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Daß Deutschland eine klare gesetzliche Regelung der Zuwanderung braucht, ist unbestreitbar. Allzu lebhaft sind noch die 80er und frühen 90er Jahre in Erinnerung, als jährlich bis zu einer halben Million Menschen aus aller Welt zwischen Nordseestrand und Alpenrand das Schlaraffenland vermuteten; von Chile bis Sri Lanka, von Südafrika bis Sibirien galt das simple Wort „Asyl“ als Schlüssel zum Paradies.
Die behutsame Änderung des Asylrechts im Jahre 1993 hatte zwar dazu geführt, daß die Bewerberzahlen deutlich heruntergingen, in eine Größenordnung von um die 100.000 pro Jahr. Aber grundsätzlich war das Problem damit nicht gelöst, zumal die bislang unkontrollierte Zuwanderung aus den Mitgliedsstaaten der EU beziehungsweise den sogenannten Schengen-Staaten sowie im Zuge des Familiennachzugs aus der Türkei davon unbe- rührt blieb.
Hauptproblem war und ist die Tatsache, daß die Anerkennungsquote bei Asylbewerbern stetig weit unter zehn Prozent liegt, daß aber die - folglich weit über 90 Prozent - abgelehnten Bewerber bis auf wenige Ausnahmen überhaupt nicht oder allenfalls nach mehreren Jahren das Land verlassen müssen. Das heißt, nicht allein die Zuwanderung bedarf einer klaren Regelung, es geht vor allem um den illegalen Aufenthalt in Deutschland - beziehungsweise um dessen Einschränkung.
Hier gab es in den letzten Monaten berechtigte Hoffnungen. Bundesinnenminister Otto Schily ging erkennbar auf bürgerlich-konservative Kräfte zu, näherte sich der Linie an, wie sie von CSU-Politikern wie Edmund Stoiber und Günther Beckstein vertreten wird. Die Kernpunkte dieser Linie: Eindämmung des Miß- brauchs, Begrenzung der Zuwanderung und endlich auch die Möglichkeit, selber zu bestimmen, wen wir in unser Land hineinlassen und wen nicht.
Der linke Flügel der SPD, die Grünen und die PDS konnten sich mit dieser Linie natürlich nicht anfreunden. Doch schien es lange, als sei der Bundesinnenminister standhaft. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der nach dem 11. September neu aufgebrochenen Debatte um die innere Sicherheit hatte man den Eindruck, Schily wolle seinen „Otto-Katalog“ tatsächlich mit schwarzer statt mit grüner oder roter Tinte schreiben, doch dann durften die Grünen wieder zum Rotstift greifen: Als „Dank“ für ihre wenn auch halbherzige Zustimmung zu Schröders Afghanistan-Kurs durften sie aus dem Zuwanderungs-Konzept nahezu alles streichen, was ihren alten Multikulti-Träumen zuwiderlief.
Das vom rot-grünen Streichorchester vorgelegte Ergebnis kommentierte Bayerns Innenminister Günther Beckstein so: „Mit dem, was nun vorliegt, wird Zuwanderung weder begrenzt noch gesteuert. Das war und ist für die Union die Meßlatte.“ CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sekundierte: „Das werden wir nicht mittragen.“
So steckt Schily im Dilemma. Erst war er der Union entgegengekommen, um sich einer Mehrheit im Bundesrat zu versichern. Nun muß er zurückrudern, weil er ja auch im Bundestag eine Mehrheit braucht. Beides geht offenbar nicht - auf ein Zuwanderungsrecht, das für die Menschen in Deutschland praktikabel und akzeptabel ist, werden wir wohl bis zur nächsten Legislaturperiode warten müssen.
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