|
Als vor mehr als einem halben Jahrhundert die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde, konnte sie schon wegen des ganz besonderen weltpolitischen Umfelds auf den Aufbau eines im Inland tätigen Nachrichtendienstes nicht verzichten. Der Name war zugleich Programm: Nicht die jeweiligen Machthaber in diesem neuen, demokratischen Staate sollten - vor wem auch immer - geschützt werden, sondern die Verfassung. Und in jenen Zeiten des Kalten Krieg es gab es jede Menge Verfassungsfeinde.
Vor allem im kommunistischen Lager galt das geteilte Deutschland als geeigneter Ansatzpunkt für die Weltrevolution. Gemäß Leninscher Tradition spielte dabei die Aushöhlung des verhaßten „kapitalistischen“ Systems von innen heraus eine wesentliche Rolle; linke Ideologen und Idealisten wurden als willige Helfer gesucht - und ließen sich gern finden.
Nach den Umbrüchen von 1989/90 hat sich die Situation gründlich gewandelt. Mit dem angeblichen Tod des Kommunismus ist nach offizieller Lesart das Feindbild abhanden gekommen. Der Verfassungsschutz suchte als Ausweg aus der Existenzkrise ein neues Feindbild - und fand es rechts. Hier setzt die Kritik der Autoren dieses Sammelbandes an. Juristen, Publizisten, Politiker und Wissenschaftler kommen, zum Teil auf Grund eigener Erfahrungen, übereinstimmend zu dem bedrückenden Ergebnis, daß ausgerechnet jene Institution, die eigentlich Machtmißbrauch verhindern soll, zunehmend selber zum Instrument des Machtmißbrauchs wird.
Einer der beiden Herausgeber, Prof. Knütter, hat kurz nach Erscheinen des Buches selber erleben müssen, wie eng bereits die Verzahnungen zwischen Political-correctness-Ideologen, Verfassungsschützern und politisch Handelnden ist. Mit der geschickt lancierten Behauptung, der Bonner Politologe stehe unter geheimdienstlicher Beobachtung als Extremismus-Verdächtiger, gelang es linken „Antifaschisten“, Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion in Stuttgart zur Ausladung des als Totalitarismus-Experte zu einer Parlamentsanhörung Geladenen zu bewegen.
Knütter und seinem Mitherausgeber Stefan Winckler gelang es, einen Kreis kompetenter Ko-Autoren zu gewinnen. Genannt seien Caspar von Schrenck-Notzing, Gründer der Zeitschrift „Criticón“, Martin Hohmann, wertebewußter CDU-Bundestagsabge-ordneter aus Fulda, oder Bernd Kallina, Politikwissenschaftler und Rundfunkjournalist.
Auch wenn die Beiträge des Bandes von einem gleichbleibend hohen Niveau gekennzeichnet sind, darf man einen Text doch besonders hervorheben: Heinrich Lummer schreibt unter dem Titel „Demokratie und Denunziation“ über „V-Leute im freiheitlichen Staat“. Der CDU-Politiker, der einst als Berliner Innensenator selbst für den Schutz der Verfassung verantwortlich zeichnete, läßt sich mit flotter Feder über Schlapphüte und Ledermäntel aus. Das liest sich recht unterhaltsam und hat zudem den Vorzug, daß hier der Blick auf Perspektiven und Zusammenhänge gelenkt wird, die den meisten Lesern bislang verborgen blieben.
Erfreulicherweise beschränkt sich das Buch nicht auf massive Kritik an einer Reihe von Fehlentwicklungen, sondern leistet immer wieder auch konstruktive Beiträge in Form von Verbesserungsvorschlägen im Sinne des freiheitlichen Rechtsstaates. Was manchem „Verfassungsschützer“ wohl auch schon wieder zu weit „rechts“ erscheinen dürfte. Nina Schulte
Hans-Helmuth Knütter / Stefan Winckler (Hrsg.): „Der Verfassungsschutz. Auf der Suche nach dem verlorenen Feind“. Universitas-Verlag, München. ISBN 3-8004-1407-4. 441 Seiten. Preis: 49,90 DM
|
|