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Obwohl die Briten den Arabern im Ersten Weltkrieg für deren Waffenhilfe gegen das mit Deutschland verbündete Osmanische Reich die Unabhängigkeit versprochen hatten, teilen die Alliierten auf einer vom 19. bis 26. April 1920 in San Remo tagenden Konferenz Arabien unter sich auf. Während Großbritannien ein Völkerbundsmandat für Mesopotamien und Palästina erhalten soll, wird Frankreich Syrien einschließlich des heutigen Libanon zugesprochen. Derart politisch gedeckt, führen die Franzosen ein Vierteljahr später in Syrien einen Regimewechsel durch. Der König des Vereinigten Königreiches von Syrien, Feisal, wird vertrieben und ein Kolonialregime installiert. Entsprechend dem Prinzip "teile und herrsche" wird der Libanon als eigenständiger Staat aus Syrien ausgegliedert. Als die Franzosen wider ihren vom Völkerbund erhaltenen Auftrag Syrien und Libanon eine Verfassung vorenthalten, kommt es zu einem Aufstand der Drusen, der von Frankreich brutal niedergeschlagen wird. Bei der Restauration ihrer Herrschaft können sich die Franzosen auf die im Libanon relativ zahlreichen Christen stützen, die mit den Besatzern kollaborieren. Nach jahrelangen Verhandlungen sagen die Franzosen am 9. September 1936 in je einem eigenen Vertrag Syrien wie dem Libanon die Unabhängigkeit nach drei Jahren zu. 1938 verweigert die französische Nationalversammlung jedoch die Ratifizierung der Verträge und damit Syrien wie dem Libanon die Unabhängigkeit. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und dem deutsch-französischen Waffenstillstand von Compiégne steht das Kolonialregime loyal zur französischen Regierung in Vichy. Daraufhin marschieren britische Truppen, unterstützt von Einheiten Charles de Gaulles, von Palästina aus in Syrien ein. Noch am selben Tag verspricht de Gaulle beziehungsweise sein Beauftragter vor Ort, Georges Catroux, Syrien und Libanon die Unabhängigkeit für den Fall einer militärischen Unterstützung im Kampf gegen die Deutschen. Nun sollte man meinen, daß die Libanesen nach den Erfahrungen mit den Briten aus Schaden klug geworden wären und erkannt hätten, wie es um die Wahrheitsliebe des Westens bestellt ist und was seine Versprechungen wert sind. Und dennoch reagieren die Libanesen mit einer unglaublichen Naivität und Gutgläubigkeit. Wie die britische im Ersten Weltkrieg ist nun auch die Lüge der Franzosen im Zweiten erfolgreich.
Wie die Araber im Ersten Weltkrieg kämpfen nun auch die Libanesen mit viel Engagement und Opferbereitschaft für die Sache des Westens. Im September und November 1941 wird formal die Unabhängigkeit Syriens und des Libanon proklamiert, was allerdings nichts daran ändert, daß de facto beide französisch bleiben. Als sich der Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg abzeichnet, müssen die Libanesen erkennen, daß die siegreichen Franzosen genausowenig daran denken, ihr Unabhängigkeitsversprechen einzulösen, wie die Briten es nach dem Sieg im Ersten Weltkrieg getan hatten. Die Briten, die mit den Franzosen schon seit langem um die Vorherrschaft in dieser Region konkurrieren, und die US-Amerikaner zwingen jedoch die Franzosen, die Verwaltung ab 1944 schrittweise syrischer und libanesischer Kontrolle zu unterstellen. Am 31. Dezember 1946 wird Libanon mit dem Abzug der letzten französischen Soldaten und Beamten souverän. (M. R.) |
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