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Ein beängstigendes Szenarium: Ein zu allem entschlossener Attentäter hat im Herzen einer deutschen Großstadt chemische oder biologische Bomben mit scharfen Zeitzündern versteckt. Er wird von der Polizei geschnappt, will aber nicht verraten, wo die Sprengsätze liegen. Die Zeit drängt, es ist mit Tausenden von Opfern zu rechnen.
Wie weit dürfen die Polizeibeamten gehen, um den Attentäter rechtzeitig zum Reden zu bringen? Hat nicht die Pflicht, Menschenleben zu schützen, absoluten Vorrang vor allen anderen Erwägungen? Oder ist die körperliche und psychische Unversehrtheit eines einzelnen Menschen - der ja in diesem Moment noch nicht Täter ist, sondern allenfalls im dringenden Verdacht steht, zum Täter werden zu wollen - ein gleichrangiges Rechtsgut?
Hier haben wir ein Thema, über welches sich ebenso trefflich streiten läßt wie über die bewegende Frage "Ist Tyrannenmord erlaubt?". Mit dem Spaß am Diskutieren ist es freilich vorbei, wenn aus der unverbindlichen Theorie ein konkreter Kriminalfall wird. Der blutige Ernstfall taugt nicht für feingeschliffene rhetorische Kabinettstückchen, er verlangt - statt tiefschürfender Hinterfragungen - klare Antworten und schnelles, entschlossenes Handeln.
Nun haben wir in Deutschland den Ernstfall, und da wirken Diskussionen wie die in Christiansens allsonntäglicher Quasselstunde geradezu gespenstisch. Drei Tage zuvor hatte in Frankfurt / Main der Prozeß gegen den früheren Vize-Polizeichef Daschner und einen seiner Ermittlungsbeamten begonnen, die beschuldigt werden, einem Entführer und Mörder Folter angedroht zu haben. So wollten sie das Versteck des entführten Kindes finden; daß der Junge bereits tot war, konnten sie zu diesem Zeitpunkt nicht wissen.
Mitleid mit diesem Kind, das zum unschuldigen Opfer wurde? Mitgefühl gegenüber seinen Eltern? Keine Spur davon in den Diskussionsbeiträgen der Amnesty-International-Sprecherin Barabara Loch-Bihler: Eiskalt und mit menschenverachtender Prinzipienreiterei pochte sie auf "absolutes Folterverbot" und "keine Ausnahme", auch dann nicht, wenn "in Deutschland ein Attentat passieren würde" wie das eingangs Geschilderte. Im Klartext: Was geht mich ein totes Kind an, was berühren mich ein paar tausend tote Unbeteiligte - Hauptsache, das abstrakte Verbot der Folter bleibt - auch gegenüber einem Mörder - unangetastet. Täterschutz vor Opferschutz, anders läßt sich diese Denkrichtung nicht verstehen.
Eine Denkrichtung, der auch der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele zuzurechnen ist. Auch bei ihm kam das konkrete Opfer überhaupt nicht vor, die Formulierung "absolutes Folterverbot" umso häufiger. Seine Tiraden gipfelten in der Behauptung, in Deutschland wolle "man" die Folter gesellschaftsfähig machen. Was will eigentlich Ströbele gesellschaftsfähig machen, wenn er sich noch heute auf seiner Internetseite rühmt, daß er 1980 wegen seiner Nähe zu den Entführern und Mördern der RAF zu zehn Monaten Haft verurteilt worden ist?
Hier wird - wohl ganz bewußt - ignoriert, daß es im "Fall Daschner" gar nicht um Folter im Sinne unantastbarer Grundrechte geht, sondern um "unmittelbaren Zwang im Zuge des Gefahrenabwehrrechts", wie es Rolf Jäger vom Bund Deutscher Kriminalbeamter unelegant, aber zutreffend formulierte.
In einer Ausnahmesituation, wie sie der Gesetzgeber nicht vorhersehen und in Paragraphen fixieren könnte, hat Daschner bei der Abwägung der Rechtsgüter - hier Schutz des Opfers, da Unversehrtheit des Verdächtigen - die richtige Wahl getroffen. Daß solcher Mut ihm mit einem Strafverfahren und öffentlichen Beschimpfungen "gedankt" wird, ist beschämend.
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