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Terror und Margarine

 
     
 
Tanja Schomaker liebt Kunst. Moderne Kunst. Kunst wie den Kurzfilm, den sie 2004 gemacht und auf einem Festival aufgeführt hat. "Take off" handelt von zehn Händen, die wie bei einer spirituellen Handlung auf einem runden weißen Tisch aufgereiht sind. "Roter Nagellack wird mit Nagellackentferner und Watteballen von den einzelnen Fingern abgenommen", lautet die Kurzbeschreibung des Films. So etwas nennt man dann "moderne Kunst". Weil Tanja Schomaker noch nicht von ihren eigenartigen Filmen leben kann, macht sie Rundgänge für Touristen und Kunst-Interessierte in Berlin. Neuerdings auch auf der RAF-Ausstellung.

Sie hat viel Publikum, und es ist in jeder Hinsicht sehr gemischt. Mit einer Ausnahme: Die Frauen sehen alle so aus wie Elfriede Jelinek. Mit jedem Verriß in den Feuilletons steigt die Zahl derer, die sich diese Ausstellung über die "Rote Armee
Fraktion" und die Medien ansehen.

Die Ausstellung ist eine Medien-Veranstaltung, es sind sehr viele Kameras da. Wer jedoch glaubt, in den Räumen ungehindert Fotos schießen zu können, wird nach einer Weile vom Personal darauf hingewiesen, daß dies nur mit einer Sondergenehmigung möglich ist. Da hier keine wertvollen Exponate hängen, sondern moderne Pseudo-Kunst und Zeitungsschnipsel, läßt dies nur einen Schluß zu: Die Veranstalter wollen verhindern, daß jemand - statt den Katalog zu kaufen (45 Euro) - eigene Fotos erstellt. Man ist in der kapitalistischen Wirklichkeit angekommen.

Die Mitarbeiter tragen T-Shirts mit dem Aufdruck "KW". Ist die Assoziation mit einer Abkürzung aus dem RAF-Jargon gewollt? KW stand dort für Konspirative Wohnung. "Nein", sagt eine Türsteherin, "das heißt Kunst-Werk und hat mit ‚Konspirative Wohnung nichts zu tun" - mit einem Lächeln und Augenzwinkern, das verrät, das sie selbst nicht daran glaubt.

Auf einer Tafel stehen Worte so angeordnet, daß sie ein auf dem Kopf stehendes Dreieck bilden. Es sind Worte wie "Schleierfahndung", "Ringfahndung", "Großer Lauschangriff" oder "Personenidentifizierungszentrale". Das sind die Maßnahmen, die der Rechtsstaat gegen die RAF ergriffen hat, ergreifen mußte. Das Bildnis aber soll uns sagen: Der Staat ist böse, weil er uns überwacht und ausspitzelt. Der Künstler blendet völlig aus, daß der Staat nur deshalb zu diesen Instrumenten gegriffen hat, weil es eine reale terroristische Bedrohung gegeben hat. Ohne RAF hätte es auch nie Rasterfahndung gegeben. Terroristen - ob sie sich RAF oder El Kaida nennen - fördern durch ihr Verhalten den Überwachungsstaat. Darüber hat der Künstler aber nicht nachgedacht.

Überall stehen Fernseher. Hier läuft das legendäre Schleyer-Video. Das Bild des entführten Mannes hat sich ins Gedächtnis der Deutschen eingebrannt. Es ist wie nichts anderes das Bild schlechthin zum sogenannten deutschen Herbst 1977.

Woanders läuft ein US-Zeichentrickfilm. Handlung: Eine junge Frau stellt sich vor, wie toll es sein muß, zur Baader-Meinhof-Bande zu gehören. Sie überlegt sich, welche Klamotten sie trägt, wenn sie mit Andreas Baader einen Kaffee trinken geht. Das Interessanteste daran ist, daß und wie die RAF in dem US-Streifen gesehen wird, als so eine Art deutsche Variante von "Bonnie und Clyde".

Im obersten Stockwerk findet sich ein pinkfarbener Teppich mit zwei Fernsehern davor. Auf der Mattscheibe redet ein Amerikaner irgendwelchen Unsinn. Davor liegt eine Stoffkatze - so groß wie ein Pony. Die Künstlerin, eine 31jährige US-Amerikanerin, setzt sich - laut Katalog - davor, um sich vorzustellen, wie es ist, Ulrike Meinhof zu sein. Ein weiterer Film handelt in einer Kleingarten-Kolonie nahe Stuttgart-Stammheim. Die Macher wollten herausbekommen, wie die Leute hier die Vorgänge von 1977 verarbeitet haben. Und welches Wissen sie an ihre Kinder weitergegeben haben.

"Wie wird Geschichte weitergegeben?" fragt auch Tanja Schomaker, als sie mit ihrer Gruppe hier ankommt. Und dann verrät sie sehr Persönliches: "Ich konnte das auch lange nicht richtig einordnen." Und über die Gedanken, die man sich beim Anblick eines bestimmten Bildes macht, sagt sie: "Die wollten einen Diskurs aufmachen." 68er-Sprech in Reinkultur. Daneben hängen unscharfe Bilder von Personen. Natürlich ist es nicht einfach so, daß jemand schlechte Fotos gemacht hat. Tanja Schomaker erklärt: "Der Betrachter soll sich selber daran erinnern, wie die Menschen ausgeschaut haben."

Ein Stockwerk tiefer stehen zwei gelbe Schilder in Filzpantoffeln. Auf den Schildern steht: "Dürer, ich führe persönlich Baader und Meinhof durch die Dokumenta V - J. Beuys." Tanja Schomaker erklärt, daß ein Mann, der wie Dürer verkleidet gewesen sei, Beuys dazu inspiriert habe. Und daß Beuys eigentlich auch noch gesagt habe: " ... und damit sind sie resozialisiert." Beuys habe sich nämlich "dagegen gewehrt, daß jemand aus der Gesellschaft ausgegrenzt wird." In den Filzpantoffeln ist Margarine. "Das steht bei Beuys für Energie", sagt Tanja Schomaker.

Wie die deutsche Variante von "Bonnie und Clyde": Das Schleyer-Video der Entführer als "künstlerisches Ereignis" in Berlin
 
     
     
 
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