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Schnaubende Drachen

 
     
 
Wann und wo menschliche Phantasie die schnaubende Ungeheuer erzeugte, blieb unerforscht. In aller Herren Ländern hatten sie ein Zuhause un sahen sich ähnlich. Sie waren schuppenbehaftete Reptile mit oft schlangenartigem, abe auch klobigem Körper, sie krochen auf kurzem, spitzkralligem Fußgebein, ihr Ate vermochte die Luft zu vergiften, sie spien Feuer, und manche hatten riesig Fledermausflügel, stürzten zum Entsetzen der Erdenbewohner aus Sturmwolken herab. De Schwanz war lang, konnte eingeringelt werden, der Kopf glich dem eines Krokodils ode – in kleinerer Ausgabe – dem einer Agame, eines Leguans, eines Feuersalamanders Tierarten, die realiter in der Natur existieren.

Die mythischen Drachen schillerten farbenprächtig: golden, türkisgrün, himmelblau rubinrot. Ihr Dasein verbrachten sie auf Bergen, in Höhlen, Felsspalten und an Quellen Ihre Aufgabe war es, Schätze zu bewachen, vornehmlich Gold und Edelgestein. Dies bracht sie in Kollisionssituationen mit Menschen, die ihrerseits Goldwerte raffen, verstecken un bewachen.

Ragnar Lodbrok, ein Held der nordischen
Mythologie, überwältigte einen solchen, au Gold kauernden Drachen. Das war so geschehen: Der schönen Thora Vorgarthiörtr war ei winziger, harmlos anzuschauender "Lyngormr" (Lindwurm) geschenkt worden, den si in ein Kästchen mit Gold legte. Der Lyngormr aber wuchs und wuchs und mit ihm vermehrt sich das Gold. Niemanden ließ er in Schatznähe kommen. Ein Aufruf an das Volk erging wer den Drachen erlegte, sollte Thora zur Braut und das Gold zur Familiengründun erhalten. Ragnar ließ sich das nicht zweimal sagen …

Unvergessener Vorzeigedrachen deutscher Lande ist jedoch jener, der de Nibelungen-Helden Siegfried in die Quere kam. Keinen Zeitgenossen würde ei krokodilartiges Ungetüm in einem lauschigen Wald zu längerem Verweilen anregen Siegfried bildete die rühmliche Ausnahme. Wer den Stummfilm "Die Nibelungen" (1924) des Regisseurs Fritz Lang kennt, erinnert sich einer traumdämonischen Szene Siegfried reitet auf fahlem Ross durch eine gespenstische Waldkulisse der Quelle mit de Drachen entgegen, die von einem Lindenbaum beschatten wird. Heimtückisch blinzelnd rauchschnaubend wälzt sich der Koloß – gesteuert von in ihm verborgenen 2 Statisten – über den Fels hinab. Der siegreiche Kampf Siegfrieds beginnt Anschließend badet der Held im Blut des Drachen, das Überlieferungen zufolg unverwundbar macht. Doch ein Lindenblatt fällt während des Bades vom Gezweig, bleibt au dem Rücken Siegfrieds haften, verursacht die schicksalsträchtige, ungeschützte Stelle Hagen von Tronje, unverbrüchlicher Vasall König Gunthers, wird sie zielsicher treffen ein Weltrekord-Speerwurf, der den Untergang der Nibelungen besiegelt …

Gefährlichster Drache der altnordischen Sagenwelt ist "Nidhoggr", de "voller Haß Beißende". Unablässig benagt er die Wurzeln der Weltenesch Yggdrasil, und es bleibt zu hoffen, daß der Baum noch eine Weile hält, denn mit ih endet alles Erdenleben.

Im christlichen Abendland waren Drachen ihres Lebens nicht sicher. Si versinnbildlichten das Böse, die dunkle Versuchung, den Satan schlechthin "Drachentöter", männliche und weibliche, mußten erfunden werden Berühmtester unter ihnen wurde der heilige Georg. Er befreite die Königstochte Cleolinda aus den Fängen des Untiers in der Nähe der Stadt Selene in Libyen. Danac traten die Einwohner scharenweise zum Christentum über. Zwei Frauen, die heilig Margareta und die heilige Martha, nahmen es mit Drachen auf. Margareta befreite sich mi Hilfe des Kreuzes aus dem Leib des Freßgierigen, der sie verschlungen hatte; Martha hatt es einfacher: geistesgegenwärtig benutzte sie Weihwasser zur Tötung des Drachen, und de – so ist anzunehmen – schlief ein und verblich.

Schon in der Bibel trieben Drachen ihr Unwesen. Im Alten Testament werden sie Leviatha (ein Meerdrache), Rahab, Beliar genannt. Sie wurden nicht getötet; sie schlafen un warten darauf, die Endzeit der Erde einzuleiten. Auch im Neuen Testament, in de Offenbarung des Johannes, schlummert der Drache als Monstrum im Abgrund, jederzeit berei die Welt zu zerstören: "Ein großer roter Drache, der hatte sieben Häupter und zeh Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen, und sein Schwanz fegte den dritten Tei der Sterne des Himmels hin-weg …"

In Griechenland traten Drachen, oft in mächtiger Schlangengestalt, in Erscheinung. U nur ein Beispiel anzuführen: Der hundertköpfige Ladon bewachte die Äpfel de Hesperiden, der Töchter des Abends. Diese Äpfel verhießen ewige Jugend; Herakles sollt sie als eine seiner zwölf Arbeiten für König Eurystheus stehlen. Er tötete Ladon un zog mit drei Äpfeln davon. Herakles und der Drache wurden als Sternbilder an de nördlichen Himmel versetzt; 220 Sterne bilden den Leib des Drachen.

Viele Drachen verkörperten keineswegs nur Urängste der Menschen, die Unwägbarkei von heut und morgen. Schauen wir uns in Japan und China um. Dort war und ist ihne Verehrung sicher, weil sie über die Fähigkeit verfügen, "die Wasser des Himmels zu spenden oder zu versagen". Berge und Flüsse wurden nach ihnen benannt. Nur de Kaiser und hohe Hofbeamte durften ein Drachenmotiv am Gewand zeigen. Dem japanische "Shokusin" ist ein Menschenantlitz eigen, 300 Kilometer mißt sein feuerrote Leib. Schläft er, wird es Nacht und bei seinem Erwachen Tag; atmet er ein, blüht de Sommer, atmet er aus, wintert es.

Schrecken lösen in Japan gefundene "Dracheneier" aus. Man glaubt, daß si 1000 Jahre im Meer liegen, ebenso lange im Gebirge und dann auf unerklärliche Weise in ein Dorf geraten. Als wundervoll schimmernde Steine verlocken sie die Einwohner, de kostbaren Fund mit in die Häuser zu nehmen. Doch die Freude dauert nicht lange. In jede Stein lebt ein Wurm, der eines Tages sein Gehäuse sprengt und in Windeseile zu gewaltigen Drachen erwächst; mit Getöse bricht er durch das Dach und entweicht zu Himmel …

"Long" erfreut sich in China herzlicher Beliebtheit. Er ist wohltätige "Regenmacher", denn er gebietet über das Wasser der Wolken, der Meere, Seen un Flüsse. In jedem Tümpel kann er stecken. Schön ist er nicht mit seinem Kamelskopf un Tigerpfoten. Aber das sieht man ihm nach, wenn er nur den Reis gedeihen läßt Glückverheißendes Kultbild eines Drachen aber ist jener, der die "Perle de Vollkommenheit", die "alle Wünsche gewährt", im Maule hält. Dies "Perle" versinnbildlicht auch Sonne und Mond.

Schließen wir mit der indischen Hindu-Mythologie und ihrer Drachengotthei "Vitra". Sie ist gefürchtet, denn sie speichert das Wasser der Äcker in ihre Körper und verursacht katastrophale Dürrezeiten. Doch gnädigerweise wird sie Jahr fü Jahr von dem Regengott Indra durch einen Blitz erschlagen. Dann setzt der erflehte Monsu ein.

Daß es unter den unzähligen Drachen solche mit Menschengesichtern gibt, wurde scho gesagt. Aber es gibt auch Menschen, die wir insgeheim als "Drachen" einstufen Zwar speien sie nicht Feuer, spucken aber hin und wieder Gift und Galle. Das jedoch wär kein sagenkundlicher Bericht, sondern ein Erfahrungstext.

 
     
     
 
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