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Seit 1. Januar ist auf österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen ein vollautomatisches Mautsystem in Betrieb, das für alle Lastkraftwagen über 3,5 Tonnen sowie für Autobusse gilt. Es ersetzt die bisher als Aufkleber ("Vignette") zu entrichtende Autobahn-Pauschalgebühr und die Straßenbenutzungsabgabe. Für Personenkraftwagen und Lkw bis 3,5 Tonnen bleibt es bei der als Jahres- oder Wochenpauschale zu entrichtenden Autobahn-Vignette.
Das österreichische System ist keine Neuentwicklung. Vielmehr vergab die aus der Hoheitsverwaltung ausgegliederte Autobahngesellschaft "Asfinag" den Auftrag zur Mauterhebung an die italienische Betreiber firma "Europpass", die innerhalb von 18 Monaten ein "terrestrisches" System nach italienischem Muster errichtete. Alle mautpflichtigen Fahrzeuge müssen mit einer "Go-Box" ausgerüstet sein. An den Kontrollpunkten werden von über der Fahrbahn angebrachten Mikrowellensendern Impulse ausgesendet, die in der Box ein automatisches Abbuchen der kilometerbezogenen Gebühr auslösen. Ob sich das technisch ausgereifte System in der Praxis bewährt, werden erst die Wochen nach Ende der Weihnachtsferien zeigen. Zudem läßt sich schwer abschätzen, in welchem Ausmaß es zur "Maut-Flucht" auf das untergeordnete Straßensystem kommen wird. An der Ostgrenze gab es jedenfalls bereits in den ersten Tagen erhebliche Irritationen mit unvorbereiteten Fahrern aus Osteuropa und der Türkei.
Die Maut-Box, die fünf Euro kostet und an der Windschutzscheibe anzubringen ist, wird an 240 Vertriebsstellen in Österreich sowie mehreren in Deutschland, Italien, Slowenien und Ungarn ausgegeben. Die Verrechnung erfolgt wahlweise im voraus wie bei Wertkarten-Telefonen oder im nachhinein über Kreditkarte. Mautpreller werden mit 220 Euro bestraft.
Die Mautgebühr beträgt je nach Zahl der Achsen 13 bis 27 Cent je Kilometer - und damit beginnen die Querschüsse aus Brüssel. Denn obwohl die Kalkulationsunterlagen bereits 2002 dorthin übermittelt wurden, kommt erst jetzt, zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme, Protest wegen der Höhe der Gebühr. Diese ist zwar tatsächlich höher als etwa in Deutschland vorgesehen, doch berücksichtigt sie - streng nach der EU-Wegekosten-Richtlinie - die entsprechend höheren Errichtungskosten von Bergstrecken.
Mit "Europa" gibt es jetzt schon Ärger genug, zuletzt vor allem wegen der Transitfrage. Nach langwierigen Verhandlungen gelangte nämlich die EU-Kommission zu einem "Kompromiß" - allerdings gegen den Willen Österreichs: Die sogenannte "Öko-Punkte-Regelung" wurde verlängert. Laut Verkehrsminister und Vizekanzler Gorbach (FPÖ) wird Österreich diese Regelung aber nicht umsetzen. Begründung: Da ohnehin fast alle Fahrzeuge ohne die kontin-gentierten "Öko-Punkte" durchfahren könnten, lohne sich der administrative Aufwand nicht.
Es rächt sich heute, was vor zehn Jahren als "großer Erfolg" gefeiert wurde: Die rot-schwarze Koalitionsregierung wollte damals die Grünen "grün" überholen, und statt wie die Schweiz auf einer tonnenmäßigen Beschränkung zu bestehen, wurde auf den Schadstoffausstoß abgestellt. Länderweise kon- tingentiert wurden "Öko-Punkte", die von Transit-Lkws verbraucht werden konnten. Die (absehbare!) Falle dabei: Technischer Fortschritt reduziert den Schadstoffausstoß ohnehin, und so werden heute fast keine "Öko-Punkte" mehr verbraucht. Der Transitverkehr aber hat sich verdoppelt - nicht zuletzt als Umwegverkehr wegen der Schweizer Gewichtsbeschränkung - und die EU-Erweiterung läßt auch in Ostösterreich Schlimmstes befürchten.
Sollte Brüssel, wie angekündigt, beim Europäischen Gerichtshof die Mauthöhe anfechten und die Transit-Regelung erzwingen, wird die "Europafreudigkeit" der Österreicher einem neuen Tiefpunkt zusteuern. R. G. K. |
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