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Wieder einmal gibt ein Bericht der "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" (OECD) den Deutschen schlechte Noten: Es fehlen angeblich in Deutschland Akademiker. Mehr junge Menschen müßten auf die Hochschulen, und es würden mehr Absolventen gebraucht. Die daraus resultierende Forderung nach mehr Geld mag ja manchen zu Paß kommen und auch - aus anderen Gründen - zu Recht erhoben werden. Die Aussagen im OECD-Bericht und ihres Sprechers Schleicher sind, wie so oft, einseitig und allein zahlengläubig.
Was heißt es denn, wenn in Island , Australien, Polen, Italien oder auch den USA der Anteil der Hochschulabsolventen deutlich über dem in Deutschland liegt? Soll der Vergleich seriös sein, muß auch untersucht werden, was in manchen Ländern alles als "Hochschulabsolvent" durchgeht. Man kann ja durchaus der Meinung sein, daß für bestimmte Berufe, die heute keinen Hochschulabschluß erfordern, ein Studium denkbar sei. Erforderlich wäre dies aber nur, wenn die Berufsfähigkeit sonst nicht gegeben ist. Hier wird immer wieder das Beispiel der Krankenschwester strapaziert. Die Frage muß also lauten, ist es geboten, diesen Beruf zu "akademisieren"? Wenn ja, gehört er an die Hochschule. Jedenfalls ist die pauschale Klage über zu wenig Hochschulabsolventen weder aussage- noch beweiskräftig.
Deutsche Professoren würden sich deutlich dagegen verwahren, wenn ihre Universitäten oder Fachhochschulen mit manchem, was sich University oder College nennt, in einen Topf geworfen würde. Bei den Absolventen tut man es.
Da heißt es weiter, der Anteil von Hochschulabsolventen steige zu langsam, um den Fachkräftemangel aufzufangen? In welchen Bereichen besteht er? Und selbst wenn man heute feststellt, es fehlten Ingenieure, eine Aussage für die Zukunft bleibt vage. Wie wenig Planung etwas ausrichten kann, zeigt das Beispiel der Lehrerausbildung.
Über viele Jahre hatten wir uns an Meldungen über arbeitslose Lehrer gewöhnt; vor dem Studium des Lehrfachs wurde gewarnt. Die Folge waren zurückgehende Zahlen der Studierenden. Dann fehlten Lehrer. Es wurde geworben; bald gab es zu viele und man warnte vor dem Studium. Als die Hinweise wirkten, waren es zu wenige. Man rührte die Werbetrommel, und so weiter.
Es führt auch nicht weiter, wenn gefordert wird, die Planungen über den Bedarf müßten weitsichtiger sein. In der Tat ist es schwer nachvollziehbar, daß in einem Bereich, in dem der Staat das Einstellungsmonopol hat und mindestens die Zahl der Erstklässler sechs Jahre vorher feststeht, immer wieder jener Wechsel von Überangebot und Mangel eintritt. Aber auch wenn die Planungen besser wären und ständig fortgeschrieben und korrigiert würden - eine befriedigende Lösung käme kaum zustande.
Glauben die Autoren allen Ernstes, allein ein Werben um mehr Studierende und ein größerer Ausstoß löse das Problem, wenn gleichzeitig über die mangelnde Studierfähigkeit geklagt wird?
Die Befähigung, ein Studium mit Erfolg zu absolvieren, ist nicht allen gegeben, welche die Abschlußprüfung der Schule bewältigt oder eine formale Berechtigung zum Studium auf andere Weise erworben haben. Auch wenn die Schule noch so große Anstrengungen unternimmt - es wird weiter ungeeignete Studenten geben. Das wird bei einem gestuften Ausbildungssystem mit dem Bachelorabschluß nicht anders werden, auch wenn ein Grund für die Einführung die Erwartung ist, die geringeren Anforderungen im Verhältnis zum Diplom würden zu weniger Studienabbrüchen führen. Auch eine von manchen geforderte Auswahl der eigenen Studierenden und Hochschuleingangsprüfungen würden daran nichts Grundsätzliches ändern. Im übrigen: Studienabbrecher, überforderte und nicht erfolgreiche Studenten hat es zu allen Zeiten gegeben. Allerdings fiel es weniger auf, wenn von 300000 Studierenden ein Anteil von zehn Prozent das Studium abbrach oder das Examen nicht bestand, als wenn es der gleiche Anteil von zwei Millionen ist (oder 30000 zu 200000). Wenn das schon jetzt so ist, dann mag es zwar sein, daß in sogenannten bildungsfernen Schichten unentdeckte Befähigungen ruhen, die es zu wecken gilt. Das Problem, daß ein Teil nicht studierfähig ist, aber bleibt. Und dann soll die Zahl der Hochschulabsolventen erhöht werden!
Anstatt das duale System zu unterstützen, wird es heruntergeredet, indem Schleicher behauptet, es sei ein Angebot für einen schrumpfenden Bereich. Doch dafür fehlt es an Beweisen. Hier kommt der bei ihm erkennbare Vorbehalt gegenüber der dualen Ausbildung zum Vorschein.
Richtig ist, daß die Beteiligung an Weiterbildungsveranstaltungen zu niedrig ist. Aber auch hier vermißt man jeden Zusammenhang. Der Umfang der Urlaubsansprüche der Mitarbeiter macht es für Unternehmen fast unmöglich, an sich nötige und wünschenswerte Weiterbildungsprogramme zu beschicken. Hier muß man zur Kenntnis nehmen, daß Länder mit einem höheren Anteil an Wahrnehmung entsprechender Offerten viel geringere Urlaubszeiten in den Unternehmen aufweisen. Dann ist eine zusätzliche Abwesenheit eher zu verkraften. Die Idee, daß Weiterbildung auch im Interesse des einzelnen ist und dafür womöglich auch einmal ein paar Urlaubstage geopfert werden könnten, wird wohl nur der äußern, den es nicht tangiert, wenn die Reaktion so ähnlich ausfällt wie auf den Vorschlag von Bundesminister Steinbrück, daß man beim Sparen auch einmal an den Verzicht auf eine Urlaubsreise denken könnte ... |
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