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Soziale Marktwirtschaft

 
     
 
Es ist mehr als fraglich, ob nach der Abwahl Kohls die Chance zur Selbstanerkennung des deutschen Nationalstaates durch die deutsche Politik und einer darauf gegründeten Europapolitik genutzt werden kann. Was sich in Deutschland als politische Linke versteht und seine Wurzeln bei den 68ern hat, versuchte bekanntlich, den abgewählt
en Bundeskanzler bei seiner Euromanie noch zu übertreffen.

Kandidat Schröder ließ bei seinem Fischzug auf Wählerstimmen zwar eine gewisse Europaskepsis aufschimmern und sprach – wie sein Kandidat für das Amt des Wirtschaftsministers Stollmann – von einem "deutschen Weg" in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Bis zum Beweis des Gegenteils ist jedoch zu vermuten, daß es sich dabei um den wahltaktischen Versuch handelte, auch Stimmen konservativer und eurokritischer Wähler auf die Mühlen der SPD zu leiten.

Schröder und Stollmann jedenfalls schienen bei diesem Bemühen Gedanken aufzugreifen, nach denen Erhards "Soziale Marktwirtschaft" ihre Wurzeln in der Jahrhunderte zurückreichenden konkreten Entwicklung des wirtschaftlichen Geschehens in Deutschland ebenso hat wie in der daraus resultierenden Volkswirtschaftslehre des vorigen Jahrhudnerts, für die soziale Verantwortung und Gerechtigkeit die leitenden theoretischen Kategorien darstellten. In der Tat ist das Erfolgsrezept des "deutschen Weges" in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund dieser historischen Erfahrungen in erster Linie auf Gemeinsamkeit und nicht auf individualistische Selbstverwirklichung ausgerichtet. Damit steht sie im Gegensatz zu der von Rationalismus und Materialismus geprägten reinen Markt- und Tauschlehre anglo-amerikanischer Prägung, von der die Munition für Klassenkämpfe aller Art geliefert wurde und wird. Die Überwindung dieses Klassenkampfes aber war für Ludwig Erhard ein moralisch-politisches Anliegen, das langfristiges erfolgreiches Wirtschaftshandeln überhaupt erst möglich macht.

Doch lassen wir es dahingestellt, ob die nationalstaatlichen Regungen und Formulierungen vom "deutschen Weg" des Gespanns Schröder–Stollmann Einsicht oder Wahlkampftaktik waren; Wahlkämpfer Kohl jedenfalls reagierte darauf mit Hohn und Spott: "Globalisierung" sei angesagt, nicht "deutscher Weg". Damit jedenfalls war die Sache für ihn vom Tisch. Nicht vom Tisch aber ist sie für die deutsche Politik. Diese hat vielmehr mit dem Machtwechsel in Bonn und auf demWeg nach Berlin die Chance, endlich das zu tun, was alle übrigen demokratischen Staaten Europas längst getan haben, nämlich diesen demokratischen Nationalstaat Deutschland anzuerkennen und ihn bewußt in das bestehende Europa demokratischer Nationalstaaten als solchen einzuführen. Das würde bedeuten, statt die "Überwindung des Nationalstaates" praktisch zur Staatsraison zu erheben, endlich das ständige Gerede von der "Überwindung" zu beenden. Schließlich schürt man damit nur das Mißtrauen der europäischen Nachbarn gegen den deutschen Sonderweg, der darin besteht, praktisch als einziger Nationalstaat in Europa keiner mehr sein zu wollen.

Es bleibt jedoch zu befürchten, daß die 68er, die jetzt auf die Ministersessel der Bundesregierung drängen,  ihre ideologischen Scheuklappen auch in dieser Frage nicht ablegen, denn der Nationalstaat ist nun einmal nicht ihre Sache. Ihre Sache ist jedoch, auf der Grundlage ihres ausgeprägten Gefühls für Selbstverwirklichung einem sehr ausgeprägten Hang zu persönlicher Macht zu leben und deren Erhaltung sowie den Pfründen aller Art selbst die hehren Grundsätze ihrer Ideologie zu opfern.

Deswegen werden sie bald spüren, daß, wenn sie nicht sehr schnell scheitern wollen, ihnen nur übrig bleibt, bei Ludwig Erhardt nachzuschlagen und zu verinnerlichen, was dieser als "deutschen Weg" empfohlen und praktiziert hat. Und während auf diese Weise die 68er in ihren Ministersesseln die Werke des großen Meisters studieren, könnte eine oppositionelle CDU nach dem Motto leben: "Von der CSU lernen, heißt siegen lernen …".

 

 
     
     
 
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