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Im Jahre 1887 lief der am 20. Mai 1882 unterzeichnete, auf fünf Jahre befristete Dreibundvertrag zwischen Italien, dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn aus, sofern er denn nicht vorher verlängert wurde. Alle drei Vertragsparteien wollten die Verlängerung, aber die Rahmenbedingungen waren inzwischen andere, und das spiegelte sich sowohl in den Verhandlungen als auch in dem Ergebnis wider.
1882 hatte Italien aufgrund der von ihm als Affront interpretierten Annexion von Tunis durch Frankreich einen akut en Bedarf an Verbündeten gehabt. Fünf Jahre später war dieses aufgrund der Boulanger- und der bulgarischen Krise eher umgekehrt. 1885 war in Frankreich Ministerpräsident Jules Ferry mit seinem Kabinett gestürzt worden. Dem Verständigungspolitiker wurde ein "Nieder mit den Preußen!" nachgerufen. 1886 wurde dann auch noch mit General George Ernest Jean Marie ein ausgewiesener Revanchist zum Kriegsminister berufen. Damit war die deutsch-französische Kolonialentente zu Ende. Um diese Zeit führte die bulgarische Krise zu einer Verschärfung der Rivalitäten zwischen Rußland und Österreich-Ungarn um Einfluß auf dem Balkan im allgemeinen und in Bulgarien im besonderen. Eine Verlängerung des Dreikaiservertrages zwischen dem deutschen und dem österreichischen Kaiser sowie dem russischen Zaren schien damit ausgeschlossen. Sowohl das Deutsche Reich als auch Österreich-Ungarn hatten also ein akutes Interesse an Italien als Verbündetem, das sich seinerzeit in einer vergleichsweise entspannten Situation befand.
Der italienische Außenminister Carlo Felice Nicolis Conte die Robilant nutzte diese Konstellation, um eine Veränderung des Dreibundvertrages im italienischen Sinne durchzusetzen, um ihn "herzlicher und praktischer zu gestalten", wie er es nannte. Konkret forderte er von den Partnern eine Garantie des osmanischen Tripolis gegen eine Inbesitznahme durch den Kolonialrivalen Frankreich sowie ein Mitspracherecht bei zukünftigen Veränderungen auf dem Balkan.
Otto v. Bismarck hatte mit den italienischen Forderungen relativ wenig Probleme. Der ganze Balkan war ihm bekanntlich nicht die Knochen auch nur eines einzigen pommerschen Grenadiers wert. Wie Wien hielt auch Berlin es für unangemessen, wegen Tripolis einen Krieg gegen Frankreich zu führen, doch Bismarck vertrat die Ansicht, daß Deutschland in einem italienisch-französischen Krieg aus Gründen der Wahrung des Gleichgewichtes ohnehin Italien beistehen müsse, und so stellte für ihn die von Robilant verlangte Garantieerklärung kein grundsätzliches Problem dar. Zudem war für ihn der Dreibund in erster Linie ein Abschreckungsmittel zur Verhinderung von Kriegen und nicht zu ihrer Regelung, so daß die konkreten Verpflichtungen für den Kriegsfall ihn weniger interessierten.
Österreich-Ungarns Außenminister Gustav Graf v. Kálnoky stand verständlicherweise den italienischen Vorschlägen kritischer gegenüber, denn im Gegensatz zum Deutschen Reich betrachtete die Donaumonarchie den Balkan als ihre Interessensphäre und sie verfügte über entspannte Beziehungen zu Frankreich, mit dem sie nicht durch Italien in einen Krieg gezogen werden wollte.
Berlin setzte Wien unter Druck, und das Ergebnis war ein Kompromiß. Österreich-Ungarn brauchte nicht wie das Deutsche Reich eine Garantieerklärung für Tripolis abzugeben, doch mußte es Italien ein Mitspracherecht auf dem Balkan einräumen. In Bismarcks Gartensalon unterzeichneten der Hausherr sowie die Botschafter Österreich-Ungarns und Italiens am 20. Februar 1887 ein entsprechendes, die Verlängerung des Dreibundvertrages um fünf Jahre mit den genannten Ergänzungen beinhaltendes Vertragswerk. D. Beutler |
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