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Zentralistischer Moloch

 
     
 
Australier oder Südamerikaner mögen die Sanktionen der 14 europäischen Regierungen gegen Österreich und das Wirken der drei Weisen aus dem Euroland als Lachnummer ansehen, vielleicht auch erstaunt sein darüber, was von europäischen Traditionen der Freiheit und nationaler Selbstbestimmung übriggeblieben ist. Den Europäern allerdings haben nicht nur diese Sanktionen, sondern schon das seit Jahren wuchernde Demokratiedefizit gezeigt, auf welche gefährlichen Wege sich die Europäische Union
(EU) begeben hat.

Läuft die EU doch Gefahr, sich zu einem "zentralistischen Moloch" zu entwickeln, wie es neuerdings der SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement und sinngemäß schon seit längerem sein CSU-Kollege Edmund Stoiber befürchten. Wenn diese EU überdies in sozialistische Hände gerät, wie es derzeit fast bei allen Regierungen der Mitgliedstaaten der Fall ist, wird es für die demokratischen Freiheiten gefährlich.

Zu Recht stellte Peter Siebenmorgen in der "Welt am Sonntag" fest, daß das europäische Treiben sich immer weiter aus den Herzen der Menschen entferne und sich eine zerstörerische Europafrustration ausbreite. In der Tat denken die Profieuropäer weniger darüber nach, wie sie den europäischen Bürgern dienen können, sondern wie sie diese Bürger "auf dem Weg nach Europa mitnehmen können". So lautet jedenfalls eine beliebte Politformulierung, ganz als seien diese Bürger nur ein lästiger Sack voller Ballast.

Der CSU-Generalsekretär Thomas Goppel erklärte, daß die aus einer freien Wahl in der Republik Österreich hervorgegangene Koalitionsregierung von ÖVP und FPÖ in einem "Europa der Demokratien" ein ganz normaler Vorgang gewesen wäre. In einem "Europa der Sozialisten und Kommunisten" hingegen habe diese Regierungsbildung jedoch buchstäblich "Alarmstufe Rot" ausgelöst. Kommunistische Minister in Frankreich und in deutschen Landen, brüderliche Hilfe von Alt- und Neokommunisten beim Regieren, auch ein exkommunistischer Regierungschef in Italien haben allerdings bei den Betreibern der Sanktionen keinen Anstoß erregt, sondern werden von ihnen gern akzeptiert. Auch nicht bei Jacques Chirac, dem französischen Präsidenten, der sich selbst gern "konservativ" nennen läßt und sich als "moralische Instanz" im Bündnis mit den Sozialisten ganz besonders gegen Österreich hervortat.

Die Vorreiterrolle Chiracs muß überraschen. Hat doch der 42 Staaten umfassende Europarat, die älteste politische Institution des Kontinents, die den Menschenrechten, dem Rechtsstaat und der pluralistischen Demokratie verpflichtet ist, unlängst ein Rassismus-Papier veröffentlicht, in dem Frankreich ganz besonders schlecht wegkommt. Wie Detlef Kleinert in dem politischen Ideenmagazin "Epoche" berichtet, heißt es in diesem Papier unter anderem: "In Frankreich sind Rassismus und Diskriminierung besonders gegenüber den jungen Immigranten heftig." Diskriminierung und Ausgrenzung gäben ebenso Anlaß zu Besorgnis wie das Benehmen der französischen Polizei. Kleinert fragt, was wohl geschehen wäre, wenn gleiches über Österreich berichtet worden wäre, und stellt fest, daß für Frankreich offenbar andere Maßstäbe gelten. Nirgends habe man über diese Vorwürfe gegen Frankreich auch nur eine einzige Zeile gelesen. Kleinert verweist insbesondere darauf, daß Präsident Jacques Chirac seinen Wahlkampf um das Präsidentenamt 1991 mit rassistischer Demagogie bestritten habe: "Lärmende, stinkende Wohlstandsschnorrer" habe Chirac die Immigranten genannt; und es gebe eine "Überdosis an Ausländern" in Frankreich. Ein Franzose, der mit ansehen müsse, wie nebenan "ein Vater mit vier Frauen und einem Dutzend Kindern mit dem dreifachen Einkommen von der Sozialhilfe" lebe und dann auch noch den "Lärm und Gestank" der Ausländer zu ertragen habe, laufe Gefahr, dabei verrückt zu werden. Soweit Monsieur Chirac.

Nachdem die "drei Weisen" ihr Wirken in Österreich mit der Empfehlung beendet haben, die Sanktionen aufzuheben, müßte ihr nächstes Reiseziel Paris sein. Da sie an der FPÖ "extremistische Ausdrucksweise" rügen, hätten sie gewiß in der französischen Metropole einiges zu tun. Wies doch Kleinert in der "Epoche" auch darauf hin, daß Chirac in seiner Zeit als Bürgermeister von Paris wegen Günstlingswirtschaft und illegaler Parteienfinanzierung umstritten war und ihm in Paris Wahlbetrug vorgeworfen werde.

Vielfach wird vermutet, daß Chirac und andere Österreich zum Sündenbock für eine Verschleppung der Osterweiterung machen wollten. Wenn in diesem Zusammenhang durch den "Flop" des EU-Kommissars Verheugen Volksentscheide zum Diskussionsthema geworden sind, hätten die österreichischen Wähler Europa und der Demokratie einen großen Dienst erwiesen.

 
     
     
 
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