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Zauberer aus dem Osten - E.T.A. Hoffmann in Bamberg

 
     
 
Geboren wurde der Mann mit den vier Begabungen am 24. Januar 1776 in Königsberg/Pr. E.T.A. Hoffmann, der – in seiner Eigenschaft als Dichter und Komponist – seinen dritten Vornamen Wilhelm aus Liebe zur Mozartschen Musik in Amadeus änderte, soll sich in tiefer Nachtstunde vor seinen eigenen, von ihm geschaffenen Gestalten nicht selten gefürchtet haben. Das ist glaubwürdig, vor allem, wenn man durch Bamberg streift und den Spuren Hoffmanns folgt. All die verschachtelten Berg- und Talgassen sahen ihn.

Damals wie heute gelangt man über den Kaulberg, die Judengasse und die "Oberen Mühlen" zu einem weiten, von alten Bauten eingerahmten Platz. "Schillerplatz" heißt er jetzt; zu Zeiten Hoffmanns hieß das Gelände "Zinkenwörth". Hoffmann – von Reinhard Klesse in Bronze gegossen – ziert den Platz. Die bekannte, gespenstisch dürre Gestalt umhüllt der lange Mantel; unter der breiten Zylinderkrempe verschmitzte Augen. Auf der Schulter des Dichters hockt der weltberühmte Kater Murr, den Buckel gekrümmt von der Last seiner "Lebenserinnerungen". Unablässig schauen beide zu einem hohen, schmalen Haus mit Mansarddach hinüber. Den zweiten Stock und die Dachkammer – "Poetenstübchen" genannt – bezog Hoffmann mit seiner polnischen Frau Maria (Mischa) Trzynska am 1. Mai 1809 und blieb darin bis zu seinem Weggang aus Bamberg am 21. April 1813. Das engbrüstige Haus war 1762 erbaut worden; seit 1923 ist es, als einziges erhaltenes Wohnhaus Hoffmanns, als Museum und Gedenkstätte eingerichtet.

Zwei Lieben hegen die Bamberger: ihren ewigen "Reiter" im Dom und ihren "Gespensterdichter", den Virtuosen wilddämonischer Grauenserregung
. Betritt man das Museum, schmeichelt sich Hoffmanns "Harfenkonzert" ins Ohr. Im Parterre verkündet ein Poster, stellvertretend für den einstigen Bewohner: "Und werde ich Ihnen heute begegnen als Komponist, als Zeichner, als Schriftsteller, im Lehnstuhl – kurz: als Genie." Nur als Jurist tritt er in diesem Haus nicht in Erscheinung. Ab 1816 war er als äußerst eigenwilliger, systemkritischer Kammergerichtsrat in Berlin tätig, ab 1821 Mitglied des Oberappellationssenates. In dieser Position verführte ihn seine beißende Spottlust, schneidende Ironie dazu, ausgerechnet den Polizeichef Karl von Kamptz als Knarrpanti in "Meister Floh" zu karikieren. Ein Disziplinarverfahren war die Folge. Den Ausgang erlebte Hoffmann nicht mehr. Er starb am 25. Juni 1822 unter unsäglichen Schmerzen an seinem langjährigen Rückenmarkleiden, bis in die letzte Stunde versorgt von seiner zuverlässigen Mischa.

Von Raum zu Raum, von Stockwerk zu Stockwerk wird der Dichter im Bamberger Haus greifbarer. Es würde nicht erstaunen, ihn – wie auf der eigentümlichen Lithographie von Hugo Steiner-Prag – persönlich in der Tür stehen zu sehen, Stiche berühmter Künstler zeigen ihn in den verschiedensten Lebens- und Gemütsphasen. Beängstigend seine Selbstbildnisse: hohlwangig, riesige Augen, saugender Blick. Von ihm geschaffene bizarre Skizzen zu seinem schriftstellerischem Werk füllen die Wände, ferner bieten sich dem Auge Bühnenbildentwürfe und Buch-Erstausgaben. Das "Poetenstübchen" im Dachgeschoß bezeichnete Hoffmann als sein "musikalisch-poetisches Laboratorium". Die Kammer ist Hoffmanns Opern "Dirna", "Aurora" und "Undine" gewid-met …

Tritt man in diesem seltsamen Haus ans Fenster, dann schaut man, wie ehedem Hoffmann, auf das gegenüberliegende, 1802 erbaute Prachttheater, nunmehriges E.T.A.-Hoffmann-Theater. Das war seine Wirkungsstätte als Komponist, Kapellmeister, Regisseur, Kulissenmaler. Musiklehrer zahlreicher Komtessen und bestens betuchter Bürgertöchter war er mangels ausreichenden Einkommens auch. Darüber hinaus begegnete ihm in der Person der 16jährigen Gesangsschülerin Julia Marc die Inspirateurin zu vielen seiner Frauengestalten. Julia, die eine Vernunftehe einging, war die einzige Frau, von der er seinen intimen Notizen anvertraute, daß ihn "das Engelsbild nicht verlassen kann, beim letzten Hauch des Lebens".

An jedem Theater gibt es Querelen und Intrigen. So auch in Bamberg. Um seinen Ärger hinunterzuspülen, fand sich Hoffmann in der stillen, noch heute existierenden Theaterklause "Rose" ein. Dort gab es einen struppigen Hund, der den Kopf auf des Dichters Knie streckte und ihm beim langen Genuß von Champagner und Punsch zuschaute. Verewigt wurde der schwarze Bastard, leise knurrender Nachtgeselle in "Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza".

Trotz Geldknappheit und beruflichen Mißhelligkeiten entstand die Idee zu einer Oper, die am 3. August 1816 mit rauschendem Erfolg uraufgeführt wurde: "Undine". Allerdings fand die Premiere nicht in Bamberg, sondern in Berlin statt. Hoffmann hatte über Leipzig und Dresden seine Endstation erreicht. Vierzehnmal wurde die Oper vor ausverkauftem Haus gespielt. "Dekorationen und Kostüme kosteten gegen 12 000 Reichstaler." Ein Vermögen! Am 29. Juli stand das Theater in Flammen. Der Traum, eine romantische, deutsche Oper auf die Bühne gebracht zu haben, erlosch buchstäblich im Feuer: "Undine" wurde vergessen.

Die Musik war bei der Kritik umstritten geblieben. Einzig Carl Maria von Weber äußerte sich uneingeschränkt zustimmend in der "Allgemeinen Musikalischen Zeitung" 1817: "Das ganze Werk ist eines der geistvollsten, das uns die neuere Zeit geschenkt hat … durch schöne und innig gedachte Melodien." Weber sann über die "Romantische Oper" als solche nach. Keine fünf Jahre später komponierte er den "Freischütz" mit dem Ohrwurm "Wir winden dir den Jungfernkranz", und Lortzing machte 1845 mit seiner "Undine" und dem Schwanensang die Erzählung des Barons Friedrich de la Motte Fouqué unsterblich. Auch Hoffmann hatte sich der Erzählung bedient; der bei Berlin ansässige Fouqué lieferte sogar das Libretto. Und das war der Fehler. Aus einer ziemlich langatmigen Erzählung eine straffe, dramaturgisch effektvolle Bühnenfassung zu schaffen – damit war Fouqué überfordert. Doch hanebüchene Handlungsabläufe, psychologische Brüche sind in Opern gang und gäbe. Was tut‘s? Die ersten Takte ertönen, und schon ist man ent- und verführt. Hoffmann schuf mit "Undine" ein Musikwerk, das es verdient, der Vergessenheit entrissen zu werden, und einen Ohrwurm flocht er auch ein: "Rauscht ihr grünen Bäume, durch die goldene Nacht …"

Bamberg, dem Dichter unentrinnbar verfallen, krönt die Spielzeit 1995/96 mit Werken von und über Hoffmann; das Theater feiert des Dichters 220. Geburtstag. Auf dem Spielplan stehen unter anderem von Rainer Lewandowski die szenische Collage "Sie sind auch kein Bamberger, wie ich höre? – E.T.A. Hoffmann in Bamberg" (Uraufführung 27. Januar, 19.30 Uhr.

Wer die Aufführung der Undine in Bamberg erleben durfte, der fühlte sich an einen Ausspruch Balzacs erinnert – er nannte E.T.A. Hoffmann den "Zauberer aus dem Osten", und Stefan Zweig befand, daß des Königsbergers Werk "aus Rauch und Traum geformt sei." So ist es

 
     
     
 
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