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Strategisches Duell über den Wolken

 
     
 
Gelegentlich droht der Präsident der USA. Das betrifft nicht immer nur "Schurkenstaaten" oder kriegs- oder interventionsmüde Alteuropäer wie Schröder oder Chirac, sondern auch ganz normale "Partner" oder "Freunde" der USA. Wenn es um die Wirtschaft oder das liebe Geld geht, dann kann es schon mal vorkommen, daß Uncle Sam rabiat wird. Besonders dann, wenn die Europäische Union einmal - was selten vorkommt - zu einer ernsthaften Konkurrenz
wird, versteht man "drüben überm großen Teich" keinen Spaß. Dann holt man den Knüppel der Straf- oder Schutzzölle hervor. Der Anlaß sind Zuschüsse oder Bürgschaften, die die EU oder einzelne Staaten Unternehmen gewähren, um die Entwicklung neuer Technologien oder Produkte möglich zu machen. Dies gilt im hohen Maße für die Flugzeugindustrie.

Im Bereich der zivilen Luftfahrt hat es in den letzten Jahrzehnten eine atemberaubende Konzentration auf letztlich nur noch zwei ernstzunehmende Produzenten von Passagierflugzeugen gegeben. In den USA blieb von den Flugzeugbauern Lock-heed, Convair, McDonald Douglas und Boeing nur letzterer im Geschäft, während im von zwei Weltkriegen gebeutelten Europa sich bereits in den 80er Jahren die zivilen Flugzeugbauer zum multinationalen Konsortium Airbus Industries zusammenschlossen, das, durch nationale Zuschüsse und Bürgschaften gefördert, eine ganze Typenfamilie von Passagiermaschinen entwickeln konnte. Vom Minijet Airbus A 318 über diverse Mittelstreckentypen bis zum Langstreckenflugzeug A 340 können die Luftfahrtgesellschaften ihre ganze Flotte bei Airbus bestellen, ohne auf einen anderen Hersteller angewiesen zu sein.

In den USA ging man aber den entgegengesetzten Weg. Dort wurde der Weg der Konzentration dazu genutzt, möglichst wenige neue Typen zu entwickeln und mit den bereits vorhandenen Mustern möglichst viel Geld zu verdienen. Die dortige Unternehmenspolitik orientiert sich ausschließlich an der Gewinnmaximierung. Solange Boeing noch Konkurrenz im eigenen Lande hatte, war man gezwungen, neue Produkte zu entwickeln. Darin war Boeing in den 60er und 70er Jahren auch erfolgreich. Vor gut 30 Jahren wagten die US-Amerikaner mit der Entwicklung

des Jumbo-Jets Boeing 747 einen sehr mutigen unternehmerischen Schritt, denn es war damals keineswegs ausgemacht, daß der Markt tatsächlich ein so großes Flugzeug benötigen würde. Das Muster war ursprünglich als militärischer Großtransporter konzipiert worden. Nachdem Lockheed mit der C-5 Galaxy diesen Wettbewerb gewonnen hatte, plante Boeing mit den vorhandenen Entwürfen einen Passagiertyp zu bauen. Der für die 747 typische Buckel rührte daher, daß man sich seinerzeit nicht traute, ein zweistöckiges Flugzeug zu bauen. In der Produktion erweist sich dies gerade heute als Hemmschuh, denn durch die Belastung der Luftströmung muß dieser Teil der Zelle besonders aufwendig gefertigt werden, was zu hohen Kosten führt. Inzwischen hat die Firma Boeing auf dem Sektor des zivilen Flugzeugbaus in den USA ein weitgehendes Monopol, nachdem der Konkurrent McDouglas aufgekauft wurde und Lockheed den Bau von Passagierflugzeugen eingestellt hat. 30 Jahre war die 747 ohne echte Konkurrenz, aber nun droht das einstige Paradepferd der US-Amerikaner zum Ladenhüter zu mutieren. Der Grund hierfür ist das neue Airbusmodell A 380, das im Gegensatz zum in die Jahre gekommenen Jumbo-Jet von Anfang an eine zweistöckige Passagierkabine erhalten soll. Damit verfügt der neue Airbus fast über die doppelte Kapazität des alten Jumbos. Da sich die unternehmerischen Aktivitäten der US-Amerikaner lediglich auf die Entwicklung mehr oder weniger erfolgreicher Mittelstreckentypen (757, 767 und neuerdings 777) und Lohndrückerei beschränkte, sieht es jetzt gar nicht gut aus. Benebelt von der "Sharholder Value"-Ideo-logie, glaubte man sich die extrem hohen Entwicklungskosten für einen echten Nachfolger der "747" sparen zu können, weil die Kunden aufgrund des Monopols gezwungen wären, auch ein 30 oder 40 Jahre altes Flugzeug zu kaufen. Boeing-Vizepräsident Jeff Peace träumte 2002 davon, den Jumbo auch noch die nächsten 30 Jahre zu bauen. Die Betriebsmanager tun sich mit Investitionskosten schwer, denn sie fürchten die Kritik auf der Aktionärsversammlung, die vielleicht den eigenen Kopf kosten könnte.

Nachdem Airbus bereits mit der bisherigen Produktpalette Boeing als Nummer eins der weltweiten zivilen Flugzeugbauer verdrängt hat, könnte die europäische Übermacht in den nächsten Jahren weiter anwachsen, wenn erst einmal der Airbus A 380 fliegt. So hofft man in Seattle, wo Boeing seinen Hauptsitz hat, auf den Staat. George W. Bush soll gleich doppelt helfen. Einmal hofft man auf die Bestellung von Boeing-Flugzeugen für die Streitkräfte - also eine Subvention der anderen Art, denn selbstverständlich gibt es in den USA keinerlei ausländische Bewerber um Militäraufträge, die auch nur die Spur einer Chance hätten, und andererseits soll politischer Druck auf die Europäer ausgeübt werden, Airbus keinerlei Subventionen zu gewähren, weil dies dem fairen Marktwettbewerb widerspräche. Nachdem Verteidigungsminister Rumsfeld gerade einen Großauftrag über 100 Betankungsflugzeuge für die Luftwaffe des Typs Boeing 767 aus Kostengründen hat auf Eis legen müssen, ist neuerdings zu hören, daß die Marine die Boeing 737 als Aufklärungsflugzeug wünsche. So greift die Bush-Administration zugunsten der eigenen Flugzeugindustrie so ein, wie es zuvor jede andere Administration auch schon getan hatte.

Gleichwohl wird sich Boeing damit nur noch eine kurze Atempause verschaffen können, denn die Firma tut sich mit neuen Entwicklungen schwer. Mit Mühe und Not brachte Boeing Geld für die Entwicklung der mit zwei Triebwerken bestückten Boeing 777 (Erstflug 14. Juni 2000) auf, um die angegraute Mittel- und Kurzstreckenflotte aufzupeppen. Das war auch kaum noch zu umgehen, denn das fast unverkäufliche Modell 757 steht kurz vor der Produktionseinstellung. Die 767 wird auf Sparflamme produziert, nachdem Verteidigungsminister Rumsfeld die geplanten 100 Tankflugzeuge nun erst einmal nicht bestellen kann. Da die 777 auch nicht der große Verkaufsschlager wurde, muß Boeing nun nachlegen. Mit der 7E7 kommt ab 2008 ein weiterer Mittelstreckentyp in die Produktion. In Seattle hat man den Neuling hochtrabend "Dreamliner" getauft, obwohl man auch hier im Endeffekt keine Experimente wagte und auf Bewährtes vertraute. Zur Jahrhundertwende hatte Boeing-Chef Phil Condit noch die Entwicklung des zwölf Milliarden US-Dollar teuren Sonic-Cruisers angekündigt. Sein Hauptmerkmal sollte die höhere Reisegeschwindigkeit gegenüber dem Airbus sein. 2001 wurde das Programm vorzeitig beendet.

Bei der wirtschaftlichen Situation von Boeing und Airbus ist zu berück-sichtigen, daß in der vier Triebwerke starken Jumboklasse die Amerikaner bislang mit dem Typ 747 ein Monopol hatten. Damit wird es aber bald vorbei sein, wenn 2005 der Airbus A 380 seinen Erstflug absolviert hat. Schon heute hat Airbus 129 A 380 an elf verschiedene Fluggesellschaften verkauft, und das, obwohl der Prototyp noch gar nicht geflogen ist. Mit einer Länge von 73 Metern, einer Spannweite von 80 Metern, einer Höhe von 24 Metern und einem Gewicht von 560 Tonnen bietet der A 380 35 Prozent mehr Sitzplätze und 49 Prozent mehr Raum. Die Standardbestuhlung soll bei 555 Sitzplätzen liegen. Mit der Verwendung des neuen Werkstoffes GLARE (Glass Fibre Reinforced Aluminium) konnte Gewicht eingespart und die Festigkeit gesteigert werden. So kommt es, daß der A 380 im Betrieb wesentlich günstiger ist. Der

A 380 wird dann das größte Passagierflugzeug der Welt sein. Wenn nun die Europäer noch in die "Königklasse" der Jumboflieger aufsteigen, müssen die Aktionäre von Boeing entscheiden, ob sie investieren wollen oder nicht. Boeing muß Airbus wieder Marktanteile abjagen, wenn es sich am Markt behaupten will. 1999 konnte Airbus bereits annähernd so viele Flugzeuge wie Boeing verkaufen, und seit 2004 halten die Europäer mittlerweile einen größeren Marktanteil. Dabei könnten sich für Airbus besonders die niedrigen Betriebskosten als der Haupttrumpf erweisen. Die in letzter Zeit wie Pilze aus dem Boden schießenden Billigflieger achten mehr noch als die anderen Gesellschaften auf die Betriebskosten. Keine guten Aussichten also für die US-Amerikaner.

 

Ende eines Monopols über den Wolken? Gut drei Jahrzehnte hatte der US-Flugzeughersteller Boeing mit seiner großräumigen Passagiermaschine 747 keine Konkurrenz. Doch nun ordern viele Fluggesellschaften den fast doppelt so großen und betriebskostenärmeren Airbus A 380. Fotos (2): Boeing, Airbus

 
     
     
 
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