|
Nachdem Fritz M. Fend bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges an Fahrwerkskonstruktionen für die ersten Düsenjäger mitgearbeitet hatte, zog er seine Uniform aus und verdingte sich als Knecht für wöchentlich 8,50 Mark bei einem Bauern, um nicht von den Kriegssiegern und Besatzern als lukrative lebende Kriegsbeute in deren Heimat deportiert zu werden. Nach einer kurzen Praktikantenzeit in einer Gießerei erreichte den Mittzwanziger die Nachricht seines Vaters, daß die US-amerikanische Besatzungsmacht ihn seinen Lebensmittelladen in Rosenheim nicht weiterführen ließ, und so übernahm der technisch begabte Sohn nolens volens 1946 den elterlichen Betrieb.
Er wollte oder konnte vom Tüfteln jedoch nicht lassen, und so beschäftigte er sich in seiner Freizeit mit Planungen für ein Fahrrad mit Wetterschutz, das er im regnerischen und inzwischen auch armen Deutschland für das Fortbewegungsmittel der Zukunft hielt. Ursprünglich hatte Fend für sein Fahrzeug an einen Fuß-Pendel-Antrieb gedacht, doch entwickelte er schließlich ein dreirädriges Invalidenfahrzeug mit einem Sitz und einem Hebel in der Mitte, mit dem sich das Fahrzeug wie ein Holländer sowohl lenken als auch vorantreiben ließ.
Der Markt hierfür war durch den vorangegangenen Krieg leider da, und da der Kriegsinvalidenverband die Produktion unterstützte, konnte er bei der Materialzuteilung durch die Besatzer mit einer bevorzugten Behandlung rechnen, was in jenen Jahren von kaum zu überschätzendem Wert war. Fends Ehrgeiz ging jedoch weiter. Er versah sein Dreirad mit einem viereinhalb PS leistenden hundert Kubikzentimeter großen Riedel-Motor mit liegendem Zylinder. Auch dieses Produkt verkaufte sich gut, und die Kapazitätsgrenzen seiner Fertigungsstätte waren bald erreicht.
Die Suche nach ungenutzten Kapazitäten führte ihn zu dem Konstrukteur so berühmter Maschinen wie der Me 108, Me 109, Me 110 und Me 262, Willy Messerschmitt, der nach dem den Deutschen auferlegten Verbot, Flugzeuge zu bauen, nach guten Produkten für die Auslastung seiner Produktionshallen suchte. Fends motorisierten Einsitzer wollte Messerschmitt nicht bauen, doch einigten sich die beiden auf die Konstruktion und den Bau eines Kabinenrollers mit zwei hintereinander angeordneten Sitzen und einer Plexiglashaube, die sich zum Einstieg seitlich wegklappen ließ. Der Zweisitzer sollte bei Fend in Rosenheim entwickelt und bei Messerschmitt in Regensburg produziert werden.
Bereits rund ein Jahr nachdem man sich handelseinig geworden war, am 19. März 1953, wurde der aus der Zusammenarbeit hervorgegangene Messerschmitt KR 175 der Öffentlichkeit offiziell vorgestellt. Der Name "Messerschmitt" versprach Sportlichkeit, "KR" stand für Kabinenroller, und knapp 175 Kubikzentimeter betrug der Hubraum des luftgekühlten und vor dem Hinterrad angebrachten Ein-Zylinder-zwei-Takt-Motors von Fichtel & Sachs. Der "überdachte Motorroller" fand seine seinerzeit gar nicht einmal so kleine Marktnische zwischen den motorisierten Zweirädern auf der einen Seite und den Kleinwagen auf der anderen. 19 688 Stück wurden von dem anfänglich "nur" 2100 Mark teuren Gefährt verkauft.
Es ging in Westdeutschland aufwärts, und so wurde rund zwei Jahre nach seiner Vorstellung der KR 175 durch den KR 200 abgelöst. Wie die Bezeichnungen bereits erahnen lassen, war das Antriebsaggregat des Nachfolgers rund 25 Kubikzentimeter größer. Die PS-Zahl stieg von neun auf zehn und erlaubte dem "Düsenjäger des kleinen Mannes" eine Beschleunigung von null auf 80 Stundenkilometer in 35 Sekunden. Die Wertsteigerung beschränkte sich jedoch nicht auf den Motor, und so war auch der KR 200 wenigstens anfänglich ein Verkaufsschlager. Allein im ersten Produktionsjahr wurden 11 909 Stück verkauft.
Durch das "Wirtschaftswunder" ging jedoch der Trend in wachsendem Maße zu größeren, luxuriöseren Mobilen mit nebeneinanderliegenden Sitzen, und so wurde der Ausstoß zunehmend über den Preis verkauft, bis die Gewinnspanne schließlich ins Negative rutschte. Als die Bundesrepublik dann die Erteilung von lukrativen Flugzeugaufträgen vom Verzicht auf die defizitäre Kabinenrollerproduktion abhängig machte, um zu verhindern, daß ihre für den Flugzeugbau bestimmten Subventionen zweckentfremdet wurden, verkaufte Messerschmitt seine Anlagen für die Produktion der "Käseglocke" Mitte 1956 an den bayrischen Staat.
Das war die Chance für Fritz M. Fend. Am 15. Januar 1957 gründete er mit einem Karo-Zulieferer die Fahrzeug- und Maschinenbau GmbH, Regensburg, (FMR) und übernahm vom Freistaat die Fabrikationsanlagen. Aus dem Messerschmitt- wurde der FMR-Kabinenroller. Fend bemühte sich um die Senkung der Produktionskosten und erweiterte die Karo-Produktpalette außer um ein Cabrio auf der Basis des KR 200, den KR 201, um eine wahlweise mit Plexiglaskuppel oder Faltverdeck zu habende vierrädrige Variante. Da bereits bei der Vorstellung dieses durch das vierte Rad mehr Kurvenfestigkeit besitzenden "Tigers" im September 1957 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt am Main Krupp-Mitarbeiter Fend darauf aufmerksam gemacht hatten, daß für die zu ihrem Unternehmen gehörende Lastkraftwagenmarke "Südwerke" alle Bezeichnungen exotischer Tiere geschützt seien, und das neue Spitzenprodukt der Fahrzeug- und Maschinenbau GmbH einen FMR-Motor von annähernd 500 Kubikzentimetern Größe besaß, wurde aus dem "Tiger" der Tg 500.
Fends Bemühungen konnten den Nachfragerückgang nach Kabinenrollern jedoch nicht ausreichend kompensieren. 1964 wurde bei der Fahrzeug- und Maschinenbau GmbH, die sich bereits 1959 mit der Produktion von Getränke-Automaten ein zweites, systematisch ausgebautes Standbein geschaffen hatte, die Kabinenrollerproduktion eingestellt. Bis dahin sollen neben den bereits erwähnten knapp 20 000 KR 175 45 000 KR 200 und fast 1000 Tg 500 die Produktionsbänder von Messerschmitt und FMR verlassen haben.
|
|