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Der Bundesrat hat sich in seiner jüngsten Sitzung mit dem Entwurf der Bundesregierung zur Reform der Handwerksordnung beschäftigt. In der grundsätzlichen und heftigen Debatte ging es vor allem um die Bedeutung des Meisterbriefs.
Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, CDU, warf Bundeswirtschafts minister Wolfgang Clement vor, er lege mit seinem Gesetzesentwurf "die Axt an das bewährte duale System der Berufsausbildung". Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu, der für sein Land einen eigenen Gesetzesentwurf zur "Modernisierung und Zukunftssicherung des Handwerks" einbrachte, stieß ins gleiche Horn. Die Bundesregierung löse die wahren Probleme nicht, "sie schafft vielmehr neue".
Wolfgang Clement entgegnete seinen Kritikern, sie redeten oft und viel über Reformen und Deregulierungen, zeigten aber bei der Handwerksordnung Angst vor der eigenen Courage: "Wir haben es mit gewaltigen Strukturproblemen zu tun." Ihm gehe es darum, Existenzgründungen zu erleichtern und Schwarzarbeit zu verringern.
Zwei Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur Handwerksordnung wurden schließlich an den Vermittlungsausschuß überwiesen. Kernstück der rot-grünen Novelle ist die Reduzierung der Handwerksberufe, für deren Ausübung der Meisterbrief erforderlich ist, von gegenwärtig 94 auf 29. Die bayerische Landesregierung hat demgegenüber mit Unterstützung der hessischen Landesregierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, in dem die Vorstellungen der Handwerksorganisation berücksichtigt wurden. Auch dieser Entwurf wurde an den Vermittlungsausschuß überwiesen.
In der parlamentarischen Sommerpause soll nun ein Kompromiß gefunden werden. Der Crash ist vorprogrammiert, zumal es um mehr geht, als auf den ersten Blick scheint. Denn es geht bei der Debatte auch um die Frage, inwiefern das deutsche Modell der sozialen Marktwirtschaft nach und nach zugunsten eines Wirtschaftssystems nach nordamerikanischem Modell aufgegeben werden soll.
In der Diskussion um die Reform der Handwerksordnung führt die Bundesregierung immer wieder Ludwig Erhard als Kronzeugen für die Aufweichung des handwerklichen Meisterbriefes ins Feld. Tatsächlich hat sich der Vater der sozialen Marktwirtschaft mit Nach- druck für den Meisterbrief ausgesprochen. So zum Beispiel in einem 1962 im Gewerbearchiv veröffentlichten Artikel: "Ich betrachte den Befähigungsnachweis als ein wirksames Instrument der Leistungssteigerung, durch das im Handwerk erst die Voraussetzung für einen gesunden Wettbewerb unter Könnern geschaffen wird. Ich habe aus diesen Gründen den Befähigungsnachweis im Handwerk immer bejaht."
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtmäßigkeit der Meisterqualifikation als Voraussetzung zur unternehmerischen Selbständigkeit und als gleichzeitige Ausbildungsbefähigung frühzeitig unterstrichen und erst in jüngster Zeit festgestellt, daß eine sogenannte "Inländerdiskriminierung" nicht vorliegt.
Neben juristischen sprechen auch sozioökonomische Gründe wie die hohe Ausbildungsleistung des Handwerks, der Verbraucherschutz und die relativ geringe Insolvenzquote im deutschen Handwerk für den Meisterbrief. Allerdings ist die Ausbildung zum Handwerksmeister mit hohen Kosten verbunden.
Die Bundesregierung hat deshalb erst vor einem Jahr das sogenannte Meisterbafög in wichtigen Punkten entscheidend verbessert. Diese vielfach gelobte Reform wurde seitens der Handwerksorganisation auch als Votum für den Fortbestand des Meisterbriefs in seiner bisherigen Form interpretiert. Die derzeit schlechte wirtschaftliche Lage ist weniger eine Folge des Meisterbriefs und der Handwerksordnung, sondern vielmehr der unzureichenden wirtschafts- und steuerpolitischen Rahmenbedingungen. Um so wichtiger scheint es daher, daß die unionsgeführten Länder in Sachen Steuerpolitik zu einer einheitlichen Meinung finden.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber zeigte sich nach der Bundesratsdebatte um die Handwerksordnung optimistisch: "Ich gehe davon aus, daß die Unionsparteien geschlossen auf den Vorschlag der rot-grünen Bundesregierung zur Finanzierung der Steuerentlastung antworten. Unsere Position ist klar: Wir ermöglichen die Steuersenkung, wenn sie solide finanziert ist. Was Eichel und Schröder bisher vorgelegt haben, ist ungenügend und enttäuschend."
Manch einer sieht darin ein Angebot, das einen tiefgreifenden Streit verhindern soll: Stimmen die sozialdemokratischen Länder für den bayerischen Vorschlag in Sachen Handwerksordnung, stimmt das bürgerliche Lager für das rot-grüne Steuerkonzept. Der Meisterbrief in seiner bewährten Form bliebe erhalten, Schröder hätte sein Steuerkonzept durchgedrückt. Verlierer wäre nur einer: Wolfgang Clement. Ob dies im Sinne des Kanzlers ist, steht auf einem anderen Blatt. |
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