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Zeit - ein kostbares Geschenk

 
     
 
Nachts weint Elias oft. Meistens hat er dann Schmerzen. Aber wenn ich ihn eine zeitlang im Arm gehalten habe, schläft er für eine weitere Stunde wieder ein", berichtet die Mutter von Elias, Mariele Wener. Elias ist drei Jahre alt und hat Pseudathrose. Der Knochen seines rechten Schienbeins ist sehr weich. Und seit einem Bruch dieses Beins im Februar 2003 muß er einen Fixateur tragen. Seitdem kann er nur noch auf dem Boden rutschen oder muß getragen werden. Der Fixateur wurde von außen angebracht. Zwölf Stahlstäbe stabilisieren den Knochen. Oft entstehen Entzündungen an den offenen Stellen, dort, wo die Stahlstäbe durch die Haut ins Gewebe eindringen.

Die Mutter sieht erschöpft aus. Seit zwei Jahren hat sie nicht mehr durchgeschlafen. Steht in der Nacht acht- bis zehnmal auf, um Elias zu trösten. Tagsüber kann sie das Haus kaum verlassen. Denn die Gefahr, daß Schmutz in die Wunden eindringt, ist einfach zu groß.

"Trotz aller Vorsicht ist es schon häufiger zu Entzündungen gekommen", berichtet die Mutter. "Dann muß Elias für einige Tage ins Klinikum. Mein Mann und ich lösen uns dann im Krankenhaus ab, damit der Kleine nicht alleine ist." Dafür und für die mehrtägigen Kontrolltermine im Krankenhaus nutzt Jürgen Wener, der als Maler und Lackierer in Luxemburg arbeitet, seine Urlaubstage.

Die Geschichte der Weners ist nicht untypisch. Schwerkranke, behinderte
und chronisch kranke Kinder fordern ihre Eltern 24 Stunden am Tag. Und die Pflegedienste können nach der Gesundheitsreform leider nur noch Teile der medizinischen Versorgung abdecken. Den Rest müssen Mutter und Vater leisten. Gemeinsame entspannte Wochenenden, ein Abendessen im Restaurant, Freunde oder auch ein Urlaub - das gibt es seit langem nicht mehr im Leben der Weners. Besonders bedrückend empfindet die junge Mutter die Situation wegen ihres Sohnes Jonas, der erst fünf Jahre alt ist. "Seit zwei Jahren steht Elias im Mittelpunkt. Alles dreht sich um das kranke Kind. Ich finde so selten die Zeit, mit Jonas in Ruhe zu sprechen, mit ihm zu spielen, zu toben, oder auch zu schmusen. Ich werde seinen Bedürfnissen nach Zuwendung oft nicht mehr gerecht", berichtet die Mutter bedrückt. Jonas zieht sich oft zurück. Das kreative Kind malt oder bastelt dann. Manchmal aber bricht alles aus ihm heraus. Dann ist er aggressiv und läßt seiner Wut freie Bahn. Wut über die Ungerechtigkeit, daß sein Bruder so krank ist. Wut darüber, daß seine Mutter so selten Zeit und Muße für ihn hat.

Und genau da setzt "nestwärme e.V. Deutschland" mit seinem Projekt "ZeitSchenken" an. "Wir wollten, daß die ‚ZeitSchenkerin den kleinen Elias betreut, so daß die Mutter Zeit für den großen Bruder hat", berichtet die Psychologin Elisabeth Schuh, die seit dem Start vor fünf Jahren bei "nestwärme" tätig ist.

Rund 50 Seniorinnen und Senioren engagieren sich bei der Trierischen Initiative. Sie entlasten durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit Eltern schwer- oder chronisch kranker Kinder für einige Stunden in der Woche;schenken diesen Familien ihre Zeit. Für Familie Wener fand die engagierte Therapeutin schnell eine passende "ZeitSchenkerin": Annelie Wieland. Die Sonderschulpädagogin und Frührentnerin fand schon nach wenigen Stunden einen herzlichen Kontakt zu dem kranken Elias. Nun kann die Mutter endlich mit Jonas die lang ersehnten Spaziergänge im Wald machen, in den Zoo gehen oder das heißgeliebte Schwimmbad besuchen, während die 54jährige Elias beaufsichtigt.

Für das wegweisende Engagement erhielt der Verein jetzt den HanseMerkur-Preis für Kinderschutz 2004, der mit 20.000 Euro dotiert ist. Anerkennungspreise erhielten "Abrax Kadabrax", der Zirkus der Evangelischen Jugend Hamburg, "Herzenswünsche e.V." (tatkräftig und stimmgewaltig unterstützt von der Jazz-Sängerin Inga Rumpf) und die Initiative "Starke Eltern - Starke Kinder", die mit ihrem Pilotprojekt "Elternkurse in türkischer Sprache" wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration türkischstämmischer Kinder schafft.

Überreicht wurden die Preise im Rahmen einer Feierstunde von Eva Luise Köhler, Schirmherrin von Unicef und Müttergenesungswerk. Die Gattin des Bundespräsidenten würdigte in ihrem Grußwort auch das beispielhafte Engagement von HanseMerkur: Die Hamburger Versicherung, die den Kinderschutzpreis bereits seit fast einem Viertel-

jahrhundert vergibt, setze damit ein Zeichen für die Anliegen der jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft. EB

ZeitSchenken: Die Initiative, die verdientermaßen aus der Hand von Frau Köhler den diesjährigen Kinderschutzpreis von HanseMerkur erhielt.
 
     
     
 
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