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Das Ansehen des Außenministers habe "Kratzer abbekommen", räusperten sich die überraschten Medien noch vor kurzem. Spätestens seit dieser Woche sind die Kratzer zu tiefen Rissen gereift; unter den Hammerschlägen immer neuer, immer schlimmerer Enthüllungen droht der Sockel, auf dem Joschka Fischer s politisches Überleben ruht, zu bersten.
Fischers Kapital war sein von ihm selbst und hilfreichen Medien sorgsam aufgebautes Image. Dem ideologischen Amok seiner Frühzeit in den 70ern schien er längst entwachsen zu sein, aus den Grabenkämpfen seiner Partei in den 80ern war er als deren Übervater hervorgegangen. Mit Amtsantritt als Außenminister 1998 mauserte er sich schließlich schnell zum Ebenbild des "pragmatischen Machtmenschen mit Fingerspitzengefühl", als der jeder Außenminister gerne durchgeht.
Was vergangenes Wochenende zutage trat, wirft indes ein völlig anderes Bild auf den soeben noch beliebtesten deutschen Politiker. Fischer war nicht nur von Anfang an federführend beim berüchtigten Visa-Erlaß, was er selbst vor seinen eigenen Parteigenossen zu verbrämen trachtete, indem er ihn fortwährend "Volmer-Erlaß" nannte.
Fischer und seine engste Umgebung haben sich auch mit einer unbeschreiblichen Mischung aus Ignoranz, Überheblichkeit und ideologischer Verbohrtheit über die schon wenige Wochen nach Inkrafttreten der Direktive Anfang 2000 waschkörbeweise eingehenden Warnungen, Einwände und Hilferufe etlicher Auslandsvertretungen hinweggesetzt. Wenn Botschafter auf die Unhaltbarkeit der (von Fischer verantworteten) neuen Einreisebestimmungen hinwiesen, wurde sie brasch auf die "neue Linie" verdonnert, der sie gefälligst zu folgen hätten, egal welche Ergebisse dabei herauskommen.
Wer die Grünen längst in der von der Ideologie weitgehend entschlackten "neuen Mitte" angekommen sehen wollte, wurde nun ausgerechnet von Fischer bitter enttäuscht. War denn die mit viel staatsmännischem Pathos umrahmte Pose des verantwortungsbewußten Politikers mit Weit- und Weltblick nur Fassade, hinter der die längst vergessenen ideologischen Verirrungen stur weiter gediehen? Genauso scheint es.
Bislang galt lediglich Umweltminister Trittin als Ausreißer, dem Ideolgie, seine Feindschaft zum Kapitalismus und seine tiefe Abneigung gegen Deutschland (dessen Wirtschaftskrise ihn offenkundig kaltläßt) wichtiger waren als praktische Verantwortung. Nun präsentiert sich uns der Außenminister in genau dem gleichen Licht.
Wie das Tüpfelchen aufs in paßt dazu das bärbeißige Beharren der Grünen auf der von ihnen selbst noch erheblich verschärften Form des "Antidiskriminierungsgesetzes", kurz ADG. Jetzt, da der Blick auf das ideologische Unterholz der Fischer-Partei gleichsam schockgeschärft wurde, tritt auch endlich wieder ins Blickfeld, was eine weitere Spitzengrüne diesem Land im Begriff ist anzutun: Verbraucherschutzministerin Künast verhindert mit ihrer Blockade der Gentechnik, daß Deutschland den Anschluß behält an eine Technologie, die für den Stellenwert einer Volkswirtschaft bald so bedeutend werden könnte wie die Computerbranche - deutsche Gen-Wissenschaftler gehen über die Grenzen, weil sie im Ausland dürfen, was ihnen hier verwehrt wird.
Das alles zusammen löst beim Regierungspartner SPD erhebliche Verunsicherung aus, bei den wahlkämpfenden Nordrhein-Westfalen mehren sich gar Anzeichen für offene Panik: Illegale Ausländer werden massenhaft reingelassen, Zukunftstechnologien hingegen außer Landes gedrängt, die heimische Wirtschaft via ADG mit noch mehr Bürokratie drangsaliert und mit Öko-Abgaben gedeckelt, die dann für eine hochsubventonierte Windkraft verschleudert werden, die niemals in der Geschichte rationell wird funktionieren können.
Das ist angesichts von 5,2 Millionen Arbeitslosen ein bißchen viel für den Wählergeschmack. Wenn jetzt jene Simmen der NRW-SPD immer lauter werden, die - ein absolutes Novum - die rot-grüne Koalition in Düsseldorf nur wenige Wochen vor dem regulären Wahltermin am 22. Mai aufkündigen wollen, so macht dies nur deutlich, daß die anfängliche Verärgerung über den grünen Partner nackter Angst gewichen ist, von ihm in die Tiefe gerissen zu werden. Daß sich ausgrechnet der Vorzeige-"Realo" Joschka Fischer in dieser Sitaution als unbelehrbarer Ideologe erwiesen hat - das konnte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt geschehen. Eigentlich kann Steinbrücks Regierung jetzt nur noch auf einen kapitalen Fehler der Union hoffen. Elisa Wachtner |
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