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Kaum eine Reform hat die Gemüter so sehr erregt wie die sogenannte Rechtschreibreform. Man wollte die Orthographie vereinfachen, sagten die Reformer. Schüler hätten zunehmend Schwierigkeiten, die oft gewiß nicht einfachen Regeln der deutschen Sprache zu beherrschen. Wie bitte haben es Generationen vor ihnen geschafft? Also mußte eine Reform her. Als das Kind längst in den Brunnen gefallen war, die Schreibweise so vieler liebgewonnener Wörter radikal geändert wurde, war plötzlich Protest zu vernehmen. Schriftsteller gingen auf die Barrikaden und weigerten sich, ihre Werke nunmehr im neuen Deutsch zu schreiben; Zeitungsredaktionen blieben beim Althergebrachten (wie Das ) oder entwarfen hauseigene Versionen. Viele Schüler aber kämpfen weiterhin gegen und mit den neuen Regeln. Die Verwirrung war vorprogrammiert.
"Solange niemand eine sowohl stimmige als auch allgemeiner Zustimmung gewisse Rechtschreibreform vorzuschlag en vermag, sollte man bei der herkömmlichen Orthographie bleiben", so Theodor Ickler vom Institut für Germanistik an der Universität Erlangen. "Sie funktioniert ausgezeichnet, findet breiteste Anerkennung und ist anpassungsfähig genug, sprachliche Neuentwicklungen aufzunehmen." Und so machte man sich daran, eine "vom Duden unabhängige Neudarstellung des wirklichen Schreibgebrauchs" zusammenzustellen und zunächst in einer kleinen Auflage zu veröffentlichen. Daraufhin gingen Verbesserungsvorschläge ein, die in der nunmehr vorliegenden Fassung berücksichtigt wurden. Entstanden ist Das Rechtschreibwörterbuch (Leibniz Verlag, 56329 St. Goar. 520 Seiten, geb., 29,80 DM) mit einer Anleitung zum richtigen Schreiben und einem ausführlichen Wörterverzeichnis, das allerdings auf Erläuterungen verzichtet, aber auch Namen bedeutender Deutscher, darunter die der Ostdeutschland Agnes Miegel, E.T.A. Hoffmann oder Max und Bruno Taut, erwähnt. Von Schmant bis Gyros, von Zoom bis Zagel haben Ausdrücke aus allen Lebensbereichen Aufnahme gefunden. Selbst die alte Krönungsstadt der preußischen Könige wurde für würdig befunden, mit ihrem guten deutschen Namen aufgenommen zu werden. Eine "kurze Anleitung zum rechten Schreiben" und die Hauptregeln der deutschen Orthographie ergänzen dieses wertvolle Nachschlagewerk.
Mit der deutschen Sprache beschäftigt sich auch eine andere Neuerscheinung, allerdings auf eine ganz andere Art. Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Dortmund, und Wolfgang Sauer, Professor für Sprachwissenschaft an der Universität Hannover, haben sich Gedanken gemacht über Mißverständnisse, Vorurteile und Denkfehler. Entstanden ist ein Lexikon der populären Sprachirrtümer (Eichborn Verlag, Frankfurt/Main. 240 Seiten, 39,80 DM). In sechs thematisch gegliederten Kapiteln (Essen und Trinken, Menschen und Gefühle, Fauna und Flora, Geld und Gut, Raum und Zeit, Wirtschaft und Gesellschaft) führen die Autoren ihre Leser über das glatte Parkett der deutschen Sprache, leiten sie sicher zurück zu ihren Ursprüngen und öffnen die Augen für gar Erstaunliches. Wenn auch für viele Kenner so manche Sprach-irrtümer "olle Kamellen" (keinesfalls nach alten Bonbons benannt, sondern nach alten "Kamillen", die durch lange Lagerung ihre Wirkung verlieren) sind, so findet sich auch für diese sicher noch so manche Erleuchtung. Gerade in einer Zeit, da die englische Sprache in immer mehr Lebensgebiete Einzug hält, sind Erläuterungen über "standing ovations" (die keineswegs im Stehen abgehalten werden, sondern für "anhaltend, andauernd" stehen) oder "Handys" (die es nur im deutschen Sprachgebrauch gibt, im englischen heißen sie "mobile") und Smoking (der in England "dinner jakett" heißt) besonders entlarvend. Viele Wörter und Begriffe sind im laufe der Jahrhunderte verballhornt worden, um so notwendiger scheint ein solches Lexikon, das darüber hinaus auf humorvolle Art auf Irrtümer aufmerksam macht. Johann Ballhorn war übrigens ein Lübecker Buchdrucker, der 1856 einen Text ohne Korrekturen in den Satz gab und somit für große Aufregung sorgte, handelte es sich doch um eine Ausgabe des Lübecker Rechts ... Peter van Lohuizen
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