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Riesters Reformpläne: Rückzug auf Raten

 
     
 
Ein zynischer, aber nicht neuer Spruch sagt, man dürfe nur der Statistik trauen, die man selbst gefälscht hat.

Im Schatten des Skandals um die Bundesanstalt für Arbeit, die offensichtlich Erfolgszahlen von vermittelten Arbeitsstellen manipuliert hat, wollte Bundesminister Riester die Arbeitslosenstatistik verändern. Hatte man bisher alle als arbeitslos
erfaßt, die sich bei den Arbeitsämtern meldeten, gleichgültig ob sie zur Zeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen oder nicht, wollte der Minister nun nur jene in der Statistik erscheinen lassen, die sofort bereit und in der Lage sind, einen vermittelten Arbeitsplatz anzunehmen. Damit wären jene herausgefallen, die sich arbeitslos gemeldet haben, nur um etwa Renten- oder Kindergeldansprüche zu sichern.

Manche stehen in der Statistik als arbeitsuchend, die aus persönlichen Gründen überhaupt nicht vermittelt werden wollen. Junge Leute zum Beispiel, die in wenigen Wochen Wehr- oder Zivildienst, Ausbildung oder Studium antreten, melden sich arbeitslos, weil sie nur die Wartezeit überbrücken wollen. Dann gibt es Personen, die schon einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben haben, sich für die Zeit bis zum Arbeitsantritt aber eine Unterstützung sichern wollen.

Es ist plausibel, wenn man nur noch Arbeitsuchende erfassen will, doch hat es einen Hautgout, auf diese Weise die Zahl der Arbeitslosen statistisch zu reduzieren, gerade zu einer Zeit, da sich Bundeskanzler Schröders Ankündigung, er werde sich an der Verringerung der Arbeitslosenzahlen messen lassen, als Reinfall erweist. Da läge der Vorwurf der Manipulation nahe.

Sortiert man all diese Gruppen aus, dann müßten jedoch die „verdeckten Arbeitslosen“ zusätzlich in die Statistik aufgenommen werden, um ein realistisches Bild zu erhalten. Kurzarbeiter, Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, beruflicher Weiterbildung oder Deutschkursen und Bezieher von Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit gehören zusätzlich in die Statistik. Die Wirtschaftsweisen schätzen ihre Zahl auf 1,7 Millionen. Damit würde die Arbeitslosenzahl auf rund sechs Millionen klettern.

Das alles wenige Monate vor der Bundestagswahl ist Sprengstoff genug, um das Thema zunächst einmal zurückzustellen. So hat denn auch Riester seine vorschnellen Reformpläne wieder eingesammelt und zunächst in die Schublade gelegt. Nach der Wahl will die Regierung, sofern sie denn wieder von Rot-Grün gestellt werden sollte, an die Modernisierung der Statistik gehen.

Zudem steht, nachdem durch die Aufdeckung der Falschmeldungen über die Zahl der vermittelten Arbeitslosen die Problematik der Öffentlichkeit bewußt geworden ist, nun die Reform dieses riesigen Gebildes der Bundesanstalt an. Wie bisher - darüber sind sich alle einig - kann es nicht weitergehen. Die Bundesanstalt war überfrachtet mit zusätzlichen, ihr eigentlich fremden Aufgaben. Schuld daran waren die jeweiligen Bundesregierungen.

Schröders neuer Mann an der Spitze soll die Bundesanstalt zu einem „modernen Dienstleister“ umbauen. Was im einzelnen darunter zu verstehen ist, bleibt zunächst unklar. So soll der Wettbewerb mit privaten Vermittlern verstärkt werden, obwohl diese bisher bei der Vermittlung von wenig oder gar nicht qualifizierten Arbeitsuchenden auch nicht erfolgreicher waren als die Arbeitsämter. Dann ist die Rede davon, die Landesarbeitsämter abzuschaffen, ohne daß gesagt wird, was aus deren 90.000 Mitarbeitern werden soll. Bürokratie soll abgebaut werden, wobei man sich fragt, wie das geschehen kann, wenn zur Zeit die Ausführungsbestimmungen für die Bearbeitung der Arbeitslosengelder allein 2.000 Seiten umfassen. Der Kanzler hat verkündet, die Arbeitsmarktpolitik müsse sich auf Vermittlung von offenen Stellen konzentrieren. Das setzt allerdings voraus, daß es diese offenen Stellen gibt, und darauf hat entscheidenden Einfluß die Politik der Bundesregierung.

Bisher liegt die endgültige Form der Bundesanstalt für Arbeit im Dunkeln. Eine Kommission unter der Leitung eines Managers aus der freien Wirtschaft soll bis Mitte August ein Konzept vorlegen. Ihr ist vorgegeben, die Behörde auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren. Die Arbeitsplätze der Beamten und Angestellten der Bundesanstalt sollen, so die Bundesregierung, sicher bleiben. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie das bei jetzt 90.000 Mitarbeitern zu bewerkstelligen ist, wenn man die Anstalt von allen zusätzlichen, eigentlich nicht zu ihr gehörenden Aufgabenbereichen befreit.

Langer Reden kurzer Sinn: Zunächst bleibt alles beim alten. Was schließlich aus der Mammutbehörde werden soll, ist unklar. Man verschiebt solche schwierigen Fragen lieber auf die Zeit nach der Wahl.

Wie auch immer eine reformierte Bundesanstalt für Arbeit aussehen wird - so lange die Politiker nicht durch neue Rahmen- bedingungen ein gesundes Wachsen unserer Wirtschaft ermöglichen, kann auch die Bundesanstalt keine Wunder bewirken. Dr. Hübner

 
     
     
 
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