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Prager Frühling 1968: Der Pyrrhussieg des Sozialismus

 
     
 
Im Frühling 1968 träumten Mil- lionen Tschechen und Slowaken von einem neuen Zeitalter. Zwei Völker wollten mit dem neuen  Parteisekretär  Alexander Dubcek weg vom Dogmatismus hin zu einem "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" aufbrechen. Die Hoffnung auf ein Ende der ideologischen Eiszeit gab der Bewegung ihren Namen: "Prager Frühling". Die Sowjetunion aber befürchtete den Ausbruch der Tschechoslowakei aus dem sozialistische
n Bündnis und eine Kettenreaktion. Unter ihrer Führung wurde die Reformbewegung vor 30 Jahren am 21. August 1968 blutig niedergeschlagen. Der "Prager Frühling" war in Europa der vorletzte Versuch einer Selbstreform des kommunistischen Systems. Den letzten unternahm Michail Gorbatschow ab 1985 in der Sowjetunion, er führte zum Zerfall des sowjetischen Imperiums.

Anfang 1968 waren die Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und Moskau noch weitgehend konfliktfrei. Als jedoch der Slowake Dubcek zum 1. Parteisekretär ernannt wurde und im Februar 1968 erklärte, den Sozialismus reformieren zu wollen, traf dies bei den Parteichefs des Warschauer Pakts auf schärfste Kritik. Trotzdem setzten Dubcek und der neue Regierungschef Ludvik Svoboda die "Entideologisierung" der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei (KSC) fort. Beide vergaben hohe Ämter an Reformer. Der Alltag veränderte sich: Bisher verbotene Bücher durften erscheinen und systemkritische Filme gedreht werden.

Im Juni sprachen die besorgten Bündnispartner erstmals offen von der Gefahr einer "bürgerlichen Konterrevolution" in Prag. Zum offenen Bruch kam es, als Dubcek Mitte Juli seine Teilnahme an einem "Kollektiv-Treffen der Politbüros" in Warschau verweigerte. Der sowjetische Staatspräsident Leonid Breschnew verlangte daraufhin eine bilaterale Zusammenkunft in der Grenzstadt Cierna an der Theiß. Deren ergebnisloser Verlauf setzte Moskau unter Zugzwang. Am 16. August beschloß das Politbüro, daß "alle politischen Mittel erschöpft seien und der Tschechoslowakei Militärhilfe geleistet werden" müsse. Wie führende Politiker in Ost und West mittlerweile einräumen, war die "Nichteinmischung" des Westens im Falle einer Invasion für beide Großmächte eine Selbstverständlichkeit.

In der Nacht zum 21. August 1968 überschritten insgesamt 300 000 Soldaten aus Bulgarien, Polen, Ungarn und der UdSSR die tschechoslowakische Grenze und hatten das Land innerhalb von 36 Stunden unter Kontrolle. Zwei Divisionen der DDR-Volksarmee übernahmen die rückwärtige Sicherung der Operation. Die größte Truppenbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg war weniger ein Kampfeinsatz, sie sollte bei Politikern und Bevölkerung einen "politischen Schock" auslösen. Trotzdem starben im Verlauf der Intervention nach heutigem Wissen mindestens 94 Menschen, 700 weitere wurden verletzt.

Unmittelbar nach dem Einmarsch reiste Präsident Svoboda nach Moskau. Doch die "Verhandlungen" kamen einer politischen Kapitulation gleich. Wesentliche Reformer wurden ausgewechselt, das vorläufige Verbleiben von Dubcek und Svoboda sollte die Öffentlichkeit nur täuschen. Nach antisowjetischen Demonstrationen in Prag löste der Slowake Gustav Husak im April 1969 zunächst Dubcek als Parteichef ab, 1975 wurde er auch Staatspräsident der Tschechoslowakei. Die von ihm eingeleitete "Normalisierung" hatte vorrangig ein Ziel: Die Menschen in der Tschechoslowakei sollten ihren Traum vergessen. Dies gelang bis 1989, dann war Dubcek in der "Samtenen Revolution" erneut ein Symbol für Freiheit und Bürgerrechte.

Als die Ostblocktruppen am 21. August 1968 den "Prager Frühling" niederschlugen, hielt die Welt den Atem an: Erneut rollten sowjetische Panzer in Mitteleuropa. Bilder vom verzweifelten Widerstand der Tschechen und Slowaken gingen um den Globus. Ein Sturm der Entrüstung über diese Verletzung des Völkerrechts brach los. US-Präsident Lyndon B. Johnson forderte die Sowjetunion und ihre Verbündeten zum sofortigen Rückzug aus der Tschechosl
 
     
     
 
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