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Neueste Prognosen besagen, daß die Zahlen der Studienanfänger steigen werden und in sechs bis acht Jahren die Gesamtzahl der Studierenden 2,7 Millionen erreicht haben wird. Derzeitig sind rund eine Million Studierende an den deutschen Hohen Schulen eingeschrieben. Man kann ziemlich sicher sein, daß der berechtigte Ruf nach "mehr Geld" kaum erhört werden wird. Worauf also müssen sich die Hochschulen einrichten?
Was dabei herauskommt, wenn man einen Studentenberg "untertunneln" will, haben die bis heute wirkenden Erfahrungen nach 1977 gezeigt, als die Öffnung der Hochschulen zum obersten Prinzip in Bund und Länder n erklärt wurde. Alle Forderungen nach einer den veränderten Verhältnissen entsprechenden Ausstattung haben angesichts der finanziellen Gesamtsituation nicht viel gefruchtet. Will man nicht im Chaos untergehen, helfen nur drastische Maßnahmen. Das wären Zulassungsbeschränkungen nach Maßgabe vorhandener Kapazitäten. Damit würde ein Teil der Bewerber von einem Studium ausgeschlossen. Das mag persönlich hart sein, stellt aber im Vergleich mit anderen jungen Menschen keine Besonderheit dar. Auch bei Ausbildungsplätzen in der Wirtschaft gibt es keine Garantie für eine Stelle. Erfreulich ist das nicht. Ändern sollte man es auch. Will man mehr Studienplätze schaffen, muß man anderenorts Einsparungen vornehmen.
Die Hochschulen befinden sich derzeitig in einem Prozeß, in dem fast alle Studiengänge umgekrempelt werden (sollen). Die Umstellung auf ein gestuftes Studiensystem mit Abschlüssen von Bachelor und Master gibt andererseits die Chance, für die große Zahl der Studierwilligen eine Ausbildung anzubieten, die in kürzerer Zeit zu absolvieren ist. Ob sie "berufsqualifizierend" ist, kann nur der Markt zeigen. Alle Ankündigungen wie "Bachelor welcome" sind unverbindlich und besagen nicht viel. Aber es ist immer noch besser, Absolventen mit durchschnittlich 22 bis 23 Jahren auf den Arbeitsmarkt zu entlassen, auf dem die Aussichten nicht eben rosig sein mögen, als sie durch ein Studium traditioneller Art zu schleusen und ihnen mit 27 bis 28 Jahren auch nicht mehr bieten zu können.
Wenn es zutrifft, daß viele Studienanfänger weiterhin nicht die Voraussetzungen für ein Studium mitbringen und die Hochschulen sich nicht zuletzt wegen der steigenden Anforderung in ihren "normalen" Programmen nicht in das Lage sehen, solche Defizite auszugleichen, werden sie um Aufnahmeprüfungen nicht herum kommen. Dies wird dann schon den nötigen Reflex auf die Schulen ausüben, daß sie die ihnen obliegenden Aufgaben der Vorbereitung auf das Studium beziehungsweise die Zulassungsprüfung erfolgreich wahrnehmen.
Zur Zeit wird darüber geklagt, daß zu Beginn des Studiums erst einmal "nachgerüstet" werden müsse, weil die Schule (Folge der Verkürzung von 13 auf 12 Jahre) die Voraussetzungen für ein Studium nicht schaffe. Der Befund mag zutreffen. Abgesehen davon, daß dies vorhersehbar war, sind jene, die jetzt ihre Stimme erheben, dieselben die seinerzeit über zu alte Studienanfänger gejammert und vehement eine Verkürzung der Schulzeit gefordert haben.
Neben diesem festgestellten Defizit gibt es aber möglicherweise noch ein anderes Phänomen, das verschwiegen oder bewußt übersehen wird. Ein Bundesländervergleich belegt, daß die soziale Herkunft in Deutschland immer stärker über den Schulerfolg entscheidet. Das kann niemanden überraschen. Verblüffend allerdings ist die Feststellung, daß ein 15jähriger aus gebildetem Elternhaus (Akademiker oder Führungskraft) eine viermal größere Chance hat, das Abitur zu machen, als ein Gleichaltriger aus weniger gebildeten Familien. Die ersteren hätten einen Wissensvorsprung vor den letzteren.
Daß Kinder von Akademikern bessere Startchancen haben, ist plausibel: Allein die Ausstattung mit Büchern ist ein deutliches Indiz. Aber "reich" und "Akademiker" gleichzusetzen, ist riskant. Es gibt wirtschaftlich gesehen durchaus ein "akademisches Proletariat"; allerdings sind die Angehörigen desselben dank ihres eigenen Wissen und ihrer Ausbildung offenbar hilfreicher für ihre Kinder als die Angehörigen anderer Gruppen.
Bisher ist die Diskussion um die schlechteren Startchancen regelmäßig an dem Anteil der Arbeiterkinder an der studierenden Jugend festgemacht worden. In der Tat haben junge Menschen aus sozial schwächeren Familien weiterhin auffallend weniger Chancen auf eine Hochschulausbildung als solche aus anderen Schichten. Kinder von Vätern, die über eine Hochschulreife verfügen, beginnen zu 84 Prozent mit einem Hochschulstudium; nur 27 Prozent sind es bei Vätern mit einem Realschul- und 21 Prozent bei Vätern mit Hauptschulabschluß.
Soziale Herkunft darf kein Hindernis auf dem Weg zur Hochschule sein. Ebenso sollte alles getan werden, daß jeder einzelne seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert wird. Dies ist nicht nur wegen des "Rechts auf Bildung" geboten, sondern auch, weil das Land alle Reserven ausschöpfen muß, um in der internationalen Konkurrenz mitzuhalten.
Führen nicht aber solche Vergleichsdaten zu dem falschen Schluß, daß noch ein erhebliches Potential schlummert und nur geweckt werden muß? Es mag zwar nicht der "political correctness" entsprechen - zu stellen ist die Frage dennoch: Gibt es vielleicht auch einen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Befähigung? Ist hier womöglich der Anteil derjenigen, die nicht über die entsprechenden Voraussetzungen verfügen, größer? Der Aufschrei bei solchen Überlegungen ist sicher. Wenn die Frage mit einem klaren Nein beantwortet werden kann - um so besser. Aber sie nicht zu stellen, heißt in den Kategorien der bisherigen Bildungspolitik zu verharren: Nur keine unangenehmen Fragen!
Auch unabhängig davon, ob in bisher sogenannten bildungsfernen Schichten noch ein Reservoir vorhanden ist, das die Studierendenzahlen weiter erhöhen könnte, stehen die Hochschulen erneut vor einer Belastungsprobe. Da das verständliche Einfordern einer besseren Ausstattung kaum den vollen gewünschten Erfolg haben wird, wären sie gut beraten, sich durch geeignete Maßnahmen auf harte Zeiten einzurichten.
Bald Aufnahmetest? Auszubildende müssen schon heute ein Aufnahmeverfahren durchlaufen. |
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