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Skandal im Priesterseminar

 
     
 
Die Affäre rund um das Priesterseminar in der niederösterreichischen Hauptstadt St. Pölten kommt nicht nur jenen gelegen, die beruflich für das Füllen des Sommerlochs zuständig sind: Viel mehr noch scheint das für alle zu gelten, die den St. Pöltener Diözesanbischof Kurt Krenn von allem Anfang an im Visier hatten und sich nun fast am Ziel ihrer Wünsche sehen.

Aus den kontroversen Aussagen die Fakten herauszufiltern, ist nicht einfach. Fest steht, daß bereits im vorigen Herbst, wenige Tage nach dem Selbstmord eines Seminaristen, auf dem allgemein zugänglichen Gemeinschaftscomputer des Seminars
pornographisches Material gefunden wurde, worauf der "Regens", der Leiter des Seminars, Anzeige erstattete und Bischof Krenn die Sicherheitsdirektion informierte. Anfang Juli bezichtigte ein Ex-Seminarist den Regens der Homosexualität, und ein Magazin veröffentlichte Bilder, die den "Subregens", den Stellvertreter, zusammen mit Seminaristen zeigen. Die gewiß unschicklichen Bilder können als Hinweis auf homosexuelle Beziehungen gedeutet werden - aber genauso dem Übermut während einer Feier entsprungen sein. Regens und Subregens traten jedenfalls ohne Schuldbekenntnis von ihren Ämtern zurück.

Die Polizei beschlagnahmte auch mehrere Privatcomputer von Seminaristen. Auf einem davon wurde kinderpornographisches Material gefunden, weshalb gegen den Besitzer, einen mittlerweile ausgeschlossenen Polen, Anklage erhoben wird. Alle anderen Vorwürfe sind strafrechtlich irrelevant und werden daher kaum einwandfrei nachzuweisen, aber auch nicht zu widerlegen sein. Denn der Besitz von sonstiger Pornographie ist ebensowenig verboten wie Homosexualität unter Erwachsenen.

Bei Wertung der Vorkommnisse muß man die Rahmenbedingungen mit einbeziehen: Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) hatte zahlreiche Änderungen gebracht, von denen aber meist nur die deutlich sichtbaren größere Aufmerksamkeit erhielten, etwa "Volksaltar", Ministrantinnen, Handkommunion, "modernes" Liedgut und Wegfall von Fastengeboten. Bei vielen Gläubigen entstand so der Eindruck, daß nun ohnehin fast alles erlaubt sei. Doch die Liberalisierung wird keineswegs von allen religiösen Menschen positiv gesehen und konnte den Mitgliederschwund nicht bremsen, eher im Gegenteil. Papst Johannes Paul II. begann daher gegenzusteuern, weshalb unter den von ihm ausgewählten Bischöfen und Kardinälen die "Konservativen" klar in der Mehrheit sind. Dementsprechend heftig werden sie von den "Liberalen" innerhalb und außerhalb der Kirche angefeindet.

Der aus dem nördlichen Oberösterreich stammende Bischof Krenn ist ein Konservativer und bekam dies schon bei seiner Bischofsweihe 1987 zu spüren: Auf dem kurzen Weg vom Erzbischöflichen Palais zum Stephansdom mußte der bisherige Regensburger Theologieprofessor in vollem Ornat über Demonstranten steigen, die sich ihm in den Weg gelegt hatten. Auch bei seiner Bestellung zum Diözesanbischof von St. Pölten kam es zu Protestaktionen.

Bischof Krenn erwies sich als eloquenter Diskussionsredner, befleißigte sich aber zuweilen einer ruppigen Ausdrucksweise, wie man sie eher bei einem Dorfpfarrer erwartet. Er ließ keine Kontroverse aus und trat in manches für ihn aufgestellte Fettnäpfchen. Und sein wenig attraktives Äußeres machte ihn zum Objekt gehässiger Karikaturen. Besonders heftig kritisiert wurden seine Personalentscheidungen. Dazu kommt, daß in das St. Pöltener Seminar Kandidaten aufgenommen wurden, die andernorts abgelehnt worden waren. Es ist allerdings nicht bekannt, wie viele Seminaristen dies betrifft, und ebensowenig, aus welchen Gründen man sie abgelehnt hatte: Waren es charakterliche Mängel? Oder eine zu konservative Grundhaltung?

Bischof Krenn verteidigt die zurückgetretenen Leiter des Priesterseminars, so wie er dem wegen pädophiler Vorwürfe zurückgetretenen früheren Wiener Erzbischof Kardinal Groër bis zuletzt die Treue gehalten hatte. Treibt ihn wissende Überzeugung oder fahrlässige Gutgläubigkeit oder Vertuschungsabsicht?

Die weitere Entwicklung wird primär davon abhängen, was der vom Vatikan bestellte und mit allen Vollmachten ausgestattete "Visitator", der Vorarlberger Oberhirte Klaus Küng, bei seinen Ermittlungen herausfindet. Auch Küng ist zwar ein angefeindeter Konservativer, doch an seiner persönlichen Integrität und alemannischen Gründlichkeit wagt niemand zu zweifeln. RGK

 
     
     
 
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