mehr gegenüber sitzen sollten, sondern "in gemischter Reihe nebeneinander". So könne man mit Hilfe von Dolmetschern hoffentlich besser ins Gespräch kommen, sagten sie.

Für alle Teilnehmer des diesjährigen Gedenkenes gleichermaßen bewegend war der vom neuen Posener Erzbischof veranlaßte, insbesondere die deutschen Gäste berücksichtigende erstmalige ökumenische Gottesdienst in der Adalbert-Kirche.

In allen Ansprachen wurde betont, daß die polnische Jugend immer mehr Interesse an den Ereignissen vom Januar und Februar 1945 bekunde und wissen wolle, wie es "wirklich" gewesen sei.

Die Teilnehmer der Hilfsgemeinschaft bekamen das erwachende Interesse lebhaft zu spüren, als sie im Anschluß an den offiziellen Teil in ihrem Hotel von einem jüngeren Kamerateam aus einem Posener Vorort einzeln für eine Dokumentation befragt wurden. Man suche die "letzte Gelegenheit", noch mit Zeitzeugen zu sprechen, hieß es.
 
     
     
 
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