|
Seit dem 11. 11. eines jeden Jahres sind die Karnevalsvereine tätig im Bemühen, recht interessante, hübsche, besonders aber originelle Ideen für das ausgelassene Treiben in den närrischen Tagen des Februar als Augen- und Ohrenschmaus zu gestalten. Wenn Radio und Fernsehen die Massenveranstaltungen aus den Hochburgen des Karnevals übertragen, scheinen diese tonangebend und so dominierend zu sein, daß sich dafür das Wort Karneval ohne Differenzierung eingebürgert hat.
Doch abseits dieser durch Übertragungsrechte vertraglich abgesicherten Großveranstaltungen pflegen kleine Vereine, Haus- und Dorfgemeinschaften, Jugendgruppen, Schulen und sogar Kindergärten ein seit langem überliefertes Faschingbrauchtum, das schon früher in der dunklen Winterzeit für Abwechslung und gute Laune sorgte trotz der harten Bedingungen, die unwirtliches Wetter und sorgsames Einteilen der Nahrungsvorräte den Menschen besonders nach mageren Erntejahren auferlegten.
Auch in vorchristlicher Zeit hat die Freude über das absehbare Ende der das Gemüt belastenden Dunkelheit ein Ventil gefunden. Man feierte vor allem die Wintersonnenwende durch andächtiges Beisammensein am aufgeschichteten Feuerstoß, dann wurde er umtanzt, und die Jugend erprobte ihren Mut, wenn sie über die verlöschende Glut sprang. Die Asche wurde als ein heiliges Gut auf dem Acker verstreut. In den Rauhnächten mußten böse Geister durch Mummenschanz mit lautem Gepolter verscheucht werden. Und schon wurden Umzüge vorbereitet, Tänze und Spiele eingeübt, Masken gefertigt, die den Winter das Fürchten lehren und dem zarten Frühlingskind helfen sollten, ihn endlich zu vertreiben.
Vom "Faseln" in den Schummerstunden wird berichtet. Darunter verstehen wir heute das fantasiereiche, das die Realität verdrängende Erzählen. Mittelhochdeutsch kennt das Wort "Vasen" für "närrisches Benehmen" und kann darum auch als Sprachwurzel der "Fasnet, Fasenat" oder "Fasnacht" gelten. Denn gewiß haben auch damals die alten Leute von ihren Jugendstreichen und Schelmereien erzählt und sicher nicht untertrieben, wenn das junge Volk lauschte.
Roms berühmtester Redner und Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus (55-115 v. Chr.) gewann durch seine Heirat mit der Tochter des Konsuls Agricola, dem Eroberer Britanniens, fundierte Kenntnisse über das Brauchtum der Kelten und Germanen. Von "Carrus navalis", dem Fest der Freude über die Vermählung des Sonnengottes mit der Erdkönigin, wie er es nördlich der Alpen erlebte, berichtete er.
Mutter Sonne lachte Freudentränen, die von den Eiszapfen tropften, als alle Bäche hurtig wieder hüpften. Sie spiegelten das helle Licht, und die Hochzeiter fuhren auf geschmückten Schiffswagen durch die Lande. Um sie herum hob ein Blühen an. Die Menschen schmückten sich und ihre Tiere. In christlicher Zeit wurden die heidnischen Winter- und Vorfrühlingsfeste zusammengedrängt, denn 40 Tage vor Ostern mußte die Sühne- und Fastenzeit beginnen. "Carne vale" hieß es, auf deutsch: "Fleisch, lebe wohl!" In der Fastenzeit durften die Erwachsenen nur eine fleischlose Mahlzeit am Tag zu sich nehmen, in manchen Gegenden waren auch Milch und Eier verboten. Darum genehmigte man sich gern ein starkes Fastenbier als flüssiges Brot.
Eigentlich sollte der Abschied vom guten Essen auf den Fasten-abend begrenzt sein. Vorher noch ließen die kräftigen Burschen Feuerräder ins Tal rollen, oder sie bannten den Winter symbolisch in eine Strohpuppe, die sie unter lautem Gejohle auf einen Holzstoß hievten und verbrannten.
Daß heidnisches Brauchtum und christliches Neugebot gleichermaßen gepflegt wurden, duldete die Kirche. Doch in der Fastenzeit war kein Übertreten des Gebotes erlaubt. Darum versuchten sich die Menschen - soweit die Vorräte solches zuließen - vorbeugend auf die fleischlosen, mageren Wochen einzustellen. Sie genossen ausgiebig, was ihnen lange verwehrt bleiben mußte.
Im Jahre 1882 veröffentlichte ein Chronist seine "lehrigen Untersuchungen" in dieser Angelegenheit mit dem Resultat: "Die Ausdehnung der Fastnachtslustbarkeiten würden hauptsächlich hervorgerufen, weil es selbst für den hungrigsten Menschen zu schwierig sei, sich an einem Tage acht Mal satt zu essen!"
Also dauert der Karneval mit seinem ausgelassenen Treiben bei gutem Essen und Trinken von der Weiberfastnacht am Donnerstag bis zum Faschingsdienstag. Höhepunkt ist immer noch der "Rosenmontag", der eigentlich "Rasenmontag" heißen müßte. Denn in der rheinischen Mundart, die das Rasen, Toben und Tanzen beschreibt, mit der das närrische Volk durch die Straßen zieht zwischen Düsseldorf, Köln, Mainz und Basel, klingt das A wie O. Der Büttenredner liest am "Rosenmontag" seinem Herrn die Leviten. Das darf er nur in dieser nun "verdrehten Welt" tun, in der erlaubt ist, was gefällt. Und das Volk ist schadenfroh, freut sich diebisch dar-über.
Der Karneval mit seinem ausgelassenen Treiben endet am Faschingsdienstag. Aschermittwoch ist alles vorbei. Mancherorts wurden dann die leeren Geldbeutel gewaschen und neben dem Dorfbrunnen zum Trocknen aufgehängt, damit auch die schönen Mädchen die Misere deutlich vor Augen hatten, wenn sie Wasser schöpften: "Die Taschen sind leer! Enthaltsamkeit ist geboten bis zum Ende der Sühne- und Fastenzeit!" Anne Bahrs |
|