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Königsberg und das nördliche Ostdeutschland werden vermehrt Gegenstand der tagespolitischen Auseinandersetzung. Auch die Zeitung "Literaturnaja Gaseta" beschäftigte sich mit dem Thema der Zukunft des Gebietes am Pregel. Das dokumentiert nachfolgend den Artikel des russischen Blattes von Oleg Tschumakow.
Selbstverständlich ist es eine andere Sache darüber zu sprechen, das Königsberger Gebiet unter die Kontrolle Deutschlands zu stellen, als den Spaniern die Übergabe Mallorcas an uns zu erklären etwa in dem Sinne, daß nur noch Deutsche dort Urlaub machen."
"Das Thema Königsberg", fuhr der mir bekannte Journalist fort, "ist für uns traumatisch. Es führt zu einer gefährlichen Nostalgie bezüglich der imperialistischen Zeit." Es lohnt sich, über Ostdeutschland nachzudenken übrigens ist das Jahr 2001 in Deutschland zum Preußenjahr erklärt worden, hier spricht man von den ,deutschen Sudeten, von Schlesien
Dies alles ruft sofort antigermanische Gefühle bei unseren westlichen Nachbarn in der Tschechei oder in Polen hervor und führt automatisch zu einer Welle ,hausgemachten Revanchismus . Dabei genügen doch schon die Kopfschmerzen, die uns der Neonazismus bereitet.
Ich kann nicht sagen, daß die Artikel im "Daily Telegraph" und der "Times" über etwaige geheime Verhandlungen zwischen Schröder und Putin über das Kaliningrader Gebiet so viel Lärm in Deutschland verursacht hätten wie in Rußland, jedoch gaben sie nichtsdestoweniger einer Reihe von Experten und Journalisten Anlaß, das für Deutschland so heikle Thema zu diskutieren.
Wie zu erwarten war, haben alle offiziellen Personen in Rußland und Deutschland diese Information dementiert.
Aber gibt es wirklich Rauch ohne Feuer? Davon bin ich ausgegangen, als ich diese Frage erörterte. Worin liegt denn eigentlich das Problem? Es ist doch eine Tatsache, daß die Europäische Union sich aktiv um die Probleme zu kümmern begonnen hat, die mit der russischen Exklave im Baltikum im Zuge ihrer bevorstehenden Osterweiterung zusammenhängen. In ein paar Jahren wird das Königsberger Gebiet zu der Umgebung zweier neuer Mitglieder der EU zählen Polen und Litauen. Auf diese Weise wird unser Territorium von den übrigen Teilen Rußlands abgeschnitten sein und wird durch die strengen Regeln des Schengener Abkommens, nach dem die äußeren Grenzen der EU strengster Kontrollen unterliegen, isoliert dastehen. Und das vereinte Europa wird einen unkontrollierten Raum, der ungefähr so groß ist wie das Bundesland Schleswig-Holstein, mit einer großen Fülle an Problemen bekommen.
Was in diesem Fall mit dem Königsberger Gebiet geschehen soll, das im Grunde auf den Grenzhandel angewiesen ist, kann noch niemand, weder bei uns noch im Westen, ermessen. Das Papier, das von der EU verfaßt wurde und das die zukünftige Beziehung zur russischen Exklave im Baltikum bestimmen soll, ist, wenn man einem deutschen Experten Glauben schenken darf, sehr schwammig. Es wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet.
Überhaupt: je mehr sich die EU vergrößert, desto komplizierter wird ihre Situation in der Zukunft. Außer dem Thema Königsberg gibt es noch einen Berg von Fragen der Regelung der Beziehungen zur Ukraine, deren westliche Teile ebenso von dem Grenzhandel mit Polen abhängen (ihre Einwohner genießen Visafreiheit). Geschlossene Grenzen, die die EU bereits von Polen fordert, bedrohen Kiew mit ernsthaften sozioökonomischen Problemen.
"Natürlich gibt es eine einfache Lösung", meint ein deutscher Experte, "das Königsberger Gebiet in den Status eines angegliederten Mitglieds der EU zu erheben und es Schritt für Schritt in die Sphäre der Union einzubehiehen." Aber sämtliche Versuche dieser Art würden von Moskau als Eingriff in die Souveränität gewertet und werden deshalb von der Führung der EU gar nicht erst ernsthaft in Betracht gezogen.
Tatsächlich sind sich nicht alle einig in dieser Bewertung. Einige deutsche Analysten vermuten, daß die Geschichte mit den Publikationen in britischen Zeitungen wie "Daily Telegraph" und dann in der "Times" nichts anderes als ein Vorsagen für Rußland sei, wie es aus seiner schwierigen Schuldensituation herauskommen könnte. Sagen wir, wir erlassen euch einen Teil eurer Schulden, und ihr laßt uns die Freiheit für wirtschaftliches Handeln in Königsberg. Es ist nicht ausgeschlossen, daß das Thema um das Königsberger Gebiet auch künstlich durch die Schweden verschärft wurde. Als Stockholm in den ersten sechs Monaten dieses Jahres den Vorsitz in der EU hatte, erklärte man bereits die Priorität der ungelösten Probleme, die mit der russischen Exklave und dem Baltikum zusammenhängen. Es folgte bereits der Vorschlag, diese Frage auf dem bevorstehenden Gipfeltreffen EU/Rußland auf die Tagesordnung zu setzen.
Es ist kein Geheimnis, daß die Deutschen in letzter Zeit den Druck auf Rußland bezüglich dessen Verschuldung erhöht haben. Man gab uns bereits zu verstehen, daß man auch den Platz bei den "Großen Acht" verlieren könnte, und die deutsche Unterstützung bei der Aufnahme in der Welthandelsorganisation (WTO). Insgesamt ist das Thema Königsberg nicht neu in der EU. Verständlich: wer hat schon gern in dem sauberen Zentrum, dem satten Europa, solch ein schwarzes Loch ein neues Westberlin mit tatsächlich schon fast einer Million Einwohnern, die ins Gegenteil verdreht sind, mit allen Rückständen der sowjetischen und den "Errungenschaften" der neuen, demokratschen russischen Epoche. Hier hat man den in ganz Rußland höchsten Prozentsatz an Aids-Erkrankungen, eine große Anzahl Tuberkulose-Erkrankter und Drogenabhängiger und den höchsten Prozentsatz an organisierter Kriminalität sowie eine verschmutzte Umwelt und einen nicht kleinen Teil der russischen Streitkräfte.
Meiner Meinung nach wurde die Königsberg-Frage jetzt zunächst einmal auf Eis gelegt. Die EU und Deutschland scheinen am Scheideweg zu stehen: der eine grenzt sich durch einen hohen Zaun von dem Andersartigen ab, der andere zieht die Zone allmählich und vorsichtig in seinen Einflußbereich, um Moskau nicht zu reizen. Offiziell wird in der EU bisher eine Politik der Isolation betrieben sich abgrenzen und abwarten. Nicht zufällig verteilt Brüssel bereits Geld für die Modernisierung der Schutzsysteme an zwei Hauptgrenzübergängen aus dem Kaliningrader Gebiet nach Litauen und Polen. Oleg Tschumakow / MRI
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