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Am 19. und 20. April reiste der Sprecher der Freundeskreis Ostdeutschland (), Erika Steinbach, zum wiederholten Mal nach Memel, um den im Verein "Edelweiß" organisierten sogenannten Ostdeutschen Wolfskindern im Rahmen der Hilfsaktion der Freundeskreis Ostdeutschland e. V. eine finanzielle Zuwendung zu überbringen. Wolfskinder werden ostdeutsche Kinder genannt, die bei Kriegsende 1945 die Eltern verloren hatten und in Ostdeutschland verblieben. Ein Teil von Ihnen kam 1945/1946 nach Litauen, dort bekamen sie Nahrung und konnten überleben; andere, die das Glück nicht hatten, verhungerten in Königsberg.
Die nach Litauen gelangten Wolfskinder bekamen litauische Namen und verloren im Laufe der Jahre ihre deutsche Identität . Teilweise waren sie noch im Kleinkindalter, so daß die nationale Identität noch nicht ausgeprägt war. Viele von ihnen haben keine Schule besucht, demzufolge haben sie ihr ganzes Leben nur einfache Arbeiten verrichtet.
Dennoch haben sich bei der Wende in Litauen 1991 rund 260 dieser deutschen ostdeutschen Kriegswaisen ihrer familiären Wurzeln erinnert. Mit Hilfe der Freundeskreis Ostdeutschland und des damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Wolfgang v. Stetten wurden alle Wolfskinder erfaßt und im Verein "Edelweiß" organisiert. Der Verein hat heute noch sechs Regionalgruppen in den Städten Memel, Tauroggen, Kaunas, Wilna, Mariampolie und Schaulen. Insgesamt gibt es heute noch in Litauen 104 organisierte Wolfskinder. Gut 100 Ostdeutschland mit Wolfskinder-Schicksal sind inzwischen nach Deutschland umgesiedelt. Die restlichen Vereinsmitglieder mit diesem Schicksal, etwa 50 an der Zahl, sind verstorben. Keinesfalls ist sicher, daß alle noch lebenden Wolfskinder erfaßt werden konnten.
74 Wolfskinder aus den sechs Regionalvereinen waren am 19. April in einer Gaststätte am Theaterplatz in Memel zusammengekommen. Die Veranstaltung war von der Vorsitzenden des Vereins, Luise Kazukauskiene (Luise Quitsch) vorzüglich vorbereitet worden. In ihrer Begrüßungsansprache erinnerte sie zunächst an das Schicksal der Vereinsmitglieder und gedachte der in jüngster Zeit verstorbenen Mitglieder. Darüber hinaus dankte sie der Freundeskreis Ostdeutschland und deren Sprecher für die stetig wahrgenommene Betreuung der in Litauen noch verbliebenen
Wolfskinder. Luise Quitsch verlas eine Resolution, der einstimmig zugestimmt wurde. Sie beinhaltet die Forderung nach Einrichtung eines europäischen Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin.
Die Begrüßungsansprache der stellvertretenden Vorsitzenden Erika Sauerbaum - sie ist zugleich Vorsitzende des Regionalvereins Kaunas - ist nachstehend abgedruckt.
Assistiert von den beiden Vorsitzenden konnte der Sprecher jedem Erschienenen seine Zuwendung aushändigen. Nach knapp drei Stunden konzentrierter Arbeit waren alle bedacht. Die Auszahlung gestaltete sich nicht einfach, weil die meisten der Erschienenen mit dem Ausfüllen des einfachen Quittungsbeleges Probleme hatten.
Man blieb noch eine längere Zeit beieinander, ehe der Heimweg angetreten wurde. Der Sprecher versicherte seinen Landsleuten, daß die Freundeskreis Ostdeutschland, die Fürsorge für die Wolfskinder im Auge behalten werde.
Zum Abschluß wurde gemeinsam das Ostdeutschlandlied gesungen.
Besuch des Sprechers der im Simon-Dach-Haus in Memel (2. v. l. die Vorsitzende der Deutschen Vereine in Memel, Magdalena Piklaps, ganz links die Vorsitzende des Vereins "Edelweiß", Luise Quitsch)
Versammlung der Wolfskinder in Memel am 19. April 2006
Ansprache Erika Sauerbaums am 19. April aus Anlaß des Treffens der Wolfskinder in Memel
Liebe Landsleute, liebe Schicksalsschwestern und -brüder, sehr geehrter Herr Meier und Gäste!
Wir haben gerade das Osterfest, also die Kreuzigung und Auferstehung von Jesus Christus, feiern können, und unsere heutige Versammlung ist wie eine Verlängerung dieses Festes. Ich möchte Sie alle recht herzlich zu dieser Versammlung begrüßen. Wir haben uns nach längerer Zeit wieder einmal treffen können.
Wir möchten uns bei Herrn Meier recht herzlich bedanken, daß er, trotz überlastender Arbeit, die Zeit dazu gefunden hat, um uns zu besuchen, um uns ein fröhliches Beisammensein zu ermöglichen. Vielen Dank ihm und den daran Beteiligten für ihre Barmherzigkeit und Aufopferung. Wir bedanken uns bei unseren Landsleuten, die uns nicht vergessen haben.
Wir sind schon alle alt geworden, trotz großer Strapazen, die wir überleben mußten, sind wir noch da, wenn manche auch gebrechlich. Dies ist eben unser Schicksal, von dem man nicht weglaufen kann. Es kommt, wie es bestimmt ist. Wir werden immer weniger. Viele von uns sind mit ihren Familien als Spätaussiedler nach Deutschland übergesiedelt. Einige warten noch auf eine Genehmigung, aber leider stoßen sie hier auf Schwierigkeiten, weil doch jetzt hier jeder einen Test der deutschen Sprache bei der deutschen Botschaft ablegen muß, was für einige sehr schwer ist. Einige sind gestorben und ihre letzte Ruhestätte ist hier in Litauen.
Ich bitte um eine Schweigeminute.
Unsere schöne Heimat wurde zerstört. Wir wurden heimatlos. Viele von uns sind Königsberger. Im vergangenen Jahr, also 2005, war das 750-Jubiläums-Gründungsjahr von Königsberg. Unsere Stadt war lange im zerstörten Zustand. Vor dem Jubiläum ist viel gearbeitet worden, um unsere Heimatstadt zu verschönern. Dies ist angenehm. Doch leider, um in unsere Heimat zu fahren, um alte Stätten aufzusuchen, brauchen wir jetzt ein Visum. Also, bis ins Alter sind wir von der Heimat getrennt, aber unsere Heimat, unser Zuhause vergessen wir nie, wo wir alle glücklich waren. Auch jetzt hier ist es nicht leicht, daß eine Versammlung stattfinden kann. Wir leben alle verstreut in Litauen. Es ist nicht leicht etwas zu organisieren.
Ich wünsche allen schöne Stunden bei diesem Beisammensein. Ich möchte Ihnen noch die Worte von Friedrich von Schiller zitieren:
Vaterland.
Ans Vaterland, ans teure schließ dich an,
das halte fest mit deinem ganzen Herzen!
Hier sind die Wurzeln deiner Kraft.
Dort in der fremden Welt stehst du allein,
ein schwaches Rohr, das jeder Sturm zerknickt.
(aus: Wilhelm Tell) |
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