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Wehner: "Leichtfertig ist es, sich selbst dem Gefühl hinzugeben, durch eine Vorwegnahme der dem Friedensvertrag vorbehaltenen Entscheidung über die Grenzen etwas an der tatsächlichen Lage des gespaltenen Deutschlands ändern zu können. Wenn Sie der Meinung sind, man müsse die Grenzfrage vor der friedensverträglichen Regelung als erledigt bezeichnen, so bleibt Ihnen nichts anderes, als sich dann mit der These der sowjetischen Politik abzufinden, mehrere deutsche Staaten hätten einen Friedensvertrag mit den ehemaligen Kriegsgegnern Deutschlands abzuschließen. Wer das Bestreben, soviel wie möglich von Deutschland für die Deutschen zu retten, eine Illusion nennt, der mag das tun. Ich sage das ganz illusionslos. Aber den Menschen zuzumuten, sie sollten das, was mit ihnen geschehen ist, einfach hinnehmen und nicht nur hinnehmen, sondern sogar noch rechtfertigen helfen: das geht über menschliches Vermögen hinaus. Die Bemühungen um die Aussöhnung der Menschen müssen von allen, die das können und die die Kraft dazu haben, angestellt werden. Aber dazu müssen die Menschen in der Bundesrepublik selbst sicher sein, daß auch ihnen gegenüber nicht Unrecht als Recht, nicht Faustrecht als Recht erklärt wird."
"Da Sie fortgesetzt von der Oder-Neiße-Grenze sprechen, will ich doch geltend machen, daß die polnische Regierung ja nicht nur eine Anerkennung dieser Linie als Grenze schon vor einem Friedensvertrag verlangt, sondern außerdem noch unsere Verpflichtung, den von uns losgetretenen Teil Deutschlands, der nach dem Willen seiner Machthaber als deutsche demokratische Republik Völkerrechtssubjekt werden soll, unsererseits zu garantieren. Das ist heute das Paket, das uns die polnische Regierung entgegenhält.
Alles, was jetzt ausgefochten wird, wird von der Gegenseite mit dem Ziel betrieben, von den wirklichen und eigentlichen Verhandlungen über vertragliche Regelungen soviel unabänderliche Tatsachen wie möglich zu schaffen. Und gegen dieses Schaffen unabänderlicher Tatsachen wenden wir uns, dem leisten wir Widerstand."
Gaus: "Wenn Sie damit die Lebensbedingungen der Menschen im geteilten Deutschland erleichtern könnten: wären Sie dann zu einer gegenseitigen Anerkennung der beiden deutschen Teilstaaten bereit, sofern diese Anerkennung verbunden ist mit der beiderseitigen Erklärung, daß es sich nur um einen Übergang handeln soll bis zu einer endgültigen Regelung der deutschen Frage in einem Friedensvertrag?"
Wehner: "Nein, dazu wäre ich nicht bereit unter den heute erkennbaren politischen Gegebenheiten und Absichten der kommunistischen Gegenseite. Die Anerkennung wäre die endgültige Besiegelung der Teilung Deutschlands ..."
Günter Gaus
"Staatserhaltende Opposition
oder hat die SPD kapituliert?/
Gespräche mit Herbert Wehner",
rororo-Taschenbuch, November 1966
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Die Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Frei ist, wer reich ist. Paul Sethe
Publizist, Redakteur bei der
"Frankfurter Allgemeinen"
später bei "Die Welt"tätig
"Der deutsche Rechtsstandpunkt ist etwas, das für die Versöhnung zwischen benachbarten Völkern nicht außer acht gelassen werden darf, sonst wird Versöhnung oder Streben nach Versöhnung zu einer Art Heuchelei. Ich bitte um Entschuldigung, aber Versöhnung oder Recht ist ja eine Art von Unterwerfung. Und die kann keiner wollen, weil sie der weiteren Entwicklung gar nichts nützt.
Wer von uns heute verlangt, wir sollten als Bundesrepublik Deutschland das, was man die Oder-Neiße-Linie nennt, als die deutsche Grenze anerkennen, der verlangt von uns, daß wir mit der Wurst über zwei Zäune nach einem Schinken werfen entschuldigen Sie dieses Bild. Die zwei Zäune, das ist die eine schreckliche Grenze, die mitten durch Deutschland gezogen worden ist und mit Gewalt aufrecht erhalten wird, und der nächste Zaun, das ist die Grenze, die seinerzeit Pieck, Grotewohl, Ulbricht als die Grenze Deutschlands bezeichnet haben, die Oder-Neiße, obwohl sie dazu gar kein Recht hatten. Wir sollen mit der Wurst einer Anerkennung der Bundesrepublik Deutschland für diese von den anderen gezogene Grenze nach dem Schinken des polnischen Wohlwollens werfen. Wir würden die Wurst nicht mehr haben und mit dem Schinken hätte es auch sein Bewenden, denn das einzige, was noch für eine friedensvertragliche Regelung mit Deutschland als Ganzem entscheidend ins Feld geführt werden kann, ist doch wohl unser Anspruch, daß über Deutschland als Ganzes einmal verhandelt werden muß. Daß dabei verhandelt werden muß, so daß um mein Wort zu wiederholen soviel von Deutschland wie möglich für die Deutschen gerettet wird, das ist also wohl unbestritten. Aber dem dienen wir nicht, indem wir von vornherein erklären, eine der wesentlichen Fragen ist schon erledigt, weil die einseitige Annexion von allen anerkannt wird."
Herbert Wehner
Interview mit dem Süddeutschen Rundfunk, Deutscher Ostdienst 1965, Nr. 48
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"Die Dankesworte des polnischen Ministerpräsidenten Cyrankiewicz für de Gaulle und dessen Zustimmung zur Oder-Neiße-Grenze ist von der Bundesregierung nur mit der alten Beschwörung von Vertragstexten beantwortet worden. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Herbert Wehner, nannte diese Haltung schwächlich. "Jetzt rächt sich bitter die Politik der Leisetreterei" gegenüber de Gaulles Einstellung zur Oder-Neiße-Frage. Man frage sich, wie es Erhard habe verantworten können, nach seinem letzten Gespräch mit de Gaulle der Öffentlichkeit mitzuteilen, er stimme völlig mit dem französischen Staatspräsidenten überein. Es sei eben immer nur beschwichtigt und verharmlost worden, weil man sich nicht getraut habe, mit de Gaulle offen zu reden. "Wir werden alle Kraft zusammennehmen müssen, um", wie es Kurt Schumacher formuliert hat, "um jeden Quadratmeter deutschen Boden zu kämpfen." "Wir werden", so heißt es weiter in einer ersten Stellungnahme von Herbert Wehner, "mit de Gaulle offen reden und nicht in Ehrfurcht erstarren, wenn er seinen Finger hebt."
Sozialdemokratischer
Pressedienst, 15.9.65
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