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Wie im Bürgerkrieg

 
     
 
Die geistlichen Würdenträger der unterschiedlichen Religionen haben sich geeinigt. Am Pfingstmontag haben sie ein gemeinsames Papier unterzeichnet, in einem christlichen Gotteshaus sogar, und sie haben ein friedliches Neben- und Miteinander vereinbart.

Drei Jahre dauerten die Verhandlungen. Es war nicht immer leicht, sich über die Regeln des Zusammenlebens zu verständigen, doch Zähigkeit und Geduld haben sich gelohnt. Denn jetzt steht es schwarz auf weiß: Friede soll sein zwischen den Menschen verschiedener Religionen, Kulturen, Volksgruppen. Respektvoll sollen sie miteinander umgehen, keine Hetze soll es geben, alle Seiten wollen auf religiöse Rechthaberei und Emotionalisierung ihrer Differenzen verzichten. Gegen den Fundamentalismus
in den eigenen Reihen will man vorgehen, und der Gewalt haben Religionsführer eine klare Absage erteilt. Der Turban soll sowenig Anlaß sein zur Diskriminierung, wie die freizügige Bekleidung einiger Frauen.

In vier Sprachen wurde das Friedensgebet bei Vertragsbesiegelung gesprochen. Wer glaubt, hier gehe es um das endlich beschlossene Ende der Initifada im Heiligen Land, um die begrabene Streitaxt zwischen israelischen Siedlern und der palästinensischen Hamas, der irrt gründlich. Das Friedensabkommen trägt den traulichen Titel: "Für ein friedliches Zusammenleben in Moabit".

Moabit liegt in Berlin-Mitte, bis zur Bezirksreform, bei der aus 23 Bezirken zwölf gemacht wurden, war es Teil des West-Bezirks Tiergarten. Von den 75.000 Einwohnern sind ein Drittel Ausländer. Die tatsächliche Zahl der Bürger mit "Migrationshintergrund" liegt wegen der Einbürgerungen noch höher. Von hier geht ein Signal aus in die Stadt und das Land: "Die gemeinsame Sprache ist Deutsch als Landessprache", heißt es im Friedenspakt. Wie lange der Kompromiß halten wird, vermag niemand vorauszusagen. Papier ist geduldig, die Verschiebungen innerhalb der Bevölkerung gehen weiter. Wer weiß also, ob eine Antidiskriminierungsbehörde nicht schon in wenigen Jahren befinden wird, daß die Bevorzugung des Deutschen ein durch nichts mehr zu rechtfertigendes Überbleibsel einer überwundenen Epoche darstellt.

In Moabit gibt es, entlang der Spree, attraktive Wohnlagen, auch das Bundesinnenministerium hat hier sein Quartier aufgeschlagen. Doch dahinter beginnt die neue Wirklichkeit. Eine Wohnung ist ausgeschrieben, 130 Quadratmeter groß, 520 Euro Kaltmiete, im sanierten Altbau. Ein Preisverfall, der für sich selbst spricht.

Auf dem Rückweg vom Besichtigungstermin kommt ein Kampfhund von der Größe eines Kalbes angelaufen, erst im letzten Moment macht er auf einen Pfiff hin kehrt, zwei Türken- oder Araberjungen freuen sich diebisch über den Respekt, den sie sich mit ihrer Vorführung verschaffen. Die Wohnung steht noch immer leer.

Konfliktvermittlung ist möglich, heißt es, das Quartiersmanagement hat "Mediatoren" engagiert, die sich strikt neutral verhalten, türkische und arabische Dolmetscher sind vorhanden. Eine Bibliothek wurde für 1,1 Millionen Euro zum "Haus der Nachbarschaft" umgebaut, um "als Kommunikationsplattform im Kiez und als Brücke zwischen den Ethnien, Generationen und Kulturen (zu) dienen". Zwei Wochen nach der Eröffnung ist das Treppenhaus bereits wieder verdreckt. "Die Vielfalt verschiedener Religionen und Kulturen ist eine Bereicherung unseres Stadtteils und unserer Gesellschaft ... Wir können eine Menge voneinander lernen", heißt es im interreligiösen Vertragswerk.

Als ginge es um den Kaffee mit Kardamon, den man in arabischen Läden kauft, oder um die Oliven vom Türken, und nicht um die Zusammenballung von Unterschichten aus aller Herren Länder, die schon zu Hause Unterschichten waren.

Die Arbeitslosigkeit in Moabit liegt bei 25 Prozent. Berlins Ausländerbeauftragter Günter Pienig, ein grüner Sozialarbeiter, verzagt trotzdem nicht. Es gibt massenhaft Arbeit für soviel Projekte, für die man Geld vom Staat beantragen kann - dafür haben er und seinesgleichen gesorgt, indem sie jahrzehntelang eine vernunftgeleitete Bevölkerungs- und Zuwanderungspolitik verhinderten. Das Dokument, das den Deutschen und Christen ein Bleiberecht in Moabit zubilligt wie allen anderen Völkerschaften auch, nennt er "beispielgebend" für die ganze Stadt. Ja, Moabit ist die Zukunft. Nicht nur in Berlin.

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