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Reise durch Vergangenheit und Gegenwart

 
     
 
Nostalgiereisen sind gefragt. Vor allem mit der Eisenbahn. Es braucht ja nicht immer der Blue Train oder der Orient-Expreß zu sein, auch nicht die Transsibirische Eisenbahn, obgleich unsere Reise auch ostwärts geht: nach Ostdeutschland, und damit für viele ältere Menschen in die Heimat. Nostalgie - das heute so gerne verwendete Wort bedeutet ja soviel wie "sehnsuchtsvolle Rückwendung zu früheren Zeiten", und das lassen wir gerne gelten. Es ist sogar eine Rückführung, denn die Schienenkreuzfahrt führt kreuz und quer von Danzig durch das Oberland und Masuren, das Ermland und Natangen nach Königsberg und weiter an die Samlandküste. Die Weichen sind gestellt für eine Heimkehr auf Zeit. Und für diejenigen, die zum ersten Mal dieses Land bereisen, sind es keine ausgefahrenen Gleise, über die der Zug rollt: sie führen in ein Land, das noch vor wenigen Jahren ein weißer Fleck auf der touristischen
Landkarte Europas war und das sich mit seinen herrlichen Seen und Wäldern, mächtigen Burgen und Kirchen und mit der unendlich scheinenden Weite von Land und Himmel vor den großen Panoramafenstern ausbreitet.

Ich bin immer gerne mit dem Zug gefahren. Ja, ich erinnere mich noch gut daran, wenn ich - damals noch sehr jung - aus Berlin kam. Da lag, nachdem wir die Weichsel überquert hatten, die Marienburg über der Nogat breit hingelagert, und in mir stieg ein warmes Gefühl hoch: Ich bin wieder zuhause! Da hielt es mich nicht mehr auf meinem Sitzplatz, ich stand am offenen Gangfenster und sah die Felder und Wiesen, die kleinen Dörfchen im Kranz der Linden, die Mäanderbänder der Flüsse, sah in der Ferne die dunklen Schatten der Wälder und dicht vor den Fenstern die kleinen Bahnhöfe, die winkenden Kinder vor den Schranken - ich winkte zurück und atmete tief die Luft, die von See und Haff kam, und ich sang vor mich hin, bis es in den Abteilen unruhig wurde, weil sich nun auch mein Ziel näherte: Königsberg. Nie war das Heimatgefühl stärker als bei dieser Heimfahrt mit dem Zug. Aber auch auf den vielen Fahrten, die mich schon in frühen Jahren durch ganz Ostdeutschland führten, habe ich es gespürt, weil sich die Heimat vom Zugfenster aus wie ein Bilderbuch aufblätterte.

Wahrscheinlich wird es manchem Reisenden genauso gehen, der heute mit dem Zug durch Ostdeutschland fährt, auch wenn seine Wiege nicht in dem Land zwischen Weichsel und Memel stand oder wenn er das Land seiner Vorväter nur vom Hörensagen kennt. Eine Schienenkreuzfahrt durch die altpreußischen Gebiete ist eben doch mehr als ein touristischer Nostalgietrip mit den Bequemlichkeiten der

1.-Klasse-Wagen und dem Komfort eines Sonderzuges mit Speise- und Barwagen: Sie ist eine Zeitreise durch Vergangenheit und Gegenwart, Bildungsreise und hautnahes Erleben der wechselhaften, vielhundertjährigen Geschichte dieses Jahres mit all ihren Licht- und Schattenseiten. Da die Reisenden auf den Zugfahrten nicht strapaziert werden, sind auf den einzelnen Stationen die Besichtigungs- und Ausflugsprogramme dichter gestrickt worden. Das beginnt schon nach dem Anreisetag am zweiten Tag in Thorn mit seiner einzigartigen, zum Weltkulturerbe der Unesco erklärten Altstadt, führt weiter nach Allenstein und durch das südliche Masuren nach Sensburg. Am nächsten Tag bleibt der Zug auf dem Wartegleis, denn die Fahrt über die dichten Alleen erfolgt mit einem Bus. Nur so können die vielen Programmpunkte erfüllt werden: Die Wallfahrtskirche Heilige Linde, Rastenburg, Nikolaiken, Schiffsausflug auf einem der schönsten masurischen Seen und Kahnfahrt auf der glasklaren Krutinna. Am vierten Tag werden die Zugreisenden mit den Problemen der geteilten Heimat konfrontiert, denn es geht über die polnisch-russische Staatsgrenze nach Königsberg, der nun 750 Jahre alten Jubiläumsstadt. Ein kurzer, aber informativer Besuch, denn am fünften Tag steht unsere herrliche Samlandküste mit Rauschen und Cranz auf dem Programm - wie haben wir doch als Kinder schon in Gr. Raum den Kopf aus

dem Zugfenster gehalten, um auf der Zunge den salzigen Seewind zu spüren! -, eine Atempause im weißen Dünensand, dann geht es wieder über Königsberg zur Grenze, nach Frauenburg, wo im Besuchsprogramm der Dom - und damit auch Copernicus - zu ihrem Recht kommen. Und dann nimmt Danzig die Zugreisenden auf, um am nächsten Tag ein volles Besichtigungsprogramm der 1.000jährigen Hansestadt zu bieten, dessen krönenden Abschluß dann die Fahrt durch das Weichseldelta zur Marienburg bildet. Am letzten Tag bringt der Sonderzug die Reisenden zu ihren Ausgangsorten zurück.

Ja, das ist schon eine Erlebnisreise, und die Stunden scheinen nicht auszureichen für die Erfüllung des vielseitigen Programms. Aber da sollte man nicht vergessen: Es ist die Zeit der hellen Nächte - auch in Ostdeutschland. Wer sie einmal erlebt hat, weiß, daß nicht nur die Tage, sondern auch die Menschen nicht müde werden. Das wird man schon in dieser Reisegesellschaft spüren, für die sich auch gute Kommunikationsmöglichkeiten ergeben. Denn während der Fahrt ist man nicht an seinen Platz, der übrigens einen extra weiten Sitzabstand hat, gebunden, man kann sich frei bewegen, und beim Essen im Speisewagen oder beim Drink in der Pianobar - hier darf geraucht werden! - nette Gesprächspartner finden. Denn es ist eine alte Erfahrung: Wenn zwei Ostdeutschland, die sich bis dahin nie gesehen haben, zusammenkommen, stellen sie fest, daß sie mindestens drei gemeinsame Bekannte haben, vermutlich über sieben Ecken verwandt sind und nicht selten zusammen die Schulbank gedrückt haben. Und wenn nicht: Auch Königsberger Klopse, gemeinsam im Speisewagen genossen, verbinden doch sehr! Und ein Bärenfang im Barwagen tut dann ein übriges. n

Informationen: First Reisebüro, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg, Telefon (0 40) 32 02 71 21 oder im Internet www.bahn-erlebnis.de.

 

Copernicus Heimatstadt: Blick auf Frauenburg mit Dom

Beliebter Treffpunkt: Die Pianobar
 
     
     
 
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