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Die Landbewohner der ostmitteleuropäischen Beitrittsstaaten können erst einmal die Freudentrompeten erschallen lassen: Die Europäische Union stellt für den Zeitraum 2004-06 satte 5,76 Mrd. Euro zugunsten der Entwicklung des ländlichen Raums der "Neulinge" bereit.
Das ist mehr, als man angesichts der fortdauernden Querelen nach der Ablehnung einer Unionsverfassung erwarten konnte, denn während der Beitrittsverhandlungen hatte man sich eigentlich auf "nur" 5,11 Mrd. Euro geeinigt.
Die zugesagten Mittel sollen den Landwirten im Osten bei der Modernisierung ihrer Höfe und der Erreichung der EU-Produktionsstandards helfen. Außerdem sollen sie, um eine abgedroschene Phrase grüner Umweltpolitik zu zitieren, zu einer "sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung" beitragen. In den "Ziel-1-Gebieten ", also da, wo ein gesamtwirtschaftlicher Rückstand gegenüber dem Unionsdurchschnitt festgestellt wurde, kommen folgende Bereiche für eine Unterstützung durch Brüssel in Frage: Hilfe für "benachteiligte" Landstriche oder Regionen mit umweltspezifischen Einschränkungen, Agrarumweltmaßnahmen und Tierschutzvorhaben, Aufforstungen landwirtschaftlicher Flächen und Programme zur Hebung der Lebensmittelqualität.
Ferner stehen Gelder bereit für die Förderung von Betrieben unterhalb der Existenzgrenze, die sich in Umstrukturierung befinden, für die Gründung von Erzeugervereinigungen für bestimmte Produkte sowie für Vorruhestandsregelungen bei Bauern.
Fast das gesamte Territorium der neuen Mitgliedsstaaten fällt unter "Ziel 1"; Ausnahmen sind Zypern sowie kleine Teile der Tschechischen Republik und der Slowakei, nämlich die Gebiete rund um die Hauptstädte, die als Ziel-2-Gebiete eingestuft sind, in denen nur Teilrückstände gegenüber dem EU-Durchschnitt ermittelt wurden.
Doch der Empfang der großzügigen Geldmittel an sich löst noch keine Probleme. Die Kernfrage ist, ob die finanziellen Ressourcen sinnvoll verwendet werden. Und hier stimmen die Erfahrungen in den neuen Bundesländern wenig zuversichtlich. Der Mittelabfluß von EU-Hilfen (also die tatsächlich ausgezahlten Summen), war dort mit 45 Prozent miserabel, weil die regionalen bzw. örtlichen Strukturen diese nicht umsetzen konnten.
Zu der Zeit, als es das EG-Programm PHARE für die ehemals sozialistischen Länder noch gab, standen je nach Größe des Empfängerstaates zwischen zehn und 200 Millionen Euro aus Brüssel bereit. Die Schwierigkeiten bei der Nutzbarmachung dieser Mittel waren extrem. Die Prüfer der EU-Finanzkontrollbehörden und ihre Kollegen auf nationaler Ebene kamen damals in die abstruse Situation, ständig beanstanden zu müssen, daß nicht etwa zuviel, sondern zu wenig Geld verbraucht wurde. Entgegen ihrem Auftrag lieferten sie daraufhin Anregungen für Projekte zum mehr oder weniger (meist weniger) sinnvollen Geldausgeben.
In Polen führte beispielsweise die aus heutiger Sicht geringe EU -Mitfinanzierung des "Vorruhestandes" von Landwirten, den es auch schon im Sozialismus gab, zu einem explosionsartigen Anstieg der ohnehin florierenden Schwarzbrennerei von Schnaps aus Zucker und Kartoffeln.
Seither hat sich wenig geändert: Die EU-Kommission wirft noch immer mit Geld um sich, und künftige Finanzkontrolleure werden wohl wieder bemängeln, daß es erneut nicht gelungen sei, "Strukturen zu schaffen, die eine produktive Transformation der bereitgestellten Mittel (...) möglich machen". Dietmar Stutzer |
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