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Zeitung geschlossen

 
     
 
Der russische Kultur- und Medienminister Alexander Sokolow hatte auf einer Sitzung im Kulturministerium, an der auch Vertreter der Gesellschaftskammer Rußlands teilnahmen, die Medien eindringlich davor gewarnt, in Veröffentlichungen die Gefühle von Gläubigen zu beleidigen. Die "Plumpheit" westeuropäischer Journalisten dürfe sich in Rußland nicht wiederholen. Für den Fall der Nichtbeachtung wurden Sanktionen angedroht. Das Föderale Amt für Medienaufsicht und Schutz des Kulturerbes (Rosochrankultura) wurde mit der Überwachung der Medien beauftragt.

Offensichtlich befürchtete man, daß die Aggression
en, die die dänische Zeitung "Jyllands Posten" durch die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen unter islamischen Gläubigen ausgelöst hatte, sich auch gegen Russen wenden könnten. Es leben nicht nur zahlreiche Moslems in Rußland, das Land unterhält auch wichtige Wirtschaftsbeziehungen mit islamischen Ländern, steht mit Teheran in Verhandlungen über dessen Urananreicherungspläne.

Putin fungiert als Vermittler im Atomkonflikt, das alles, um die eigenen Ölgeschäfte mit dem Iran nicht zu gefährden.

In Wolgograd nahm man die Warnungen aus dem fernen Mos-kau nicht ernst. In der täglich erscheinenden Stadtzeitung "Gorodskije Westi" erschien ein Artikel mit dem Titel "Keine Rassisten an die Macht", der mit einer Zeichnung illustriert war, auf der Christus, Mohammed, Moses und Buddha beim Fernsehen dargestellt waren. Sie sahen sich verwundert verfeindete Menschengruppen auf dem Bildschirm an, die einander mit Steinen bewarfen. "Das haben wir euch nicht gelehrt" lautet die Bildunterschrift. Klingt eigentlich ganz harmlos.

Unmittelbar nach der Veröffentlichung ermittelte jedoch die russische Staatsanwaltschaft gegen die Chefredakteurin Tatjana Kaminskaja. Ihr wurde vorgeworfen, gegen Artikel 282 ("Hervorrufen einer nationalen, rassenbedingten oder religiösen Feindseligkeit") des russischen Strafgesetzbuches verstoßen zu haben. Dabei wandte sich der Zeitungsbericht gerade gegen Rassismus aus religiösen Motiven und warb für gegenseitiges Verständnis. Stein des Anstoßes war auch vielmehr die ihn begleitende Zeichnung, die als religiöse Karikatur aufgefaßt wurde. Nach islamischen Gesetzen ist jede Abbildung des Propheten verboten.

Alle Beteuerungen der Chefre-dakteurin, die Illustration verletze keineswegs die religiösen Gefühle der Leser, nützten nichts. Ihre Karriere sollte mit einem Schlag beendet werden: Die Redaktion wurde auf Beschluß des örtlichen Vertreters von Rosochrankultura aufgelöst, alle Mitarbeiter wurden entlassen. Anstelle der "Gorodskije Westi" soll in Kürze eine neue Zeitung mit anderem Titel gegründet werden.

Die Öffentlichkeit nahm das Vorgehen der Behörden unterschiedlich auf. Während religiöse Vertreter dem zustimmten, lehnte Igor Jakowenko, Generalsekretär des Journalistenverbandes Rußlands, die Härte, mit der gegen Journalisten vorgegangen wurde, ab. Mit der Verfolgung des Blatts sei gegen zwei Hauptprinzipien verstoßen worden: gegen die Pressefreiheit und gegen den weltlichen Charakter der Russischen Föderation.

Inzwischen veröffentlichten auch andere Medien - der Fernsehsender NTW, die "Izwestija", die Internet-Zeitung "Lenta.ru"- die umstrittene Zeichnung. Die Staatsduma forderte Sokolow auf zu erklären, warum in Rußland eine Zeitung geschlossen wird, wenn in Dänemark Karikaturen erschienen sind. Das sei eine völlig paradoxe Situation, meinen Duma-Abgeordnete.

Wirtschaftsverträge mit Teheran dürfen nicht gefährdet werden
 
     
     
 
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