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Am 6. Juni standen in Rumänien Lokalwahlen an. Aus deutscher Sicht war dabei das Ergebnis in der 170 000 Einwohner zählenden Kreishauptstadt Hermannstadt (Sibiu) von besonderem Interesse.
In dieser siebenbürgischen Stadt amtierte in den letzten vier Jahren Klaus Johannis, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), als Bürgermeister. Und das, obwohl die deutsche Minderheit nur noch rund 1,18 Prozent (knapp 2000 Personen) der Bevölkerung ausmacht.
Das "Wunder von Hermannstadt" wiederholte sich: Johannis wurde mit einer sensationellen Mehrheit von etwa 88 Prozent wiedergewählt. Völlig überraschend war dieser Erfolg jedoch nicht.
Symptomatisch für die allgemeine Stimmung war es, daß fast täglich ein rumänischer Zeitungsverkäufer zum Forumssitz kam, um Werbeblätter zu erbitten, die er den Zeitungen beilegte. Freiwillig. Ohne Bezahlung. Zum 1. Juni brachte er sogar Schokolade: "für deutsche Kinder". Etliche Taxifahrer versahen ihre Autos mit Forumsplakaten.
Im Juni 2000 war Johannis als krasser Außenseiter gewählt worden. Zum ersten Mal hatte das Forum damals einen eigenen Bürgermeisterkandidaten nominiert. Von den Gegnern nicht ernst genommen, kam Johannis mit der stillsten und sparsamsten Kampagne aller Bewerber auf knapp 70 Prozent der Stimmen.
Die Stunde für seine Kandidatur war günstig. In Hermannstadt hatte seit der Wende immer ein Repräsentant der Mitte-Rechts Opposition den Posten bekleidet, noch nie die altkommunistisch geprägte Regierungspartei. Als 1996 diese "Mitte-Rechts Opposition" in Bukarest die Regierung übernahm, machte die einsetzende Euphorie bald der Ernüchterung Platz, als die breite Koalition zu bröckeln begann und schrittweise auseinanderbrach.
Die Bevölkerung Hermannstadts fand in Johannis die Alternativlösung und wählte ihn und die Forumsliste mit einer Stimmenzahl, die niemand für möglich gehalten hatte. Nicht einmal die Vertreter des Forums, dessen Kandidatenliste für den Stadtrat zu kurz war.
Nach vier Jahren hat sich in der Bevölkerung die Auffassung durchgesetzt, daß sich der 2000 gewährte Vertrauensvorschuß gelohnt hat. Gute Straßen und moderne Infrastruktur, Parkanlagen und Springbrunnen kennzeichnen das Ortsbild. Die Altstadt wird saniert, an allen Ecken und Enden wird gebaut.
In wenigen Jahren sollen die Arbeiten abgeschlossen werden, damit Hermannstadt, wenn es 2007 zusammen mit Luxemburg europäische Kulturhauptstadt ist, in "neuem alten Glanz" erstrahlen kann.
Im Westen der Stadt ist ein neues Industriegebiet entstanden; Hermannstadt verzeichnete in der Amtszeit von Johannis das landesweit größte Wirtschaftswachstum, und Arbeitslosigkeit wird zum Fremdwort. Im April 2002 wurde eine Städtepartnerschaft mit Landshut geschlossen, die die ohnehin engen Verbindungen mit der Bundesrepublik Deutschland und speziell Bayern weiter verstärkt. Auf einer Wahlveranstaltung des Hermannstädter Forums kündigte der Bürgermeister am 26. Mai weitere Fortschritte an: Sämtliche Straßen der Stadt sollen in der nächsten Legislaturperiode mit Hilfe einer Anleihe der Osteuropa-Bank asphaltiert und außerdem das komplette Kanalisations- und Trinkwassernetz erneuert werden.
Darüber hinaus verlieh Johannis der Zuversicht Ausdruck, daß die Altstadt bis 2006 Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe findet.
Acht Tage vor der Wahl gab es im örtlichen Stadion einen wohl noch publikumswirksameren Auftritt des beliebten Siebenbürger Sachsen. Anläßlich der Feierlichkeiten zum Aufstieg der Hermannstädter Kicker in die B-Liga (Johannis ist einer der Inhaber des Clubs, den er übernahm, als dieser pleite und in die C-Liga abgestiegen war) wurde ein Stadtlauf organisiert, an dem sich in den Sektionen Läufer, Fahrradfahrer, Inlineskater und Rollstuhlfahrer über tausend Bürger beteiligten. Neben dem Stadion stürmten nicht nur Kinder auf einen kleinen roten Bus los, aus dem Fähnchen und Luftballons mit Wahlwerbung für das Forum verteilt wurden.
Der Wahlkampf in Hermannstadt verlief fair (auch wenn jede Zeitungsmitteilung bezahlt werden muß, nicht nur die in der Werbespalte). Ganz anders jedenfalls als in Kronstadt (Brasov), der Metropole des Burzenlandes, wo aus allen Forumsplakaten die Angabe von Datum und Uhrzeit der Kandidatenlancierung herausgerissen wurde und der lokale Fernsehsender den Termin gleich zweimal falsch durchgab.
Die außerordentliche Persönlichkeit von Klaus Johannis wird in der Stadt am Zibin allgemein anerkannt. Sie spiegelt sich auch in einigen für die nicht mal mehr 20 000 heimatverbliebenen Sachsen grundlegenden Gedanken wider, die der 1959 in Hermannstadt geborene ehemalige Physiklehrer in seiner Antrittsrede als DFDR-Vorsitzender im Frühjahr 2002 äußerte: "Ich denke, eines unserer größten Probleme ist unsere Identität. (...) Unser Selbstverständnis kann nicht mehr dasselbe sein wie vor 1989, als es noch sehr viele Deutschstämmige in Rumänien gab. (...)
Definiert man Deutsch über Abstammung, über Sprache oder vielleicht über Kultur? Das sind Fragen, denen wir uns in Zukunft sicher stellen müssen. (...)
Wir sind rumänische Staatsbürger, und wir zahlen hier unsere Steuern, nicht in Deutschland. (...) Ich finde es ganz wichtig, daß wir weiter im öffentlichen Leben mitmachen. Wir sollten weiter anstreben, Vertreter in den verschiedenen Gremien zu haben. (...) Wir müssen präsent sein, auch wenn wir nicht unbedingt das entscheidende Wort zu sagen haben (...)."
In diesem Sinne und in der Hoffnung auf einen "Johannis-Effekt" hatte das DFDR einen ungleich aktiveren Wahlkampf als bei den letzten Kommunalwahlen betrieben. Man schickte 549 Kandidaten für die Kommunalräte ins Rennen sowie 120 für die Kreisräte. Als Bewerber für Bürgermeisterposten traten 22 Aktivisten des Forums an.
Schließlich wurden selbst die kühnsten Hoffnungen übertroffen. Mindestens 16 von 23 Sitzen im Stadtparlament von Hermannstadt gingen an deutsche Vertreter. Auch im Kreisrat Hermannstadt erzielte die DFDR-Liste eine absolute Mehrheit.
Der in der über 60 000 Einwohner zählenden Stadt Mediasch (Medias) für das Bürgermeisteramt aufgestellte örtliche Geschäftsmann Daniel Thellmann, der auch ständiger Vertreter des Siebenbürgenforums im Bundesvorstand der Freundeskreis der Siebenbürger Sachsen ist, hatte mit rund 30 Prozent die Nase vorn. Mit dem gleichen Anteil siegte Johann Krech in Heltau. Beide Kandidaten müssen nun am 20. Juni in die Stichwahl.
Weitere bemerkenswerte Erfolge in Schäßburg, Kleinschelken und Agnetheln komplettieren den Triumph für die klein gewordene Minderheit. Zusammen mit dem besonders augenfälligen Wahlausgang in Hermannstadt zeigen sie, daß sich für sehr viele Rumänen in Siebenbürgen die Entscheidung für deutsche Kandidaten zu einer anerkannten politischen Alternative gemausert hat.
Der Verfasser ist Geschäftsführer der "Arbeitsgemeinschaft Deutscher Jugendorganisationen in Rumänien e. V."
Hermannstadt in Siebenbürgen: Europäische Kulturhauptstadt 2007 (hier: am Großen Ring/Platz der Republik) Foto: Martin Schmidt
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