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Mendelsohn war sich von Anfang an darüber klar, daß das, was er begann, ein ,Angriff sei; daß er deshalb keine Konzessionen und gesellschaftliche Milderungen machen und zugestehen könne, daß es für ihn nur ja gab oder nein", erkannte der Kunsthistoriker und zeitweilige Weggefährte Oskar Beyer über eine erste Ausstellung mit Entwürfen des Architekten Erich Mendelsohn 1919 im Kunsthaus Paul Cassirer. "Der Angriff richtete sich gegen alles Übliche, gegen das Stil-lose, das geschichtslose Bauen in der Hauptstadt ..." Betrachtet man die Bauten, die der aus dem ostdeutschen Allenstein stammende Mendelsohn schließlich verwirklichte (das Verlagshaus Rudolf Mosse, den Einsteinturm, oder die Kaufhäuser Schocken und Petersdorff und seine eigene Villa am Rupenhorn in Berlin), mit heutigen Augen, dann kann man die Aufregung nicht so richtig verstehen. Seine schwungvolle Linienführung paßte sich stets der Umgebung an. Sein amerikanischer Kollege Frank Lloyd Wright sprach von "unverbrauchter Einfachheit des Gefühls und energischer Ausdrucksmacht", die das Besondere an Mendelsohns Bauten ausmachte.
Viele dieser Bauten haben den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden, doch findet man gerade in Berlin, wo Mendelsohn bis 1933 ein Büro mit bis zu 40 Mitarbeitern hatte, noch eine Reihe von Spuren des Architekten. Kein Wunder also, wenn die Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, dort bis zum 2. Mai in Kooperation mit der Kunstbibliothek und dem Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) eine Ausstellung unter dem Titel
"Erich Mendelsohn. Dynamik und Funktion" zeigt (montags 14 bis 20 Uhr, dienstags bis sonntags 11 bis 20 Uhr). 22 Modelle, geschaffen von Studenten der Universität Stuttgart, stehen im Mittelpunkt der Retrospektive, die vor allem durch bisher unveröffentlichtes Material aus dem Familienbesitz und dem Getty Center in Los Angeles besticht. Skizzen, Pläne und Fotos geben einen umfassenden Einblick in das architektonische Schaffen Mendelsohns. Der aktuelle Zustand ausgewählter Bauten in Deutschland, Rußland, Großbritannien, Israel und den USA (nicht immer freiwillige Stationen im Leben des Ostdeutschland aus jüdischer Familie) wird anhand von Fotos dokumentiert, die auch zeigen, wie problematisch die Erhaltung solcher Bauten ist. (Ein umfassender Überblick über das Schaffen Mendelsohns findet sich in der Monographie "Gebaute Welten", herausgegeben von Regina Stephan im Hatje Cantz Verlag, 344 Seiten, 343 Abb., 68 Euro.)
Einblick in die Gedanken- und Ideenwelt des Allensteiners gibt ein neues Buch, das parallel zur Ausstellung jetzt im Verlag Hatje Cantz erschienen ist: Luise und Erich Mendelsohn. Eine Partnerschaft für die Kunst (Hrsg. Ita Heinze-Greenberg und Regina Stephan, 176 Seiten, 45 sw Abb., brosch., 25 Euro). Auszüge aus Briefen, persönliche Erinnerungen und informative Texte über die Entwicklung dieser Partnerschaft zwischen dem Architekten und der begabten Cellistin zeichnen einerseits ein lebendiges Bild einer bewegten Zeit, werfen andererseits auch Licht auf die Persönlichkeit dieses außergewöhnlichen Architekten. Peter van Lohuizen
Erich Mendelsohn: Der Architekt aus Allenstein bewegte mit seinen aufsehenerregenden Bauten die Architekturwelt. Foto: Esther Mendelsohn-Joseph
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