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Treffpunkt Fliederbusch

 
     
 
Lieber Roland!

Noch nie habe ich Post aus Amerika bekommen. Mehr als erstaunt hielt ich deshalb Deinen Biref in meinen Händen. Du, eine Einquartierung in meinem Elternhaus, kurz bevor der Rußlandfeldzug begann, schreibst mir, nicht nur aus der "Neuen", vielmehr wie aus einer anderen Welt. Es war ein großer Zufall, daß Du meine Adresse erfahren hast. Ich freue mich, und ich danke Dir für Deine Zeilen.

Es tat uns in der damaligen schweren Zeit gut, ein paar unbeschwerte Tage zu genießen. Mein Grammophon wurde immer wieder aufgezogen, und wir tanzten Walzer links- und rechtsherum, bis der Dackel sich ärgerlich unter dem Sofa
verkroch.

Erinnerst Du dich noch an die Geschichte mit der kleinen Maus? Sie hatte sich zwischen den Scheiten des Brennholzes versteckt und war so in unsere Küche gelangt. Dort entdeckte ich sie und ergriff sie kurzentschlossen am Schwanz, um sie ins Freie zu bringen. Sie schnellte hoch und biß mir in den Zeigefinger, aber ich hielt eisern fest und setzte sie erst draußen ab. Dafür hingst Du mir eine "Tapferkeitsmedaille" um, die aus einem Bonbon am langen Band bestand.

Ich durfte im Beiwagen von Deinem Krad sitzen, und du fuhrst mit mir über die Feldwege, daß die Haare nur so flogen und wir uns wie Rennfahrer vorkamen.

Du erwähnst jetzt Deinen bevorstehenden 80. Geburtstag und erinnerst an Deinen 20., den wir gemeinsam feierten. Aus diesem Grunde schreibe ich Dir so schnell, damit auch ich zu den Gratulanten gehöre.

An diesem Tag vor 60 Jahren saßen wir alle, wie jeden Abend, in unserer Laube. Du beschriebst Dich damals als durch und durch pünktlichen Menschen, zu dem es paßte, daß er auf den Glockenschlag 8 Uhr abends geboren wurde. Genau zu diesem Zeitpunkt hatte mein Vater die Gläser mit "Bärenfang" gefüllt, und meine Mutter sagte zu Dir: "Mögen Sie gesund den Krieg überleben."

Vor Jahren habe ich meine Heimat besucht. Vom Haus ist auch nicht ein Stein übriggeblieben, aber der Flieder an der Gartenlaube hat alles überstanden und begrüßte mich in voller Blüte. Ich mache Dir einen Vorschlag: An Deinem Geburtstag, pünktlich um 20 Uhr hiesiger Zeit, erhebe jeder von uns beiden sein Glas, und unsere Gedanken sollen sich im fernen Ostdeutschland treffen. Ich schicke Dir dann zum Fliederbusch meine Wünsche: Alle
 
     
     
 
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