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Stalins irrsinniger Verfolgungswahn

 
     
 
Die stalinistische Gewaltherrschaft zählt bekanntlich zu den größten Grausamkeiten des letzten Jahrhunderts, rund 20 Millionen Menschen verloren damals ihr Leben. Dennoch ist diese Epoche bis heute eigentlich nur wenig aufgeklärt. Die seit der Öffnung mancher Moskauer Archive einsehbaren und im jetzigen Buch teilweise erstmals veröffentlichten Dokumente lassen die Rolle Stalins indes in einem neuen Licht erscheinen, nämlich als "grausamen, mitleidslosen und einen von einem Verfolgungswahn besessenen Diktat
or", der eigenhändig den Massenterror vorantrieb.

Schon 1929 war er zum Alleinherrscher aufgerückt; nur "wenige Jahre später wagte es niemand mehr, überhaupt noch Zweifel an dem zu äußern, was Stalin jeweils als Generallinie der Partei ausgegeben hatte". Am Ende konnte er sogar Mitglieder des Politbüros umbringen lassen, ohne daß ihn jemand daran gehindert hätte. In seinem wohl schon krankhaften Mißtrauen sah Stalin überall Feinde, welche das kommunistische System in der Sowjetunion und ihn an erster Stelle vernichten wollten. Die große Frage, ob er selbst wirklich an ihre Existenz glaubte, möchte das Buch letztlich unbeantwortet lassen. Für deren Bejahung spricht indes, so vermerkt der Autor, daß er im engsten Kreise von Vertrauten nicht anders als in der breiten Öffentlichkeit redete; wahrscheinlich waren die angeblichen Verschwörungen für ihn inzwischen "zu einer Wirklichkeit geworden, der er nicht mehr entkam". Offenbar kamen Stalin selbst dann nicht Selbstzweifel, als er das Zentralkomitee der eigenen Partei zerstörte und mehr als zwei Drittel von dessen Mitgliedern durch seine "Säuberungen" den Tod fanden. Anfang 1953 wurde auf Befehl Stalins eine angebliche Verschwörung von "Mörder-Ärzten" aufgedeckt, die überall im Lande eine Welle von Übergriffen auslöste.

Eigentlich muß Stalin aber die Wahrheit gewußt haben, als er sogar seinen treuen Kampfgefährten, den Außenminister Molotow, als "britischen Spion" verdächtigte. In den letzten Lebensjahren des Diktators fielen Woroschilow und Mikojan in Ungnade: sie seien "Spione", erklärte er, man dürfe ihnen nicht trauen. Nicht einmal Stalins Landsmann und Geheimdienst-Chef Berija konnte sich in Sicherheit wiegen ...

Ein interessantes Buch, das der Leser recht nachdenklich aus der Hand legen wird.

Jörg Baberowski, "Der rote Terror", dva, München 2003, 288 Seiten, 24,90 Euro
 
     
     
 
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