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Bei schönem Wetter saßen Emma und Paul nach dem Abendbrot meistens noch eine Weile auf der selbstgezimmerten Gartenbank und ließen sich von den letzten wärmenden Strahlen der untergehenden Sonne umschmeicheln. Paul tat es eigentlich nur seinem Marjellchen zuliebe, hätte lieber mit seiner Modelleisenbahn gespielt. Emma spürte seine Nervosität auch an jenem Abend, als er immer wieder auf seine Armbanduhr schaute, wie auf heißen Kohlen zu sitzen schien.
"Nu hör endlich auf mit dem Rumgezapple
Laß uns doch das scheene Sonnche genieße und die herrliche Natur", murrte Emma leicht verärgert. "Kuck mal, wie da alles grünt und blüht! So wird es auch in Ostdeutschland, in Oma und Opas Garten ausgesehen haben. Vielleicht noch viel schöner. Jetzt ist dort wohl alles ziemlich verkommen."
"Ja, ja, mag sein, ist traurig, aber es wird Zeit, daß wir
"
"Ein Momentchen noch", schnitt Emma ihrem Mann das Wort ab. "Mir fällt gerade ein, daß wir unser Hausdach reparieren lassen müssen. Viele Dachpfannen sind schon rissig. Gut wäre ein neues Dach."
"Darüber hab ich mir schon längst Gedanken gemacht, aber wovon sollen wir das bezahlen?" sagte Paul achselzuckend.
Über Emmas hübsches Gesicht huschte ein verschmitztes Lächeln. "Datt ward von mi anjepackt", verkündete sie im überzeugenden Tonfall. "Du hest doch neilich oak noch watt von de Quiz-Show mettbekoame, nich woar? Datt es goar nich so e schlechte Sach!"
"Natürlich hab ich was von der Quiz-Show gesehen, aber was hat die Show mit unseren Dachpfannen zu tun?"
"Sehr viel, mein Paulchen", sagte Emma bestimmt, "denn das ist so: Wir haben uns beworben, in der Quiz-Schow aufzutreten und wollen
"
"Was heißt wir?" brauste Paul auf. "Hängt die Meiersche schon wieder dazwischen?"
"Nun reg dich man wieder ab, mein kleiner Lorbaß. Die Meiersche und auch ich könnten die Möglichkeit bekommen, viel Geld zu gewinnen. Dafür üben wir schon seit drei Wochen aus dem Buch, das sich meine Freundin hat schicken lassen. Tausend Fragen mit tausend Antworten."
"Watt soll datt, mein Puttchen? Willst du dich vor einem Millionenpublikum blamieren? Das überlaß man lieber der fetten Nudel!"
"Aber wir fragen uns doch laufend gegenseitig ab!"
"Das langt vielleicht für den Hausgebrauch, jedoch nicht für eine Quiz-Show. Dafür braucht man mehr als das, was dir die Meiersche vorgaukelt. Für eine Quiz-Show benötigt man ein fundiertes Wissen."
Mit einem Mal wurde Emma nachdenklich und bemekrte: "Also, wenn ich richtig verstehe, könntest nur du mir das geforderte Wissen vermitteln, mich für die Show vorbereiten?"
"Genau! Ich werde dich testen
Und jetzt laß uns reingehen! Wir fangen dann gleich mit der Abfragerei an", schlug Paul vor und ging schon mal ins Haus. Emma zögerte noch ein wenig, nahm dann doch mit Paul am Wohnzimmertisch Platz. Paul begann nun in einem dicken Lexikon zu blättern, räusperte sich kurz und stellte dann die erste Frage: "Wie heißt der Hauptfluß Ostdeutschlands?" "Pregel!" "Hervorragend, Emma! Und nun die nächste Frage: Wodurch wurde Tilsit historisch bekannt?" "So eine leichte Frage", sprudelte es aus Emma hervor. "Natürlich durch den Tilsiter Käse!"
"Papperlapapp! Sicher, durch den Käse ist Tilsit bekannt, aber historisch gesehen seit 1807, als dort der Friede von Tilsit zwischen Frankreich und Rußland und zwischen Frankreich und Preußen geschlossen wurde", erklärte Paul und hatte gleich die nächste Frage parat: "1927 wurde das Tannenbergdenkmal errichtet, das 1945 von den Russen gesprengt wurde. Woran sollte das Denkmal erinnern?"
Emma überlegte, schmunzelte und meinte dann: "Vielleicht an einen Herrn Tannenberg oder so
Ich weiß es nicht genau." "Du wirst doch nicht schon wieder albern, Emma? Also, 1914 siegte die deutsche 8. Armee unter Hindenburg über die russische 2. Armee unter Samsonow. Deshalb errichtete man das Denkmal
Nun paß mal gut auf: Wer verfaßte das Werk ,Kritik der reinen Vernunft?" "Ein Schriftsteller!" "So kann man ihn auch nennen, aber Immanuel Kant, in Königsberg geboren, dort auch verstorben, war ein Philosoph, Professor der Logik und Metaphysik, ein waschechter Ostpreuße, der 1781 die ,Kritik der reinen Vernunft vorlegte."
"Donnerlittchen, watt min Luntruß nich allet weet", staunte Emma, doch Paul grinste nur und wollte schon die nächste Frage stellen, als Emma energisch abwehrte und sagte: "Du stellst ja interessante Fragen. Eines fällt mir jedoch auf: In der Meierschen ihr Quiz-Buch kommen solche Fragen nicht vor."
"Können ja auch nicht, weil man hierzulande mit der deutschen Geschichte, vornehmlich mit der des deutschen Ostens, nicht viel am Hut hat. Alles wird verzerrt oder totgeschwiegen. Zunehmend wird unsere Kultur durch anglo-amerikanische Subkultur überflutet. Das spiegelt sich in den Quiz-Shows wider. Hat nichts mit Allgemeinwissen zu tun."
"Datt hebb wi doch schon sölvst gekickt", ereiferte sich Emma. "Erschreckend, daß da Rock und Pop, amerikanische Filme, primitive und dilettantische Gitarristen dem Komplex Allgemeinwissen zugeordnet werden. Diesbezügliche Fragen werden spontan beantwortet, aber wenn die Kandidaten mit Geschichte, Literatur, Klassik und Geographie konfrontiert werden, dann versagen die meisten, darunter sogar studierte Leute. Da stimmt doch etwas nicht!"
Emma wurde nachdenklich und fragte nach einer Weile: "Und wenn ich nun tatsächlich in eine Quiz-Show käme, meinst du, da könnten Fragen über Ostdeutschland, die alten deutschen Ostgebiete überhaupt, gestellt werden?" "Fast ausgeschlossen!" "Und warum hast du denn mit mir die Fragen geübt?" "Umsonst war meine Abfragerei keineswegs, mein Puttchen. Hat es dir denn keinen Spaß gemacht?"
"Na joa, e bäten schon, doch ganz scheen anstrengend." "Moakt nuscht", meinte Paul. "Demnächst machen wir wieder so eine private Quiz-Show, denn es gibt noch so viel Wissenswertes über unsere Heimat. Leider wird allgemein der Eindruck erweckt, als hätte es dieses schöne Fleckchen Erde nie gegeben. Zum Glück befaßt sich seit jeher Das mit unserer Geschichte und Kultur."
"Watt hebb ick doch bloß for een kluges Mannche!" entfuhr es Emma aus tiefstem Herzen. Dann senkte sie den Kopf und lächelte in sich hinein.
"Na, na", sagte Paul, "du führst doch schon wieder was im Schilde." "Iwo doch
Ich denke bloß darüber nach, was man denn in unserer privaten Quiz-Show gewinnen könnte?"
"Sehr, sehr viel, Emmchen
Keine Million, aber schon allein der Mut, der Wille, das Bedürfnis, sich mit einem ehemals blühenden Land, einst die ,Kornkammer Deutschlands, zu beschäftigen, es in steter Erinnerung zu behalten, ist wertvoller |
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