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Symbole: Wo bleibt das Denkmal der deutschen Einheit?

 
     
 
Das jetzt eingeweihte Mahnmal für die Vertreibung und Flucht der Ostdeutschen in Nürnberg ist ein überfälliges Symbol der Verbundenheit mit dem Schicksal der eigenen Nation. Und doch wiegt es nicht auf, was den Überlebenden der Vertreibung, den Verschleppten und posthum den Verhungerten und Gemordeten, den Geschändeten und Gedemütigten nach ihrem Martyrium widerfahren ist in den vergangenen Jahrzehnten.

Historiker kommender Zeitalter werden es schwer haben, sich und ihren Schülern zu erklären, was sich im Deutschland des zwanzigsten Jahrhunderts zugetragen hat. Daß am Ende dieser unheilvollen Epoche
gar das Gedenken der eigenen Toten in die Schußlinie hypermoralischer Hetzer gerät, erscheint wie ein pathologischer Befund, stand doch die Trauer um die Toten einst am Anfang der menschlichen Zivilisation. Gedenkstätten sind der neuzeitliche Ausdruck dieses uralten Brauchs. Dabei steht die vergleichsweise bescheidene Präsenz der wenigen Denkmale für die Opfer der Vertreibung in keinem Verhältnis zur Dimension der grauenhaften Ereignisse von damals. In der Masse der Mahnmale in unserem Lande sind sie kaum sichtbar – und dies ist kein Zufall, kein dummer Fehler, das ist eine Schande.

Wer sich löst vom Trubel des Tagesgeschäfts, dem fällt angesichts der Flut an Mahn- und Gedenkstätten in Deutschland noch ein weiteres Kuriosum auf: Zu Recht wurde erst kürzlich der zehnte Tag des Mauerfalls als der glücklichste Moment der deutschen Geschichte in diesem sonst so düsteren Jahrhundert gefeiert. Ein unbedarfter Ausländer wird davon ausgehen, daß die Deutschen zur Feier dieses grandiosen Ereignisses in ihrer Hauptstadt ein großes Denkmal der nationalen Freude und des Stolzes erbaut hätten. Doch Fehlanzeige: Wer die dafür einzig passende Gegend danach absucht, der wird ein martialisches sowjetisches Siegerdenkmal finden, bald vielleicht auch jenes von Martin Walser als "fußballfeldgroßer Albtraum" beschriebenes Holocaustmahnmal. Die Kreuze für die Mauertoten muß man schon suchen, dann noch ein paar wurstige Installationen, die an einigen Stellen an den Verlauf der Mauer erinnern sollen.

Der nimmermüde Vorkämpfer der deutschen Umweltbewegung, Baldur Springmann, will sich damit nicht abfinden. Zehn Jahre nach dem Fall des kommunistischen Mordinstruments schlägt er vor, endlich ein Denkmal für die deutsche Einheit in Berlin zu errichten. Einen schlanken, hohen Turm mit zwei Sockeln, einer fußt im Westen, der andere im Osten Berlins. In sanfter Kurve sollen sich beide begegnen und zu einem Bauwerk vereinen, auf dessen Spitze schließlich eine ewige Flamme lodert.

Warum nur ist ein derartiger Vorstoß noch von keinem Politiker zu hören gewesen, wo gerade sie so gern den Wert des Symbolischen betonen? Eine Frage, an der sich die ganze Misere des zerrütteten deutschen Nationalbewußtseins aufhängen ließe. Was soll herauskommen in einem Land, dessen Tonangeber einen Mann wie Günter Grass bejubeln, der über die Deutschen bei jeder Gelegenheit seinen fanatischen Haß ausschüttet, unser Volk mit immer neuen, immer absurderen Beschuldigungen bewirft.

Das Fehlen eines sichtbaren Symbols der Einheit ist so selbst Symbol. Indes, ließe man die Deutschen über die Errichtung eines Nationaldenkmals abstimmen, die Mehrheit wäre wohl gewiß. So gewiß, wie es das Volk war (und nicht die sogenannten Meinungsführer, die Intellektuellen und Politiker, die Medienmacher und Beherrscher des offiziösen Kulturbetriebs), das vor zehn Jahren die Einheit erkämpft hat. Hätte man das Schicksal Deutschlands in die Hände der sich gegenseitig so titulierenden "Visionäre", der "Vor-" und "Querdenker" gelegt – an der säuerlichen Miene des Gerhard Schröder bei den Feierlichkeiten zum Mauerfall-Jubiläum konnten wir ablesen, wo wir gelandet wären. Allen opportunistischen Lippenbekenntnissen zum Trotz hat die Masse der Meinungsmacher in diesem Land den Deutschen die Einheit nie verziehen. Ein Denkmal wäre ebenso nur gegen sie durchzusetzen wie damals die Vereinigung selbst.

Ohne ein solches, wenn es denn je kommen sollte, großartiges Projekt zerreden zu wollen: Der angemessene Hinweis auf das, was 1989/90 nicht wiedervereinigt wurde, darf aus historischer Redlichkeit und nationaler Verpflichtung nicht fehlen. Für zu viele Deutsche mischte sich damals die Freude mit tiefem Schmerz und berechtigtem Zorn. Ihres Schicksals darf nicht allein in Nürnberg gedacht werden.

 
     
     
 
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