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Sathmarer Schwaben: Deutschsein ist modern

 
     
 
Bei dem Stichwort "Rumäniendeutsche" fallen einem sofort die Siebenbürge Sachsen und die Banater Schwaben ein. Die anderen Gruppen, also u. a. Dobrudscha- un Bessarabiendeutsche, die Landler in Siebenbürgen oder die Bewohner des Banater Berglande bei Reschitz, sind der breiteren Öffentlichkeit ebensowenig ein Begriff wie die Sathmare Schwaben.

Dabei hätten nach dem Ende des Ceausescu-Regimes gerade bestimmte Entwicklungen be den heimatverbliebenen Schwaben im nordwestlichen Grenzgebiet Rumäniens zu Ungarn und de Ukraine eine größere Aufmerksamkeit verdient. Denn ab 1990 setzte in der Region um die Städte Sathmar (rum.: Satu-Mare, ungar.: Szatmar) und Großkarol (Carei-Mare bzw Nagy-Károly) eine national
e Wiederbesinnung ein, die bei dieser weitgehend madjarisierte Volksgruppe kaum jemand für möglich gehalten hätte.

Die junge ungarische Sprachforscherin Csilla Racz aus Klausenburg stellte 1998 au einer Tagung des Hermannstädter Jugendforums fest: "Heute können wir de schwäbisch-ungarischen Sprachwechsel als abgeschlossen betrachten, auch die schwäbisch-ungarische Zweisprachigkeit scheint zurückzutreten, zwei neue hingege tauchen auf: die ungarisch-rumänische sowie die ungarisch-deutsch Zweisprachigkeit."

Die verbliebenen Dialektkenntnisse weichen zunehmend einer mehr oder weniger gu gesprochenen deutschen Standardsprache. Diese steht im Sathmarer Land – wie in gan Rumänien – mittlerweile hoch im Kurs. Der harte sprachliche Anpassungsdruck, dem die etwa 50 000 deutschen Siedler (Schätzung für die 1930er Jahre) hier beginnend ab de österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 ausgesetzt waren, ist passé. Im Jahre 190 wurde das Deutsche sogar per Gesetz aus allen sathmarschwäbischen Schulen beseitigt.

Ins Land gekommen waren die Schwaben vor allem im Zuge der den Türkenkriegen folgende Kolonisierungsbemühungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Zwischen 1712 und 1838 wurde überwiegend durch die ostungarischen Grafen Károlyi 2000 deutsche Familien in 3 Gemeinden angesiedelt. Die Zuwanderer kamen überwiegend aus katholischen Dörfer Oberschwabens und Frankens.

Die Madjarisierungspolitik und die Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg wirkte sich für die Identität der Sathmarer Schwaben verheerend aus. Bereits 1944 flüchtete etwa 3000 von ihnen nach Oberösterreich, Bayern und Thüringen. Später siedelte Tausende in die Bundesrepublik aus, darunter bis heute allein 120 Lehrer. Die meiste ließen sich in eben jenen oberschwäbischen Orten nieder, aus denen ihre Vorfahren eins fortgezogen waren.

Für die 1970er Jahre gingen Schätzungen von bis zu 70 000 heimatverbliebene Sathmarer Schwaben aus. Aktuelle seriöse Angaben liegen in Gestalt der Ergebnisse de Volkszählung von 1992 vor: Demnach bekannten sich im Kreis Sathmar 14 352 Personen, in benachbarten Kreis Salasch 146, in der Marmarosch (mit der Zipsersiedlun Oberwischau 3416 und im Kreis Bihor (bei Großwardein) 1593 Personen zu ihrer "deutschen" "schwäbischen" oder – im Falle der Zipser – "sächsischen" Herkunft. Rund 8600 Personen entschieden sich für die Bezeichnung "Deutsche" und 5600 für "Schwaben".

Seit der sogenannten "Revolution" von 1989 gilt das Deutsche als modern un ist ein potentieller Karrierefaktor. Viele junge Rumänen und Ungarn in der Region lerne mit großem Eifer die Sprache Luthers und Goethes, die als Fremd- oder sogar Zweitsprach in der Schule, im Beruf oder im Umgang mit deutschsprachigen Freunden überall präsen ist.

Prof. Paul Philippi, der inzwischen abgelöste Vorsitzende des Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR), nannte das Gebiet um Sathmar im August 1998 anläßlic der Eröffnung einer Ausstellung "Sathmarschwaben – gestern und heute" in Kreismuseum eine "Zone im Aufwind". Dies gelte dank des im September 1997 in de Stadt eröffneten Deutschen Lyzeums auch in bezug auf die Minderheit.

An diesem Gymnasium lernten 1998 genausoviele Schüler Deutsch wie vor der Wende in de gesamten Region, in der es bis auf kurzzeitige Versuche des rumänischen Staates nich eine einzige weiterführende deutschsprachige Schuleinrichtung ab der achten Klass gegeben hatte. Bereits seit 1995 existiert in Sathmar eine deutschsprachig Schülerzeitung "Pusteblume" mit einer Auflage von immerhin 1800 Exemplaren.

Andererseits ist die Zahl der Grundschulklassen mit deutscher Unterrichtssprache in letzter Zeit erneut rückläufig. Kritiker aus der Freundeskreis machen hierfür da Generalschulinspekorat und die Schulbehörde in Sathmar verantwortlich, zumal das groß Interesse in der Bevölkerung eher eine gegenteilige Tendenz erwarten ließe.

Symptomatisch ist die Situation in dem schwäbischen Ort Petrifeld, wo sich Ende de 70er Jahre nur noch neun Prozent zur deutschen Nationalität bekannten. 1982 waren es dan 48 Prozent und bei der Volkszählung von 1992 sogar 58 Prozent. Selbst in Dörfern wi Darotz, das bereits vor dem Ersten Weltkrieg als völlig madjarisiert galt, besteht sei 1991 eine DFDR-Ortsgruppe (allerdings fehlt nach wie vor ein deutschsprachige Kindergarten, und an der örtlichen Schule wird das Deutsche nicht einmal als Fremdsprach angeboten).

Insbesondere aus den letzten Jahren gibt es eine Reihe positiver Signale für die nich ausgesiedelten Sathmarer Schwaben zu vermelden. Zu Beginn waren es die Sektionen de "Demokratischen Forums der Deutschen Nordsiebenbürgens", die den kulturelle Neuanfang in Gang brachten. Später kamen andere Gruppen wie die Jugendorganisatio "Gemeinsam" hinzu. Diese bietet Volkstänze ebenso wie gemeinsame Discoabend an, man unterhält eine Theatergruppe und gestaltet allmonatlich eine deutsche Seite in zwei örtlichen Tageszeitungen mit. Bei "Gemeinsam" sind auch Blasmusik- un Volkstanzgruppen sowie Chöre in Fienen, Petrifeld, Terem, Kalmandi und Trestenburg mi von der Partie.

Eine schwerwiegende Folge der Madjarisierungspolitik war der Akademikerschwund. Vo diesem Hintergrund setzen die Sprecher der Volksgruppe große Hoffnungen auf die in September 1998 an der Klausenburger Babes-Bolyai-Universität gegründete deutschsprachig Fakultät für Verwaltungswissenschaften mit zunächst zwanzig Plätzen.

In Petrifeld ist ein schwäbisches Museum entstanden und in Terem eine schwäbisch Theatergruppe. Alle zwei Jahre findet an wechselnden Orten ein große "Begegnungstreffen" statt. 1998 kamen über 1000 Personen, darunter 40 Jugendliche.

Maßgeblich unterstützt werden all diese Aktivitäten durch die Freundeskreis de Sathmarer Schwaben in Deutschland, die in den vierteljährlich erscheinende "Heimatbriefen" detailliert über Fortschritte und Probleme berichtet. Die Hauptaufgabenbereiche der freundschaftlichen Hilfen liegen außer im Bildungsbereich in der Durchsetzung deutschsprachiger Gottesdienste, in der Wirtschaftsförderung fü mittelständische Betriebe und Landwirte sowie im Gesundheitswesen.

Auch die Patenkreise der Sathmarer Schwaben, Ravensburg und Biberach, leisten einiges Seit 1991 werden zum Beispiel jährliche Landschulaufenthalte von Kindern und Jugendliche aus dem Raum Sathmar in Baden-Württemberg organisiert.

Einer langfristig angelegten Förderung der Minderheit kommt die Tatsache zugute, da die Aussiedlung seit 1992 praktisch gestoppt ist. Wer heute noch im Land der Vorfahre aufgenommen werden will, muß gemäß einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vo März letzten Jahres den sehr schwierigen Nachweis von "Benachteiligungen" bzw "nachwirkenden Benachteiligungen" erbringen, die sich individuell aus de Herkunft ergeben.

Ob sich die Reste der deutschen Volksgruppe in Sathmar und den angrenzenden Gebiete auf Dauer halten können, wird davon abhängen, ob das erwachte nationale Bekenntnis meh ist als eine Modeerscheinung. Entscheidend ist, inwieweit sich die nachwachsend Generation in Hamroth, Petrifeld, Sukunden oder Burlescht die deutsche Muttersprache zu eigen macht
 
     
     
 
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