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Sanfte Revolutionärin

 
     
 
Und wir Frauen sitzen und sitzen von unserem 17. Jahr ab und warten und warten, hoffen und harren in müßigem Brüten von einem Tag zum anderen, ob denn der Mann noch nicht kommt, der uns genug liebt, um sich unserer Hilflosigkeit zu erbarmen."

Fanny Lewald, die vor 195 Jahren in Königsberg geboren wurde, verweigerte sich jedoch der damals für Frauen vorgesehenen "Karriere". Der Tochter eines jüdische
n Kaufmanns machte es zu schaffen, als ein Lehrer ihr in der Schule sagte, es sei bedauerlich, daß ihr kluger Kopf nicht auf dem Halse eines Jungen gewachsen sei, denn bei einem Mädchen wäre dieser ja nutzlos.

Obwohl im 19. Jahrhundert Bildung neben der Geburt immer mehr zum Kriterium des sozialen Status wurde, galt das doch nur für Bürgersöhne, die - auch akademische - Karrieren anstrebten. Die Schulbildung der Bürgerstöchter verlief jedoch weiter auf der untersten Ebene. Ihre Alphabetisierung war durch die Aufklärung zwar vorangeschritten, aber das war dann auch schon wieder fast alles. So gab es beispielsweise sogar im fortschrittlichen Preußen die erste Mädchenoberschule erst 1872. Das Abitur, als Voraussetzung für ein Universitätsstudium, konnten Frauen in Deutschland erst ab 1900 ablegen. Und so gab es für die 1811 geborene Fanny nach dem Verlassen der Schule mit 16 Jahren nur die häusliche Zurückgezogenheit, in der Nähen, Sticken, Lesen, Klavierstunden und Haushaltsführung auf dem Plan standen. Dies ging für unverheiratete Frauen so lange, bis sich, wie eingangs von Fanny Lewald gesagt, ein Mann ihrer annahm.

Fanny Lewald rebellierte jedoch nicht offen gegen die ihr zugeteilte, verhaßte Rolle. Krimhild Stöver beschreibt in "Leben und Wirken der Fanny Lewald" (Insel Verlag, Oldenburg, broschiert, 135 Seiten, 20 Euro), wie die junge Frau eher durch Zufall zu der berühmten, weitgereisten Schriftstellerin wurde, die später in ihrem Berliner Salon viele preußische Intellektuelle zu interessanten Gesprächsrunden laden konnte. Da Fanny ihre Freizeit sittsam zu gestalten hatte und das öffentliche Leben für Bürgerstöchter tabu war, verbrachte sie ihre Zeit mit Schreiben. Ihr Vetter entdeckte das Talent und protegierte sie.

"Meine Empfindung war mir zu heilig, ich war auch viel zu verzagt, um mir ein Talent zuzuerkennen, das mich zu dichten befähigte, und meines Vaters immer wiederholter Ausspruch, daß die Frau nur für das Haus geboren sei, hatte doch so weit auf mich zurückgewirkt, daß ich niemals ernstlich an die Verwirklichung der Träume dachte, welchen ich mich trotzdem fortwährend überließ." Fanny Lewald war also keineswegs eine selbstbewußte emanzipierte Frau. Erst nach einigen erfolgreichen anfangs anonymen Veröffentlichungen durchaus gesellschaftskritischer Romane, die keiner einer Frau zuzusprechen auf die Idee kam, lernte sie, ihre Interessen zu vertreten.

Auch war sie keineswegs gegen die Rolle der Ehefrau und Mutter eingestellt, da sie aber erst spät heiratete, waren ihr eigene Kinder verwehrt. Sie wollte nur nicht, daß Ehe und Kinder die einzige Erfüllung für Frauen darstellten.

Doch auch heute, 117 Jahre nach dem Tod der Königsberger Schriftstellerin, ist die Gesellschaft immer noch nicht frei von Sperrzonen für das weibliche Geschlecht. In "Frauen an der Macht" (Diederichs, geb., 216 Seiten, 19,95 Euro) beschreiben 21 einflußreiche Frauen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, daß es selbst nach vielen Erfolgen in der Emanzipation immer noch Gebiete gibt, in denen Frauen nicht allzuviel zu sagen haben.

So behauptet Ursula Engelen-Kefer, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, daß sich leider viel zu viele Frauen von der Dominanz der Männer beeindrucken lassen würden, wie sonst sei es zu erklären, daß, obwohl mehr Frauen ihr Abitur und Hochschulabschlüsse erwerben, fast ausschließlich Männer in den Spitzenpositionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft säßen.

Angelika Jahr-Sticken, journalistisches Vorstandsmitglied des Verlages "Gruner + Jahr", meint, daß es auch heute noch viele bedauernswerte Klischees gäbe. Selbst wenn die Frau nicht mehr nur Mutter und Ehefrau sein muß, sondern auch berufstätig sein kann, so sei dies doch häufig eher Last statt Lust. "Drei Jahre Babypause klingt gut, funktioniert aber nicht, wenn frau wirklich Karriere machen will. Ganztagsschulen stehen in fast jedem Parteiprogramm, aber in fast keiner Stadt. Solange das so ist, gibt es für berufstätige Mütter keine Chancengleichheit."

Annelie Keil, Professorin und lange Zeit Dekanin, spürte, daß selbst in den 70er Jahren die sogenannte Aufbruchstimmung nur Täuschung war. "Ich spürte, daß der Muff von tausend Jahren sich auch mit Jeansjacken und längeren Haaren tarnt und daß männliche Ehrenformationen in der Berufungskommission die Zähne fletschen, wenn sie lächeln und dabei eher auf Frisur, Kleidung, Tonfall der Stimme oder die politisch korrekte Linie als die Inhalte achten, wenn eine Frau zu ihnen zu sprechen versucht."

Aus Sicht von Fanny Lewald sind diese Klagen jedoch nichts anderes als "Jammern auf hohem Niveau".

Wenn die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin die tapferen Kämpfer für die Rechte der Frauen nennt, dann sind Alice Schwarzer, Rita Süßmuth, Antje Vollmer und Hildegard Hamm-Brücher jedoch nur Ur-Ur-Ur-Ur-Enkelinnen von Frauen wie Fanny Lewald, die eine sanfte Revolution in Sachen Gleichstellung vollzog, indem sie den Männern zeigte, daß eine Frau genauso intelligent, wortgewandt, geistreich und vorausschauend sein kann wie ein Mann.

Fanny Lewald: Eine weibliche Autorin war 1843 sehr selten.
 
     
     
 
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