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Dem Stabilitätspakt ist durch interpretations- und dehnfähige Ausnahmebestimmungen derart verwässert worden, daß wohl jeder Staat, der ihn in seiner ursprünglichen Fassung bricht, sich zukünftig auf eine Ausnahme berufen kann. Unter anderem setzte sich die Bundesregierung mit ihrer Forderung durch, daß die für die Bezahlung der hohen EU-Nettobeiträge aufgenommenen Schulden nicht mitgezählt werden, wobei sie auf die zusätzliche Belastung durch die Einheit verwies. Auf die Idee, unter Hinweis auf die einigungsbedingten Lasten eine Senkung der Nettobeiträge zu fordern, so daß die Schulden gar nicht erst entstehen, kam sie bemerkenswerterweise nicht.
Als zusätzliche Verhöhnung müssen es die Deutschen betrachten, wenn in den Medien in Gleichsetzung von Land und Regierung verkürzend behauptet wird, Deutschland habe sich durchgesetzt. Dabei ist Deutschland der eigentliche Leidtragende. Die Situation erinnert wahrlich an das Märchen "Hans im Glück", wobei Hans in diesem Falle nicht mit dem gleichnamigen Bundesfinanzminister zu vergleichen ist, sondern mit der Bundesregierung. So wie sich Hans erst glücklich zeigte, daß er einen Wetzstein für eine (wertvollere) Gans eintauschen konnte, um sich hinterher zu freuen, daß er den Wetzstein loswurde, zeigte sich die Bundesregierung erst - als sie noch schwarz-gelb war - glücklich, daß sie den Stabilitätspakt für die (wertvollere) D-Mark eintauschen konnte, um sich jetzt - wo sie rot-grün ist - zu freuen, daß sie den Stabilitätspakt losgeworden ist. Objektiv hat Hans im Glück jedoch noch das bessere Geschäft gemacht, denn er brauchte für den Verlust des Wetzsteines wenigstens nichts zu bezahlen. Für den auf Druck der Bundesregierung zustande gekommenen kalten Putsch gegen den Stabilitätspakt wird sie beziehungsweise das von ihr regierte Volk jedoch noch irgendwann zur Kasse gebeten - das ist absehbar -, vielleicht schon bei den Verhandlungen über die von Brüssel geforderten höheren Mitgliedsbeiträge für die EU. A. Liedfeger |
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