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EU bremst Wirtschaftswachstum

 
     
 
Kürzlich veröffentlichte die OECD das sehnlich erwartete Wachstum für 2002 der 30 westlichen Industrienationen, die 81 Prozent des globalen Potentials ausmachen. Das magere Plus beträgt 1,3 Prozent. Wenn wir die Entwicklungsländer mit ihren vorläufigen Ergebnissen einbeziehen, dann wuchs die Wirtschaft etwa um real 1,5 Prozent.

An der Spitze lag China mit acht Prozent, dicht dahinter Südkorea mit 6,1 Prozent. Dahinter folgen Indien, Malaysia, Thailand
, die etwa fünf Prozent erwarten, sowie Hongkong und Taiwan mit vier Prozent, genauso wie Rußland und die arabischen Öl-Länder. Dahinter rangieren Neuseeland, Indonesien, Australien und Kanada. Mitten in der globalen Krise wuchs die US-Wirtschaft mit 2,4 Prozent durchaus beeindruckend, nämlich fast doppelt so schnell wie die Ökonomie der Gesamtheit der Industrienationen und glatt dreimal so schnell wie die Mitglieder der Euro-Gemeinschaft.

Hauptverantwortlich für die globale Wachstumsmisere im vergangenen Jahr war neben Japan Euro-Land mit einem Wachstum von 0,8 Prozent.

Innerhalb der europäischen Währungsgemeinschaft hinsichtlich des Wachstums an der Spitze lagen im vergangenen Jahr mit Iren, Griechen und Spaniern milliardenschwere Nettoempfänger im Rahmen der Süderweiterung, deren Wachstum primär vom europäischen Zahlmeister Deutschland und den Niederlanden finanziert wurde. Die beiden Nettozahler sichern den EU-Wachstums-Konvoi mit der Roten Laterne nach hinten ab. Dies belegt den engen Zusammenhang zwischen Nettoempfängern und starkem Wachstum auf der einen Seite sowie Nettozahlern und schwachem Wachstum auf der anderen.

Hinter den südeuropäischen Nettoempfängern folgen mit Großbritannien, Schweden und Dänemark drei Nicht-Euro-Länder, deren Wachstumsraten den EU-Durchschnitt um mehr als das Doppelte übertreffen, weil sie dem Stabilitätspakt nicht beitraten. Danach warten Franzosen, Luxemburger, Österreicher und Belgier mit mageren 0,7 bis 1,2 Prozent auf, und noch schwächer sind Portugal und Italien. Deutschlands 0,2 Prozent werden als "Null-Wachstum" verspottet.

Eine Liste der hierfür verantwortlichen primären Wachstumshemnisse läse sich in etwa so: Die Lasten der deutschen Einheit kosten 1,0 Prozent Wachstum, die Nettozahlungen für die EU-Süderweiterung 0,5 Prozent, der Euro-Stabilitäts-Pakt 0,5 Prozent, die zu geringe Arbeitsmarktflexibilität 0,4 Prozent, die Überregulierung der Produktmärkte 0,3 Prozent, die überbordende staatliche Bürokratie und der zu geringe Grad der Privatisierung 0,3 Prozent, der Terrorismus und der Irakkrieg 0,5 Prozent, die zu hohen Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) 0,3 Prozent, der hohe Rohölpreis 0,1 Prozent und die überhöhten Rüstungsausgaben 1,0 Prozent. Hinzu kommen immense Ost-Erweiterungskosten, die unser künftiges Wachstum zusätzlich schmälern.

Als Portugiesen und Spanier Mitte der achtziger Jahren zögerten, der damaligen EG beizutreten, weil sie die übermächtige nordeuropäische Konkurrenz fürchteten, stellte Brüssel verführerisch über Agrar-, Kohäsions- und Strukturfonds erhebliche Hilfe in Aussicht. Von diesen Fonds profitierten auch das ebenfalls südeuropäische Griechenland, das bereits seit 1981 EG-Mitglied war, sowie Irland. Die Grüne Insel gehört zwar nicht wirklich zu Südeuropa, doch da das irische Bruttoinlandsprodukt je Einwohner weniger als 75 Prozent des damaligen EU-Durchschnitts betrug, wurde es in den Geldsegen mit einbezogen.

Die 3,5 Millionen Iren erhielten anfangs jährlich rund drei Milliarden US-Dollar, die alleine rund drei Prozent Wirtschaftswachstum bewirkten, so daß zuletzt sechs, acht, ja elf Prozent reales Wachstum erzielt wurden. Damit wurde eine enorme ökonomische Aufholjagd in Gang gesetzt. 1998 kamen die Iren schließlich an den EU-Durchschnitt heran. Seit 2002 liegen sie um sensationelle 33 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Gemeinsam mit dem reichsten Land der EU, Luxemburg, und dem wohlhabenden Dänemark rangiert Irland heute ganz oben auf der Wohlstandsrangliste der Nationen, in der Welt wie der EU.

Brüssel hätte deshalb die Grüne Insel längst vom Nettoempfänger zum Nettozahler umwandeln müssen. Doch dessenungeachtet überweist die EU-Kommission weiterhin pro Jahr rund zwei Milliarden Euro an Dublin, statt von dort etwa eine Milliarde Euro einzuziehen - zur Hilfe für die Südeuropäer und zur Entlastung Deutschlands und der Niederlande.

Die Grafik belegt eindrucksvoll: Die vier Südeuropäer empfingen 1997 knapp 30 Milliarden D-Mark, Deutschland zahlte 22,5 Milliarden D-Mark, also 75 Prozent der Süderweiterung. Ein Jahr ist für sich genommen noch nicht unbedingt repräsentativ, doch eine Untersuchung des Zeitraumes von 1995 bis 2001 führt tendenziell zum selben Ergebnis. Die Südeuropäer erhielten pro Jahr durchschnittlich 15 Milliarden Euro, also rund 30 Milliarden D-Mark. Davon kamen 9,6 Milliarden Euro, sprich 19 Milliarden D-Mark, aus Deutschland, was immer noch rund 62 Prozent sind.

Da das gesamte Brüsseler Zahlenwerk aber nicht ganz vollständig zu sein scheint, um es gelinde auszudrücken, seien diesem Zahlenmaterial Werte der Deutschen Bundesbank gegenübergestellt. Daraus geht hervor, daß Deutschland von 1985 bis 2002 fast 400 Milliarden D-Mark netto für Europa gezahlt hat. Jährlich waren das rund 0,8 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts (BIP), die in die EU abflossen. Als Wachstumspotential fielen diese Milliarden für die Binnenwirtschaft aus. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wurden sie bereits bei der "Verteilung des Bruttoinlandsprodukts" für Brüssel abgezweigt, so daß sie für die "Verwendung des Bruttoinlandsprodukts" nicht mehr zur Verfügung standen, weder für den privaten oder staatlichen Konsum noch für Investitionen in die Unternehmen.

Dieser beträchtliche Kaufkraftverlust über 17 Jahre hinweg hat Deutschlands Binnennachfrage spürbar geschwächt, jedes Jahr erneut, und so unser Wachstum gedrückt. Dies war eine der Ursachen für das unglaublich minimale Wachstum von jahresdurchschnittlich gerade mal 1,4 Prozent während der Zehn-Jahres-Periode 1993 bis 2002, und, kombiniert mit dem Euro-Stabilitäts-Pakt, wird hier geradezu lehrbuchhaft der tendenzielle Abschwung unseres Wachstums von über fünf Prozent 1990 und 1991 bis zur derzeitigen Stagnation nachgezeichnet.

Es ist allerdings nicht so, daß dem durch die Transferzahlungen ausgelösten Wachstumsschwund bei den Nettozahlern ein entsprechender Wachstumsanstieg bei den Nettoempfängern gegenüberstehen würde. Vielmehr war der Wachstumsausfall der Nettozahler mehrfach größer als das vergleichsweise geringe Wachstum der Nettoempfänger Irland, Griechenland, Spanien und Portugal. Es ist absolut vertretbar, für Euro-Land einen jährlichen Wachstumsausfall von 0,5 Prozent anzusetzen. Briten und Schweden hatten 2002 mit 1,7 Prozent Wachstum noch Glück, denn mit dem Stabilitätspakt wäre ihr Wachstum höchstwahrscheinlich auch gegen Null gelaufen, wie bei Deutschen und Niederländern mit 0,2 beziehungsweise 0,3 Prozent.

Es ist schon ein Skandal, daß die Wachstumsbremse Nettozahlungen für die Süd-Erweiterung bisher weder von Gerhard Schröder noch von Romano Prodi analytisch erfaßt, geschweige denn öffentlich anerkannt wurde. Bisher hat Prodi jedenfalls die Süd-Erweiterungssubventionen noch nicht als "dumm" bezeichnet. Der Bundeskanzler sollte gemeinsam mit der Bundesbank endlich die EU deshalb verklagen, statt zu Hause nur unserem Volke das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Als der Bundeskanzler vor Jahresfrist den ersten "blauen Brief" aus Brüssel erhielt, weil unser Haushalt das Drei-Prozent-Limit ankratzte, trieben Iren, Griechen, Portugiesen und Spanier mit vier bis fünf Prozent Inflation die Geldentwertung in ganz Euro-Land jahresdurchschnittlich auf 2,2 und 2,4 Prozent hoch, also über das EZB-Limit hinaus. Damit blockierten die vier Völker dringend erforderliche rechtzeitige Zinssenkungen der EZB. Die Nettozahlungen der Nordeuropäer waren so hoch, so enorm, so stark, daß diese in Südeuropa die Inflation anheizten, ja geradezu schürten. Das mangelhafte, sattsam bekannte südeuropäische Stabilitätsbewußtsein muß die EZB erwartet haben, denn sonst hätte sie das eigene Limit mit zwei Prozent nicht so deutlich unter dem Euro-Land-Limit von drei Prozent angesetzt. Die EU leistet sich folglich gegen alle Regeln der Organisationswissenschaft zwei unterschiedliche Maßstäbe zur Sicherung der Euro-Stabilität. Dies spricht weder für fachliche Qualifikation noch für sorgsame, verantwortungsbewußte Arbeit der EU-Kommissare bei der Euro-Einführung.

Den Stabilitäts-pakt hat Theo Waigel der Kommission nur deshalb regelrecht aufdrängen müssen, weil die Südeuropäer allesamt gegen frühere Absprachen dann doch von Beginn an für den Euro zugelassen wurden. Vergeblich hat Helmut Kohl sich dem vorzeitigen Euro-Beitritt der Italiener entgegengestemmt, wie auch dem der anderen Südeuropäer. François Mitterrand hat sie über seinen langjährigen vertrauten Parteifreund an der Spitze der EU-Kommission, Jacques Delores, am deutschen Regierungschef und dessen Finanzminister vorbei in den Euro hineingeschleust. Paris und die französischen Sozialisten sind folglich für den "dummen" Euro-Stabilitätspakt verantwortlich.

Die enormen Süd-Erweiterungs-Nettozahlungen hatten in Südeuropa das Geldmengenwachstum derartig beschleunigt, daß die Inflation dort zeitweise auf fünf Prozent stieg. Euro-Schwäche und Mini-Wachstum wurden in Euro-Land weniger über deutsche oder französische Defizite ausgelöst, sondern vielmehr über die limit-überschreitende Inflation der Südeuropäer, die Brüssel wiederum mit überhöhten Nettozahlungen begünstigt hatte. In Brüssel löste die überzogene Inflation der Südeuropäer nur harmlose, substantiell völlig bedeutungslose Mahnungen und "blaue Briefe" aus. Das gilt besonders für die Iren, die uns deshalb über drei Jahre hinweg über vier Prozent Inflation bescherten und damit niedrigere Zinsen blockierten.

Von derartigen Problemen frei konnte der US-amerikanische Notenbankchef Allen Greenspan innerhalb eines Jahres die Zinsen von sechs auf 1,25 Prozent senken. Mit diesem fantastisch niedrigen Zinsniveau konnten die Vereinigten Staaten das konjunkturelle Tief im Jahre 2001 mit 0,3 Prozent Wachstum überraschend schnell überwinden. Trotz des 11. Septembers, trotz Terrorismus und Irak-Konflikt schafften die Amerikaner bereits 2002 wieder ein reales Wachstum von 2,4 Prozent. Danach hätten sich alle Mitglieder der Euro-Gemeinschaft alle zehn Finger abgeleckt - Hans Eichel vielleicht sogar noch alle Fußzehen, wenn er so weit runter kommen würde. Mehr noch als sein Kanzler und Parteivorsitzender Gerhard Schröder war nämlich er es gewesen, der bis zur Wahl stets der Bevölkerung das nur 1,4 Prozent betragende Wirtschaftswachstum als das höchste deutsche Wachstum der neunziger Jahre präsentiert hatte. Diesen Erfolgsmeldungen hatte die Union ziemlich rat- und tatenlos gegenübergestanden.

Greenspans niedrige Zinsen kurbelten in den USA die Bauwirtschaft an als Ersatz für die abgetauchte New Economy. Das begünstigte Beschäftigung und Wachstum. In der Bundesrepublik hingegen gab es für die Bauwirtschaft in Ost und West sowie für Infrastrukturinvestitionen keine Impulse. Statt dessen gab es hohe Haushaltsdefizite, weil die Haushalte unter hohen Schuldzinsen infolge ausgebliebener EZB-Zinssenkungen zu leiden hatten. Bereits ein Prozent niedrigere Zinsen entlastet alle öffentlichen Haushalte um rund 15 Milliarden Euro pro Jahr, und zwei Prozent niedrigere Zinsen gar um 30 Milliarden Euro. Deutschland wie Frankreich hätten dann ihre Haushalts-Limite kaum überschritten, aber gewiß beim Wachstum etwas zugelegt.

Warum eigentlich hat Romano Prodi die überhöhten EU-Nettozahlungen an die Südeuropäer nicht einfach halbiert, um damit deren Inflation wenigstens abzubremsen? Eigentlich die einfachste und wirkungsvollste Maßnahme, die ja als Rechenaufgabe zur Zinsrechnung von manchem Hauptschul-Siebenkläßler gelöst wird. Jedenfalls könnte die Halbierung der Nettozahlungen an Brüssel in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien zusätzliches Wachs-

tum auslösen, ohne deshalb bei Iren, Griechen, Portugiesen und Spaniern deren Wachstum zu drosseln, wenn denn das vorhandene "dumme" Instrumentarium wenigstens halbwegs vernünftig und sinnvoll eingesetzt würde. Das trotzdem nichts passiert, läßt den Schluß zu, daß das, was sich in Brüssel wirtschaftspolitisch abspielt, nicht nur Unfähigkeit gepaart mit Korruption ist, sondern schlichtweg Mißmanagement par excellence. Daran sind nicht nur die EU-Kommissare beteiligt, sondern alle 15 EU-Staats- und Regierungschefs kraft ihrer Richtlinienkompetenz. 
 
     
     
 
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