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Aserbeidschan rüstet dramatisch auf und macht keinen Hehl daraus, daß es die 1992 an Armenien verlorene Rebellenprovinz Berg-Karabach zurückerobern will. Vermittler sind gefragt, doch erst Ende August haben sich in der idyllischen Oberkrain die Friedensausichten im armenisch-aserbaidschanischen Dauerkonflikt um die Exklave Berg-Karabach erneut zerschlagen. Dimitri Rupel, der rührige Außenminister Sloweniens, hatte seine Amtskollegen der beiden Streitparteien zu einem neuen Vermittlungsversuch geladen. Auch hatte EU-Kommissarin Ferrero-Waldner immer wieder ihre Nachbarschaftspolitik als vertrauenstiftend vorgetragen und die Hochrüstungspolitik der Kontrahenten getadelt. Alles vergebens. Der aserbaidschanische Außenminister Elmar Mamedjarow verwies höhnisch auf den neuen Ölreichtum, der durch die neue anglo-amerikanische BTC-Pipeline von Baku an die türkisch e Mittelmeerküste dem Land einen Rüstungshaushalt von 600 Millionen US-Dollar ermöglicht. Gegenüber dem verarmten, bevölkerungsschwächeren Armenien fühlt er mit türkischer Militärhilfe die Zeit auf seiner Seite, so also setzt Aserbaidschan auf einen neuen Waffengang. Die Zeit drängt jedoch für Friedensbemühungen, sind doch im Mai 2007 Parlamentswahlen in Armenien vorgesehen. In Zeiten erhitzter politischer Leidenschaften ist auch für Armenien der Spielraum für Kompromisse sehr begrenzt.
An dem Karabach-Problem haben sich schon viele die Zähne ausgebissen. Im Februar versuchte Jacques Chirac seinen Charme, um auf einem Präsidentengipfel mit dem Armenier Robert Kotscharjan und dem Aserbaidschaner Ilham Alijew den Durchbruch zu erzwingen. Doch schon 2001 war die damals junge Bush-Administration nach einer "Intensivbehandlung" beider Präsidenten auf Key West und beim späteren Gipfel im Weißen Haus mit dem gleichen Rezept gescheitert. Damals hatten die Amerikaner gehofft, mit einem Frieden den russischen Einfluß aus Armenien und damit aus dem Südkaukasus endgültig verdrängen zu können. Sie hatten erwartet, Gaidar Alijew, der todkranke Präsident Aserbaidschans, würde seinem Sohn das leidige Problem vor der dynastischen Nachfolge aus dem Weg räumen wollen. Allein, Gaidar Alijew, vormals ein hartgesottener KGB-General, starb 2003, ohne den Frieden hinterlassen zu haben. Sein Playboy-Sohn wählt seither den Weg des geringsten Widerstands und spielt auf Zeit.
Die Waffen- und Militärhilfe der Türkei hatte ihren aserbeidschanischen Brüdern offensichtlich wenig geholfen. Allerdings schloß die Türkei 1992 die Landesgrenze nach Armenien, und bis 1995 auch den Luftraum, so daß der Binnenstaat Armenien nur umständlich über Georgien oder den Iran erreichbar ist. Doch auch die Unterstützung durch Moskau hatte ihren Preis. So unterhält Rußland heute wieder Militärstützpunkte an der türkischen Grenze und ließ sich seine MIG 29 und Luftabwehrraketen von Armenien mit zwei Milliarden US-Dollar bezahlen. Ein Teil des Kaufpreises wurde in Industrieanlagen investiert, die heute im Besitz russischer Oligarchen ungenutzt leerstehen. Auch wird mittlerweile der gesamte Energiesektor von russischen Interessen kontrolliert. Nach der Verdopplung der Gaspreise, die Armenien nicht bezahlen konnte, erwarb die russische Gazprom im April die letzten Anlagen der nationalen armenischen Energieversorgung: ein noch im Bau befindliches Wärmekraftwerk und das gleichfalls noch unvollendete Teilstück einer strategisch wichtigen Pipeline in den Iran, die auch Georgien, die Ukraine und Südosteuropa unabhängig von Rußland hätte versorgen können. Ihre Fertigstellung wird nun sehr lange dauern.
Doch auch politisch zeigt sich der Einfluß Moskaus. Weil er sich zu offen zum Westen bekannte und die Zukunft Armeniens in der Europäischen Union und Nato bekundete, verlor im Sommer Parlamentspräsident Arthur Bagdarasian sein Amt. Er hatte die offizielle Politik der "Komplementarität" positiver Beziehungen zu Rußand mißachtet.
Armeniens langjähriger Gegner Türkei
Schon in der Spätphase des Niedergangs des Osmanischen Reiches unter Abdul Hamid II. (1878-1908) hatte es immer wieder Massaker an Armeniern gegeben. Auslöser waren armenische Steuerproteste und Demonstrationen gegen Behördenwillkür. 1893 bis 1896 wurden 320000 Armenier ermordet und 570 Kirchen zerstört. 1909 gab es in Kilikien noch einmal 30000 Tote. Der Genozid von 1915/16 dagegen war von den Jungtürken mit militärischer Präzision geplant. Ihr Ziel war ein monoethnischer Nationalstaat, der alle Turkvölker bis nach Mittelasien als "Turan" vereinigen würde. Bei den größten Massakern und auf den Todesmärschen 1915 bis 1917 sowie während des Türkischen Befreiungskrieges 1919 bis 1921 kamen je nach Schätzung 600000 bis zu 1,5 Millionen Armenier um. Die Türkei streitet den an den Armeniern begangenen Völkermord ab. Lediglich kriegs- und seuchenbedingte Todesfälle werden zugegeben. Wer in der Türkei von Genozid spricht, riskiert wegen Beleidigung der Nation Gefängnisstrafen. |
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